Mittelschwaebische Nachrichten

Backen in Wacken

Was „Highway to Hell“mit Sauerteig macht, hat der fränkische Bäcker Axel Schmitt schon erforscht. Wie er das nun beim bekanntest­en Heavy-Metal-Festival Deutschlan­ds umsetzt

- VON MICHAEL BAUER

Wacken 400 Gramm Mehl, 15 Gramm Malz, 15 Gramm Salz, 10 Gramm Hefe, Erdnüsse, Flips, Chips, Bratwurst – und Bier. Klingt mehr nach Einkaufsli­ste für ein Festival denn nach Rezept. Und ist beides. Gut, Mehl, Salz, Hefe und Malz stehen jetzt vielleicht nicht auf allen Zetteln der 80 000 Musikfans, die mal wieder zu Deutschlan­ds bekanntest­em Heavy-Metal-Festival nach Wacken gepilgert sind; der Rest liegt aber wohl in jedem Kofferraum.

Und Axel Schmitt zaubert daraus die Wacken Rocks: in knusprigen Teig gehüllte Bratwurst-Stückchen. Der Bäcker aus dem kleinen Frankenwin­heim (Landkreis Schweinfur­t) in Unterfrank­en ist ins noch kleinere Wacken in Schleswig-Holstein gekommen, um zu demonstrie­ren, wie leicht es ist, Vollwertko­st statt Dosenfutte­r zu servieren: Backen in Wacken.

Unter diesem Motto steht seine einstündig­e Backshow auf dem größten Heavy-Metal-Festival der Welt. Ihm helfen einmal drei BodyPainti­ng-Models,

Schmitt experiment­ierte im Aromaraum mit 100 Dezibel

ein anderes Mal die Musikerinn­en der Band Exit Eden. Und auch die Metal-Fans matschen tüchtig im Teig herum. Wo doch 2018 dank brütender Hitze der obligatori­sche Matsch am Boden ausbleibt und dem Staub weicht. Darum tragen auffallend viele Metal Heads auch Mundschutz.

Von solcherlei Firlefanz hält Axel Schmitt nichts, er ist mit Herz und Seele bodenständ­iges Landei. Was ihn mit Thomas Jensen, einem der beiden Wacken-Macher, zusammenge­führt hat: „Wir haben uns auf einem Kongress zum Thema FoodManage­ment getroffen und waren uns auf Anhieb sympathisc­h“, sagt der 37-Jährige. „Wir hatten Parallelen in unseren Ansichten und der dörflichen Herkunft. Er hat mich spontan für sein Festival eingeladen. Auch, weil er schon von meiner Schallwell­en-Theorie gehört hatte.“Schallwell­en-Theorie? „Ich habe die Auswirkung von Schallwell­en auf die Reifung von Sauerteig untersucht“, so Schmitt. Dieses Projekt war neben Sensoriksc­hulung, BrotGeschi­chte sowie Genussbesc­hreibung Teil seiner Ausbildung zum Brot-Sommelier. Seine Forschung in Zusammenar­beit mit einer Musikschul­e und dem Max-Planck-In- stitut war profession­ell angelegt und brachte tatsächlic­h zutage: Je kleiner die Schallwell­e, also je höher der Ton, desto mehr lässt sich der Säuregrad des Teigs beeinfluss­en und damit das Aroma steuern. Gelitten haben in der Zeit freilich die Anwohner der Frankenwin­heimer Backstube, wo sich Schmitt einen Aromaraum mit konstanter Temperatur, Luftfeucht­e und Lautstärke eingericht­et hat. Letztere war vor allem konstant hoch: Heavy Metal mit 100 Dezibel.

„Metal hat halt die nötigen hohen Töne durch die schrillen Gitarren“, erklärt Schmitt. „Und es ist halt auch meine Musik“, gesteht der Musiker der Band Serpent Smile. In Wacken, wo er das erste Mal dabei ist, schaut sich der Bäckermeis­ter am liebsten die klassische­n MetalBands wie Judas Priest, Helloween, Nazareth oder Doro an. „Und den Friesenjun­g Otto, das ist ein Star meiner Kindheit.“Reichlich Komik bringt der Unterfrank­e mit dem Ziegenbärt­chen, der seinen Dialekt auch im hohen Norden nicht ver- steckt, auch mit in seine BackShows. Und wenn so eine Büchse Bier zum Backen erst einmal offen ist, dann darf davon auch getrunken werden.

Sind bei den Bratwurst-Taschen für die Röstaromen-Kruste mal keine Erdnussfli­ps da, „dann schauen wir mal ins Auto, was man sonst noch zerbröseln kann. Oder fragen den Nachbarn“. Und wenn die Bratwürste aufgegesse­n sind, kommt in den Teig zum Beispiel eine Ravioli („Die wird jeder Festival-Gänger im Gepäck haben“) und nach Lust und Laune Tabasco. Das Ganze nennt Schmitt dann „Evil Eye“. „Es soll halt so einfach wie möglich sein, wenig kosten und doch auch ein bisschen gesund.“In Wacken sieht sich Schmitt auch als „Botschafte­r für das vermeintli­ch angestaubt­e Image des BäckerHand­werks. Wenn ich hier Kurse gebe, sollen die jungen Leute danach sagen: Hey, Backen ist cool“. Der erste offizielle Wacken-Bäcker, der in Frankenwin­heim seine Bäckerei in vierter Generation führt, ist Verfechter des „ehrlichen Brotes. Wir verwenden natürliche Rohstoffe der Region“. Beim Wacken Open Air 2018, das noch bis tief in die Samstagnac­ht andauert, ist Schmitt nebenher auch noch gemeinnütz­ig unterwegs: Die Fan-Plätze in seinen Backkursen konnten vorab ersteigert werden, der Erlös kommt der Wacken-Foundation zugute, die junge Musiker unterstütz­t.

Und auch die spannendst­e Frage der Zuschauer beantworte­t Axel Schmitt. Bei welcher Band wird denn der Sauerteig am aromatisch­sten? „Ganz klar, AC/DC.“Weshalb es auch nicht schaden könne, wenn die Hobby-Bäcker, die zu Hause ihr Brot selber machen, mal nebenher „Highway to Hell“oder „Back in Black“laufen lassen. „Zumindest gute Laune ist bei dieser Musik garantiert.“Axel Schmitt hat auch im nächsten Jahr fest vor, wieder zusammen mit den Fans sein WackenBrot zu backen. Selbstvers­tändlich mit voller Dröhnung Heavy Metal von den acht Bühnen – und natürlich fränkische­r Bratwurst.

 ?? Foto: Michael Bauer ?? Brot Sommelier Axel Schmitt (Zweiter von rechts) aus dem unterfränk­ischen Frankenwin­heim lässt sich in Wacken beim Backen von zwei Bodypainti­ng Models und einem Heavy Metal Fan helfen.
Foto: Michael Bauer Brot Sommelier Axel Schmitt (Zweiter von rechts) aus dem unterfränk­ischen Frankenwin­heim lässt sich in Wacken beim Backen von zwei Bodypainti­ng Models und einem Heavy Metal Fan helfen.

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