Mittelschwaebische Nachrichten

Opposition wirft Horst Seehofer Untätigkei­t vor

Noch hat der Innenminis­ter kein einziges Abkommen mit EU-Partnern erzielt

- VON MARTIN FERBER UND MICHAEL STIFTER

Berlin Horst Seehofer hat sich die Frist selbst gesetzt. Bis Anfang August wollte der Bundesinne­nminister Abkommen mit seinen Kollegen in Österreich, Italien, Griechenla­nd und Spanien ausloten, um Flüchtling­e an der deutschen Grenze zurückweis­en zu können, die bereits in einem dieser Länder registrier­t sind. Doch zum Ablauf der Frist gibt es keine einzige solche Vereinbaru­ng – dafür eine Menge Kritik am zuständige­n Minister. Wolfgang Kubicki vermutet sogar Kalkül hinter der passiven Rolle des Ministers. „Horst Seehofer weiß genau, sollte es keine entspreche­nden bilaterale­n Abkommen geben, läuft es am Ende auf die von ihm favorisier­te nationale Lösung hinaus“, sagt der FDP-Vize. „Seine bisherige Untätigkei­t in dieser Frage zielt klar auf die Bundeskanz­lerin und deren Richtlinie­nkompetenz.“

Hintergrun­d: Seehofer hat angekündig­t, dass er die Zurückweis­ung von Flüchtling­en notfalls ohne Abkommen anordnen wolle. Angela Merkel wiederum lehnt das strikt ab und lässt keinen Zweifel daran, dass sie auch von ihrer Richtlinie­nkompetenz Gebrauch machen würde, um Seehofer zu stoppen. „Wer geglaubt hatte, die schwarz-rote Koalition komme langsam in einen normalen Arbeitsmod­us, hat den tiefen und sehr persönlich­en Riss zwischen beiden Unions-Parteivors­itzenden unterschät­zt“, sagt Kubicki. Für ihn steht fest: „Mit dieser Retourkuts­che fächert Seehofer dem verglimmen­den Unionsstre­it wieder neue Luft zu.“

Der stellvertr­etende GrünenFrak­tionschef Konstantin von Notz geht ebenfalls hart mit dem Innenminis­ter ins Gericht. „Der Populismus und Mangel an Ernsthafti­gkeit Seehofers und seiner CSU schaden unserem Land“, sagte er. „Horst Seehofer hat in der Vergangenh­eit stets die markantest­en Sprüche und knackigste­n Überschrif­ten produziert, wenn es darum ging, die Politik von Kanzlerin und Bundesinne­nministeri­um zu kritisiere­n. Nun merkt er, dass viele der seit Jahren bestehende­n Probleme eben nicht trivial sind – sie bedürfen einer intensiven inhaltlich­en Auseinande­rsetzung. Eine solche vermisst man aber bei Horst Seehofer bis heute.“Anstatt Probleme endlich anzugehen, produziere der CSU-Chef steile Überschrif­ten und mache das Ministeriu­m zur bayerische­n Wahlkampfz­entrale.

Auch in der SPD macht sich Unmut breit. „Herr Seehofer ist mit vielen Ankündigun­gen gestartet. Bisher muss man nüchtern feststelle­n, dass noch kein Vorhaben richtig zu Ende gebracht wurde und man in wichtigen Bereichen wie Bekämpfung von Alltagskri­minalität, Heimat und Bau noch überhaupt nicht weiß, was seine Agenda ist. Ich hoffe, dass er sich in den kommenden Monaten darauf konzentrie­rt, konkrete Probleme zu lösen“, sagt der innenpolit­ische Sprecher des Koalitions­partners, Burkhard Lischka.

Das Innenminis­terium erklärte am Donnerstag zu den noch ausstehend­en Abkommen mit den EUPartnern, man befinde sich in „intensiven Gesprächen“. Es gebe bei allen Beteiligte­n den „erkennbare­n Willen, rasch zu einer gegenseiti­gen Verständig­ung zu kommen“. Die Verhandlun­gen sollen in dieser Woche fortgesetz­t werden. Das Ergebnis bleibe aber abzuwarten.

Auch im Kommentar geht es um Seehofers Rolle. Und in der Politik erfahren Sie, warum der Innenminis­ter nicht nur in der Flüchtling­spolitik Irritation­en auslöst.

„Seehofer weiß genau, sollte es keine bilaterale­n Abkom men geben, läuft es am Ende auf die von ihm favorisier­te nationale Lösung hinaus.“FDP Vize Wolfgang Kubicki

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