Mittelschwaebische Nachrichten
Verurteilungen wegen Kommentaren im Internet
In Schweden soll ein somalischer Flüchtling ein zwölfjähriges Mädchen vergewaltigt haben. Auf Facebook animierte dieser Fall hier in Schwaben zu rechtsextremen Kommentaren
Günzburg „Ausrotten das ganze Viehzeug bis auf den Letzten.“Ein Satz, den der 28-jährige Angeklagte aus dem nördlichen Unterallgäu im Februar dieses Jahres unter einen abrufbaren Artikel auf Facebook postet. Auslöser für den Kommentar war ein vermeintlicher Fall aus Schweden, in dem ein 18-jähriger somalischer Flüchtling ein zwölfjähriges Mädchen in eine Wohnung gelockt und dort vergewaltigt haben soll.
„Ich soll die geschriebene Aussage nicht so hoch hängen?“, fragt Richter Walter Henle den Anwalt des Angeklagten und schaut ihn streng an. „Ich soll glauben, dass der Satz nur aus einer Emotion heraus geschrieben wurde? Hier ist einer, der mit Vorstrafen bei mir sitzt. Bei einer Tat läuft sogar noch die Bewährungszeit.“Henle liest aus dem damaligen Protokoll der einschlägigen Hauptverhandlung von 2015 vor. „Die Vollstreckung der Bewährung erwartet, dass sie dem Angeklagten zur Warnung dient.“Der Richter stockt: „Was ist aus dieser Warnung geworden? Sie sitzen nun erneut auf der Anklagebank und haben unter offener Bewährung eine Vorsatztat begangen.“Richter Henle blickt zum Anwalt des Angeklagten: „Und dann sagen Sie als Anwalt, dass das Ganze nicht so hochgehängt werden soll? Ausrotten das ganze Viehzeug bis auf den Letzten.“Henle stockt: „Dieser Satz ist menschenverachtend und bei dieser Einstellung tu ich mich schwer, das Ganze nicht so hochzuhängen.“Mit dieser Aussage seien, so Henle, die grundlegenden demokratischen Werte missachtet worden. „Kein Mensch ist Viehzeug und beim Thema Volksausrottung, kann ich nur sagen, dass die Todesstrafe bereits abgeschafft wurde.“Im Kommentar ’ein ganzes Viehzeug auszurotten’, ginge es, so Henle, darum, mehrere Menschen systematisch töten zu wollen.
Für den Anwalt des Angeklagten geht diese Anschuldigung zu weit. „Da fehlt die Absicht meines Mandanten. Es war nur ein Kommentar.“Auch den Tatbestand der Volksverhetzung erkennt der Anwalt nicht an. „Ich schon“, sagt Henle. „Ihre Argumente überzeugen mich nicht. Die beleidigenden Äußerungen sind auch nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.“Der Richter erklärt: „Wenn ihr Mandant geschrieben hätte: ’Ich fordere für alle Sexualstraftäter die Einführung der Todesstrafe’, wäre das etwas anderes.“Doch soweit würden die Leute beim Thema Meinungsfreiheit nicht denken, erwidert der Anwalt. „Aber der Mann ist unter offener Bewährung“, betont Henle erneut. Auch für die Staatsanwaltschaft ist der Fall rechtlich nicht einfach zu beurteilen.
Am Ende wird das Verfahren eingestellt. „Unter Auflagen“, betont der Richter. „Sie haben zwei Monate Zeit das Konzentrationslager in Dachau zu besuchen und dort eine Führung zu machen. Die Fahrt nach Dachau dient nicht der Belustigung, sondern soll Ihnen zeigen, was Hitler damals gemacht hat“, ermahnt der Richter. „Gehen Sie in sich und denken sie daran, dass Dachau, anders als Auschwitz, kein Vernichtungslager war.“
Zusätzlich muss der Angeklagte 1000 Euro an die Friedenskirche der Gedenkstätte in Dachau spenden. „Wenn Sie ernsthaft wollen, dass das Verfahren weiter eingestellt bleibt, halten Sie sich an die Auflagen“, ermahnt Henle.
Unter den gleichen Artikel kommentierte ein 53-Jähriger: „Steinigen auf dem Marktplatz.“Ein 66Jähriger schrieb: „Unten abschneiden und sofort abschieben/das Dreckschwein.“Der 53-Jährige muss dafür eine Geldstrafe von 1440 Euro bezahlen. Der Andere wurde zu einer Bewährungsstrafe von vier Monaten verurteilt. Beide stammen aus dem südlichen Landkreis Günzburg.
Der kommentierte Artikel erschien auf der Facebook-Seite: „Soldiers of Odin Germany Division Bayern“(SOO). Das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet die Gruppierung als rechtsextrem, während sich die Aktivisten selbst als Nachbarschaftshilfe bezeichnen. Bislang liegen dem Verfassungsschutz nach eigenen Angaben keine Hinweise auf ein gewalttätiges Vorgehen der SOO vor. In den Reihen der Gruppierung seien allerdings verbal aggressive Äußerungen und ein fremdenfeindliches Auftreten zu beobachten. Zudem seien unter den Mitgliedern mehrere Personen, die der Behörde aus anderen rechtsextremistischen Zusammenhängen bekannt sind.