Mittelschwaebische Nachrichten
Als auf der Mantelstraße noch Kreisel getrieben wurden
Erwin Bosch und seine persönlichen Erinnerungen an die Straße, die Krumbach und Hürben verbindet
Krumbach Dem Namen nach gehört die Karl-Mantel-Straße zu den jüngeren bekannten Straßen von Krumbach und Hürben. In den letzten Jahren wurden nun große Anstrengungen unternommen, sie nach über 100 Jahren neuen Anforderungen anzupassen. Als alter Hürbener möchte ich die alte Mantelstraße in Erinnerung bringen, wie sie sich lange Zeit unverändert etwa ab den Kriegs- und Nachkriegsjahren zeigte, und wie ich sie aus meiner Jugend in Erinnerung habe:
Sie beginnt zwar – grenzüberschreitend – bei Haus Nummer 1 unterhalb des Marktplatzes, ich möchte aber an der alten Grenze Krumbach-Hürben beginnen, da von hier ab doch die deutlichste positive Umgestaltung der letzten Jahre geschehen ist.
Beginnen wir bei Haus Nummer 16, Wachszieher Jakob Bader, Lebensmittelgeschäft. Hier bekam man noch ein halbes Pfund Mehl auf Lebensmittel-Marken in der Spitztüte abgewogen. An der ersten kleinen Tankstelle im Ortsbereich an der Straße bestaunten wir Jungen die Motorräder von BMW, NSU Fox, Lux u. Max und Horex Regina. Vorbei am Landwirt Holzhauser kommen wir zum Schneider Ramp mit Restegeschäft, in dem man nach dem Kriege auch alles Mögliche aus US-Beständen erhalten konnte.
Auf der anderen Straßenseite haben wir an der Ecke zur Mühlstr. den Zahnarzt und Jäger Richard Vogel und Stimmelmayr Karl: Ich bin sicherlich nicht der Einzige, der sich an das Furcht einflößende alte Bohrgestänge schmerzhaft erinnert. Danach die Schreinerei Nagenrauft und weiter eine Baulücke. An den Sandkasten und Schaukel, die hier in der Wiese standen werden sich viele erinnern, die den Kinderhort im alten Weiskopf-Haus besucht haben.
Es folgt der Sattler Lutzenberger und gegenüber der Uhrmacher Harder. Wohl jedes Hürbener Kind und sicherlich auch viele Krumbacher haben sich um die Weihnachtszeit die Nase am Schaufenster platt gedrückt, um die liebevoll aufgebaute Schlittenbahn zu bestaunen (heute im Museum). Nach der Währungsreform waren es die schönen neuen Armbanduhren, die plötzlich zu bestaunen waren. Die kleine Bäckerei Sauerwein folgt, in der man neben Brezen und „Amerikanern“auch um fünf Pfennige Hefe kaufen konnte. Danach ein kleines Haus mit eigenartiger Fassade, eingerahmt von zwei Kastanien-Bäumen, zeitweise eine „Bücherei“, in der man sich die 50-Pfennig-Hefte Tom Prox, Billi Jenkins und andere Western Helden ausleihen und erwerben konnte. Nicht unbedingt, was die Eltern gern gesehen hätten. Dahinter eine kleine Wäscherei.
Gegenüber waren mehrere private Häuser, darin die Näherin Anna Miller. Im Schlössle war einer der Mieter der Bonbonkocher Josef Ledwinka. Seine roten Zuckerhasen, die der Osterhase dann ins Nest legte, waren begehrt. Daneben der Wagner Hans Frauendorfer. Wir kommen zum Friseur Lachenmayer Georg, Haareschneiden war hier regelmäßig in kurzen Zeitabschnitten üblich. Wichtig und immer wieder interessant, wie er das große Rasiermesser am Lederriemen schärfte, um auch die kleinsten Härchen noch zu entfernen. Im ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesen daneben, erinnern wir uns an die Schulschwestern und die Schneiderei von Josef Nagel. Auf der südlichen Seite die Spenglerei Maier und danach das landwirtschaftliche Anwesen Müller und dann die Drechslerei Laber mit Laden für Korbwaren.
Für die Buben war es selbstverständlich, dass man dem Drechslermeister durch ein Fenster bei seiner Arbeit zuschaute, wie er für sie Kreisel drechselte. Er machte sie auf Wunsch größer, kleiner, schlanker oder dicker. Von der Form hing die Laufeigenschaft beim „Kreiseln“ab. Bezahlt wurde ohne Kassenzettel, mit dem Kleingeld, das man sich für kleine Hilfen bei der Großmutter erwarb. Nur nebenbei sei bemerkt, dass die Mantelstraße geteert war und man dank des äußerst spärlichen Verkehrs dort die Kreisel vom Hänslesbauer bis zum Schlössle treiben konnte.
Es gab dabei allerdings ein anderes Problem. Schäden an der Straßendecke wurden von der Teerkolonne einfach zugefüllt. Was zur Folge hatte, dass dies an sehr warmen Sommertagen sehr weich und klebrig wurde. Das störte zwar die leichten Kreisel wenig, aber da wir um diese Zeit in der Freizeit nur barfuß unterwegs waren und auch etwas schwerer, quoll der weiche Teer zwischen die Zehen. Sehr zur Freude der Mutter, die dies am Abend bereinigen musste. Dieses „Kreiseln“war ein netter, unterhaltsamer privater Wettkampf mit einfachsten Mitteln.
Zurück zur Straße und weiter zur Gastwirtschaft und Metzgerei Ludwig Ost, ehemals Traiteur. War man dort mit der Großmutter beim Einkaufen, fiel manchmal eine kleine Scheibe Gelbwurst ab. Bis zum Kriegsende auch Stammlokal der Segelflug-Schüler. Gegenüber war der schattige Biergarten mit den großen Kastanien. Man konnte ja nie warten, bis sie reif waren und von selbst von den Bäumen fielen und half deshalb mit Holzscheiten etwas nach. Die Erwachsenen duldeten es meist wohlwollend, wohl aus Erinnerung an ihre Jugend. Der etwas versteckte Eisgalgen, auf dem man im Winter Eis zur Kühlung im Sommer bereitete, war eine Seltenheit. Im Hintergrund befanden sich die Garagen und Werkstätten des Fuhrunternehmers Negele, dessen stattliches Wohnhaus gegenüber auf der anderen Straßenseite stand. Bleiben wir auf der Südseite und gehen vorbei am großen Garten mit der herrlichen Blutbuche zur Schlosserei von Josef Knöpfle.
Gegenüber war der Schuhmacher Max Rindle, ehemals „Bachkuchel“. Etwas zurück lag das Café Stendebach und dann der Frisör Fritz Vogel, der gerne unter seiner Türe stand und alle freundlich grüßte, wenn er gerade keinen Kunden hatte. Dies waren ehemals Standorte der 1628 von Graf Maximilian erbauten sogenannten Gärtnerhäuser. Vor der Einmündung der damaligen Fabrikstraße noch die Autowerkstätte von Otto Brunninger.
Gehen wir zurück auf die Südseite, wo wir uns noch an die Milch und Käseprodukte von Franz Berger erinnern. Die täglich übliche Menge Milch abzuholen, die ja lange auf Lebensmittelkarten rationiert war, war häufig meine Aufgabe. Mit kleinen Messbechern wurden der viertel oder halbe Liter in die mitgebrachte Milchkanne gekippt. Auftrag der Mutter: Schau gut zu, dass die Messbecher auch richtig voll sind! Bei uns Buben war es üblich, die gefüllten Kannen dann mit gestrecktem Arm und viel Schwung über Kopf zu schwenken, ohne dabei auch nur einen Tropfen zu verlieren.
Auch an die Drechslerei Fischer wird sich mancher erinnern. Bei ihm bekam man Eisstöcke zum winterlichen Eiskegeln auf den Weihern beim westlichen Friedhof nach Maß. Als Abschluss vor der Einmündung in die damalige Augsburger Straße der „Hänslesbauer“, die Landwirtschaft von Georg Bosch. Eine Landwirtschaft, wie man sie sich vorstellt. Hochbeladene Heuund Getreidewagen mit vorgespannten Pferden, Kühe die auf die Weide getrieben wurden, der große Misthaufen, auf dem der Gockel kräht. Ein Bild, das man heute selbst in rein landwirtschaftlichen Dörfern kaum mehr sieht (1959 abgebrannt und ausgesiedelt). Ein weiteres landwirtschaftliches Anwesen mit dem Hausnamen „Froschlachbauer“, Franz Dorner, das im Bereich der Mantelstraße Haus Nummer 17 auf Krumbacher Gebiet lag, gehört ebenso der Vergangenheit an.
Zur Mantelstraße gehören auch noch die an der Ecke FabrikstraßeHohlstraße liegenden Gebäude, mit Haus Nummer 71, darin Zahnarzt Lothar Ebner und Arztpraxis Rüdinger, sowie Haus Nummer 73, Privathaus Holzmann. Die einzigen größeren Veränderungen waren in dieser Zeit der Neubau der AOK und das Filmtheater, später noch Kinderhaus Laber und Textil Obermeier.