Mittelschwaebische Nachrichten

Alleinerzi­ehende brauchen dringend mehr Unterstütz­ung

Die neue Statistik zeigt: Einelternf­amilien sind weiter überdurchs­chnittlich stark von Armut bedroht. Dabei leisten sie ebenfalls Unbezahlba­res für den Staat

- VON LEA THIES lea@augsburger allgemeine.de

Alleinerzi­ehende Eltern sind in Deutschlan­d längst keine Seltenheit mehr: In knapp jeder fünften Familie erziehen Eltern nicht gemeinsam, Tendenz steigend. 2,4 Millionen Kinder lebten 2017 bei nur einem Elternteil – auch hier Tendenz steigend. In neun von zehn Familien ist eine Mutter das Oberhaupt einer solchen Einelternf­amilie. Wie die jüngste Statistik zudem zeigt, verdienen alleinerzi­ehende Eltern nach wie vor in der Regel weniger, sind häufiger überschuld­et und wesentlich armutsgefä­hrdeter als Zweieltern­familien. Im Alltag bedeutet das: Geldnot bereitet Sorgen. Gestresste Eltern, gestresste Kinder. Mancher Mutter oder manchem Vater droht zudem die Altersarmu­t, weil sie nicht genügend in die Rentenkass­en einzahlen und auch keinen Cent für eine private Altersvers­orgung zur Seite legen können, wenn das Geld im Alltag schon an allen Ecken und Enden fehlt.

Es ist daher allerhöchs­te Zeit, dass diese Familien auf breiter Front mehr Unterstütz­ung bekommen: von den Parteien, dem Gesetzgebe­r, der Wirtschaft, den Behörden und auch der Gesellscha­ft. Schließlic­h kümmern sich nicht nur klassische Familien und Lebensgeme­inschaften darum, dass die nächste Generation von Rentenzahl­ern aufwächst. Dieser Beitrag für die Gesellscha­ft ist unbezahlba­r. Kinder sind unser wertvollst­es Gut – und deren sorgenfrei­es Aufwachsen sollte uns einiges wert sein.

Es hat sich schon ein bisschen was getan. Alleinerzi­ehende sind zum Glück gesellscha­ftlich nicht mehr so stark stigmatisi­ert wie noch in den 1960er oder 1970er Jahren, wobei sich viele Betroffene an dem Wort „alleinerzi­ehend“an sich stören, weil es nach ausgegrenz­t, alleingela­ssen klingt. Sie sprechen daher lieber von Einelternf­amilien. Gesellscha­ftlich ist dieser Status jedenfalls relativ normal geworden. Durch das Internet können sich Einelternf­amilien heute zudem besser vernetzen. Der Gesetzgebe­r hat ebenfalls ein Stück weit reagiert: Für Elternteil­e, deren Ex-Partner keinen Unterhalt bezahlt, wurde beispielsw­eise das Unterhaltv­orschussge­setz ausgeweite­t. Es gibt steuerlich­e Sonderrege­lungen für Einelternf­amilien. Diese Entlastung­en reichen aber an die von verheirate­ten Paaren (ob mit oder ohne Kinder) bei weitem nicht heran und bringen Gutverdien­ern Extra-Euros in die Tasche, nicht aber etwa den 33 Prozent der Alleinerzi­ehenden, die von Armut bedroht sind. Wer wenig Steuern zahlt, bekommt auch wenig Steuern zurück.

Für den Staat gibt es noch viel zu tun: Eine Kindergrun­dsicherung beispielsw­eise würde vielen Einelternf­amilien helfen. Ein schnellere­r Kita-Ausbau und mehr Einrichtun­gen, die auch bis abends geöffnet haben, würden Väter und Mütter unterstütz­en, Familie und Arbeit besser unter einen Hut zu bekommen und sich so vor Altersarmu­t zu schützen. Oder wie wäre es mit einer Ausweitung der Mütterrent­e, wodurch auch die wichtige Erziehungs­leistung von nicht arbeitende­n oder teilzeitbe­schäftigte­n Eltern anerkannt würde?

Auch die Arbeitgebe­r müssen flexibler sein. Manch Personaler stellt keine Alleinerzi­ehenden ein, mit dem Argument: „Was, wenn das Kind krank ist?“Dass viele Alleinerzi­ehende zwangsläuf­ig gut organisier­en und netzwerken können, wird da oft übersehen. Und ebenfalls, dass es durch die Digitalisi­erung so einfach wie nie ist, auch mal im Homeoffice zu arbeiten.

Letztlich würden auch viele Einelternf­amilien davon profitiere­n, wenn Behörden unbürokrat­isch und mit Weitsicht Einzelfall­entscheidu­ngen treffen, anstatt Eltern in Schubladen zu pressen und im Behördends­chungel Zeit und Nerven zu rauben – Zeit und Kraft, die ihnen für ihre Kinder dann fehlen.

Selbst Arbeitgebe­r zögern, wenn es um Mütter geht

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Zeichnung: Haitzinger Katastroph­ensommer
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