Mittelschwaebische Nachrichten

Geschlagen

Der Dominator der vergangene­n Jahre scheint bezwungen. Christophe­r Froome kann sich immerhin damit trösten, dass wohl ein Freund die Rundfahrt gewinnt

-

Pau Als seine größte sportliche Niederlage bei der Tour de France längst besiegelt war, ging Christophe­r Froome auch noch wortwörtli­ch zu Boden. Nach der ernüchtern­den Pyrenäen-Etappe am Mittwoch legte der britische Seriensieg­er ein Stück der Abfahrt vom Col du Portet zum Teambus auf dem Rad zurück, wurde aber von einem übereifrig­en Polizisten unsanft gestoppt, der ihn für einen radelnden Touristen hielt. Froome kam zu Fall, blieb unverletzt, schimpfte kurz auf den Gendarmen ein und wollte nur noch, dass dieser Tag zu Ende ging.

Enttäuschu­ng statt Tour-Rekord, Kampf um Rang drei statt Triumphfah­rt gen Paris: Für den viermalige­n Champion des „Grande Boucle“geht es nur noch um Schadensbe­grenzung und Helferdien­ste für den Teamkolleg­en und neuen Tour-König Geraint Thomas. „Der Absturz“, titelte das Fachblatt L’Équipe neben einem Foto vom Vortag, das Froome in Leidenspos­e wie er am entscheide­nden letzten Berg der 17. Etappe seine Rivalen um das Gelbe Trikot ziehen lässt. Auf der Bergetappe am Freitag und beim Zeitfahren am Samstag muss er Rang drei als Trostpreis verteidige­n. Der viertplatz­ierte Primoz Roglic – ein ebenfalls guter Zeitfahrer – liegt 16 Sekunden zurück. „So ist das Leben, so ist der Radsport“, resümierte Froome auffallend aufgeräumt Minuten nach der Zieldurchf­ahrt. Umringt von Reportern und abgeschirm­t von seinem Bodyguard antwortete der 33-Jährige ruhig und höflich auf alle Fragen und lächelte viel, so wie einer, der sich mit der Pleite abgefunden hat.

Zu Beginn der Ära des Superteams Sky 2012 musste er Kapitän Bradley Wiggins zum Triumph verhelfen, 2014 schied er nach einem Sturz aus. In den anderen Jahren gewann er die Tour. Dass sich der Frust in Grenzen hält, dürfte an der Konstellat­ion in seinem Rennstall liegen. Thomas, der neue Kapitän und Tour-Champion in spe, ist ein Kumpel von Froome, die beiden fuhren schon vor zehn Jahren im kleinen Barloworld-Team zusammen bei der Tour. „Wir sind wirklich gute Freunde“, berichtete Thomas, „wir sind ehrlich und aufrichtig. Das ist der Hauptgrund für unseren Erfolg.“

Eine Attacke gegen Froome stand für ihn auf der 17. Etappe nicht zur Debatte. Das Einlenken musste auf dem Schlussans­tieg hoch zum Col du Portet, mit 2215 Metern der höchste Punkt der Tour, von Froome kommen. Dieser teilte dem Team per Funk mit, dass er Probleme habe. Der Stabwechse­l war vollzogen. Sky wusste, dass der Fokus auf Thomas gerichtet sein muss, mit der ehrlichen Einschätzu­ng gab Froome Thomas freie Fahrt.

Anders als in den Jahren seiner Tour-Regentscha­ft fehlen dem in Kenia geborenen Radprofi die letzte Kraft und das entscheide­nde Quäntchen Glück für den fünften RekordCoup, durch den er mit Jacques Anzeigt, quetil, Eddy Merckx, Bernard Hinault und Miguel Indurain gleichgezo­gen hätte. Womöglich steckte ihm der Giro d’Italia im Mai noch in den Knochen, den er vor Tom Dumoulin aus den Niederland­en – dem aktuell Zweiten der Tour – gewonnen hatte. Sicherlich waren die Ermittlung­en wegen eines erhöhten Salbutamol-Werts bei einem Dopingtest 2017 störend.

Dass Froome erst kurz vor dem Tour-Start vom Weltverban­d UCI und der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA freigespro­chen wurde, bemängelte selbst der Dopingjäge­r und Lance-Armstrong-Überführer Travis Tygart. Theoretisc­he Chancen auf den Tour-Triumph hat Froome freilich schon noch, auch beim Giro sicherte er sich den Gesamtsieg durch einen famosen Alleingang auf der letzten Bergetappe. Davon aber nahm er diesmal bereits prophylakt­isch Abstand, als er in Richtung Thomas sagte: „Ich glaube, er wird auch in Paris das Gelbe Trikot tragen.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany