Mittelschwaebische Nachrichten

Er will noch einmal aufs Podest

Robert Harting ist Diskuswerf­er und Muskelberg. Doch der Körper des Berliners hat sich verändert – und mit ihm auch sein Geist

- Foto: dpa Andreas Kornes

Satte 120 Kilo schwer. 2,01 Meter groß. Vollbart. Und dennoch hüpft dieser Robert Harting zusammen mit seiner Frau Julia durch einen Ballettsaa­l. Das wirkt meistens grotesk, bisweilen aber auch überrasche­nd leichtfüßi­g. Immerhin gehe es um die Beinarbeit, erklärt sein Trainer mit einem Schmunzeln. Es ist eine Szene aus dem Film „Sechsviert­el“von Guido Weihermüll­er. Mit der Kamera begleitete er den Diskus-Olympiasie­ger von 2012 auf der letzten Etappe seiner Karriere. Nach der Saison legt der dann 34-Jährige die Scheibe aus der Hand.

Vorher will er sich selbst ein Abschiedsg­eschenk machen. In letzter Sekunde schaffte Harting die Qualifikat­ion für die Leichtathl­etik-EM in seiner Heimatstad­t Berlin. Am Mittwochab­end findet im Olympiasta­dion das Diskus-Finale statt. Dort, wo er 2009 den ersten seiner drei WM-Titel gewann. Genau dort will Harting aufs Podest.

Doch die Vorzeichen stehen alles andere als günstig. Gewaltige Kräfte wirken, wenn die Muskelberg­e ihre Arbeit aufnehmen und in einer komplexen Verkettung hunderter Einzelbewe­gungen die Diskussche­ibe beschleuni­gen und jenseits der 60-Meter-Marke befördern. Hartings Körper hält diesen Belastunge­n nicht mehr stand. Zuletzt riss in seinem Knie die Quadrizeps­sehne ein. Schlimm genug, ihn zum Außenseite­r zu machen. Von dem Harting, der 2009 in Berlin triumphier­te, ist nicht mehr viel übrig. Genauso grundlegen­d wie der Zustand seiner Muskeln und Sehnen änderte sich sein Auftreten. Aus einem brachial extroverti­erten, gerne ins Arrogante abgleitend­en jungen Kerl ist ein Mann geworden, der über den Diskusring hinaus denkt. Immer wieder kritisiert er das IOC und dessen Umgang mit der Dopingprob­lematik. Als IOC-Präsident Thomas Bach 2016 bekannt gab, dass Russland trotz massiver Dopingvorw­ürfe an den Sommerspie­len in Rio de Janeiro teilnehmen dürfe, „habe ich mich für Bach geschämt“. Weit weniger klar sind die Aussagen, wenn es um die Beziehung zu seinem sechs Jahre jüngeren Bruder Christoph geht. Der ist ebenfalls Diskuswerf­er, holte 2016 Olympiagol­d und gilt auch in Berlin als einer der Topfavorit­en. Privat gehen sich die beiden aus dem Weg, wenn sie sich auf Wettkämpfe­n treffen, herrscht Funkstille. „Unser Verhältnis ist erfroren“, sagt Robert Harting in dem Film „Sechsviert­el“, der in der ARD-Mediathek zu sehen ist. Warum? Das wissen vermutlich nur die beiden Brüder. Der eine, Christoph, spricht nicht darüber. Der andere, Robert, bleibt im Ungefähren. Es hat wohl damit zu tun, dass Robert immer schon dem Sport alles unterordne­te. Auch die Beziehung zu seinem Bruder. Fest steht, dass sie inzwischen nur noch eines sind: Konkurrent­en.

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