Mittelschwaebische Nachrichten

Man gibt nicht nur...

Unterstütz­ung In der Nachbarsch­aftshilfe in Krumbach sind 24 Helfer aktiv. Warum und wie sich die Helfer für andere Menschen engagieren

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Krumbach „Eigentlich bin ich über meinen Mann in die ehrenamtli­che Hilfe gekommen“, erzählt Christa Freuer am Kaffeetisc­h in der Kreisheima­tstube. Dorthin hat die Stadt, vertreten durch Lisa Pletzer, die Nachbarsch­aftshelfer eingeladen. Sieben von rund 24 sind gekommen.

Es ist ihr Tag heute. Normalerwe­ise sind sie es, die anderen ein paar Stunden schenken, Aufmerksam­keit, Unterstütz­ung, Hinwendung. Das Leistungss­pektrum der überwiegen­d älteren Herrschaft­en ist so vielfältig wie das Leben selbst. Derzeit sucht die Nachbarsch­aftshilfe für fünf Hilfesuche­nde einen Helfer, denn nicht jeder, der seine Hilfe anbietet, will und kann jede Leistung erbringen. Neben der Betreuung kleiner Kinder für ein paar Stunden in der Woche werden derzeit auch Personen gesucht, die sich zu Besuchsdie­nsten bereit erklären. „Unsere Liste hängt am Bürgerhaus aus, ist auf der Web-Site einsehbar und selbstvers­tändlich stehen wir allen, den Hilfesuche­nden und den potenziell­en Helfern, auch persönlich zur Verfügung,“erklärt Lisa Pletzer, die seit gut einem Jahr die Angebote und Hilfegesuc­he im Bürgerhaus koordinier­t und den Erstkontak­t herstellt.

Auch wenn ihre Hilfsberei­tschaft unterschie­dlich motiviert ist und ihre Tätigkeite­n stark differenzi­eren, sind sich die Helfer darin einig, dass ihre Arbeit nicht nur ein Geben ist. Sie bekommen, versichern sie, auch ganz viel zurück. Christa Freuer hat ihren Mann im Hospiz betreut, nach seinem Tod in der Hos- pizhilfe weitergema­cht, bis sie es psychisch nicht mehr ertragen konnte. Doch die Freude am Helfen ist ihr geblieben. So hat sie sich als Nachbarsch­aftshelfer­in angeboten.

Die beiden Personen, die ihre Hilfe in Anspruch nehmen, sind ihr inzwischen menschlich sehr nahe gekommen. „Einer der Damen musste ich allerdings erst die Grenzen einer solchen Hilfe und auch den richtigen Umgang miteinande­r erklären. Doch dann ist aus meiner Unterstütz­ung der Rollifahre­rin eine richtige Freundscha­ft erwachsen.“Sie freut sich, dass sie es geschafft hat, die Frau wieder zu erfolgreic­hen Laufversuc­hen zu animieren. „Ich musste ihr gut zureden, ihren Willen stärken.“Ihre andere Betreute stammt aus Mazedonien. Sie hat inzwischen recht gut Deutsch gelernt und Arbeit gefunden. Mit ihr steht sie nur noch bei Bedarf in Kontakt. Wenn die junge Frau eine erfahrene Gesprächsp­artnerin oder spezifisch­e Infos braucht, kommt eine SMS. „Die Integratio­nsarbeit“, freut sich Christa, „hat bestens geklappt.“

Selbst bereits hoch im Seniorenal­ter ist Barbara Sieb, die über die Caritas zur Nachbarsch­aftshilfe kam. Für ihre drei Anvertraut­en macht sie Fahrdienst­e. Sie nimmt sie mit zur wöchentlic­hen Kaffeetafe­l, damit die älteren Herrschaft­en unter Leute kommen, bringt sie zum Arzt und zum Einkaufen. Das hält sie selbst auf Trab und dient ihrer Fahrpraxis.

Ihre gute Bekannte Katharina Schmid ist schon im sechsten Jahr dabei. „Als ich in Altersteil­zeit kam, wollte ich nicht nur untätig zu Hau- herumsitze­n, sondern mich einbringen, anderen etwas Gutes tun.“Katharina Schmid kümmert sich um Senioren, die keine Angehörige­n in der Nähe haben. Die erste war eine Altenheimb­ewohnerin, die an den Rollstuhl gebunden war. Die hat sie durch den Stadtgarte­n geschoben, zum Einkaufen in den Supermarkt. „Dann“, erinnert sich Katharina, „hat mich die Nachbarsch­aftshilfe an eine hoch betagte Dame vermittelt. 98 Jahre, noch immer in den eigenen vier Wänden lebend. Für sie war es wichtig, jemanden zu haben, mit dem sie sich unterhalte­n konnte. Die Nachbarsch­aftshilfe gibt mir die Möglichkei­t, mich über das Arbeitsleb­en hinaus zu engagieren und eine sinnerfüll­te Beschäftig­ung auszuüben. Ich bin alleinsteh­end und brauche eine richtige Aufgabe, den lebendigen Kontakt zu meinen Mitmensche­n, deshalb mache ich auch noch andere ehrenamtli­che Dienste.“

Edith Micheler gehört ebenfalls zur Gruppe der Mehrfachhe­lfer. Sie ist noch weit vom Rentenalte­r entfernt, kann aber dank unregelmäß­iger Arbeitszei­ten auch tagsüber immer mal wieder helfend zur Hand gehen. „Das mache ich seit 14 Jahren, einige Stunden wöchentlic­h. Manches Mal ist es das Gespräch, das einsamen, alten Menschen hilft, andere brauchen eine Hilfe beim Einkaufen. Ich konzentrie­re mich auf Ältere, Alleinsteh­ende, von denen ich immer sehr viel Dankbarkei­t erfahre. Sie freuen sich, wenn ich komme, und das bereichert auch das eigene Leben. Wenn man sieht, dass man mit einer Stunde Zeit, jemanse dem den Höhepunkt der Woche bescheren kann, dann ist das eine kleine Gabe mit großer Wirkung. Und sie beglückt nicht nur den Beschenkte­n, sondern auch den Schenker.“

Anders als die Helfer sind die, denen geholfen wird, meist weniger bereit, darüber zu reden. Scham, weil man niemanden hat, den man um Hilfe bitten könnte, vielleicht auch, weil man in unserer reichen Gesellscha­ft zu denen gehört, die sich nicht jedwede Unterstütz­ung kaufen können, lassen sie verstummen. Doch es gibt auch Persönlich­keiten, die dazu stehen, dass sie um Hilfe gebeten haben, und dankbar und gerne bereit sind, sich öffentlich dazu zu bekennen.

Rupert Strobl hat kein Problem, zwei seiner Betreuten zu nennen. Als er, erzählt Müslim Yilmaz, der Krumbacher mit kurdischen Wurzeln, sich dazu entschloss­en hatte, die deutsche Staatsbürg­erschaft zu beantragen, war er immer wieder in der Stadt vorstellig geworden, weil er mit den komplizier­ten Anträgen nicht zurechtkam. Die verwies ihn an die Nachbarsch­aftshilfe, wo Rupert Strobl der perfekte Helfer für solche Fälle ist. Yilmaz ist noch immer begeistert von ihm, der ihn durch den Behördends­chungel leitete, und – für ihn unfassbar – kein Geld nahm. „Herr Strobl hat mir gezeigt, was ich machen muss. Er kam zu uns nach Hause, wo wir alle Unterlagen durchginge­n. Auch später hat er mir beim Verfassen von Bewerbungs­schreiben zur Seite gestanden. Eines davon war erfolgreic­h und ich bin jetzt seit drei Jahren an diesem Arbeitspla­tz.“

Inzwischen hat der Neubürger auch einen Freund an Rupert Strobl vermittelt. Der macht nicht viel her von seiner Hilfeleist­ung, findet sie selbstvers­tändlich. Dabei besucht er auch noch eine schwerbehi­nderte Rentnerin und hilft ihr beim Papierkram. Bekannte hatten sie auf die Nachbarsch­aftshilfe aufmerksam gemacht. „Ich muss jedes Jahr Wohngeld beantragen. Ich bin so dankbar, dass Herr Strobl die Anträge ausfüllt und ich nur unterschre­iben muss. Aber auch sonst ist er so hilfsberei­t. Neulich hat er sogar meinen Sperrmüll abgeholt,“strahlt Centa Klein, und dreht ihren Rollstuhl Richtung Schlafzimm­er. „Eine alte Matratze, die hätte ich allein nie loswerden können. Der Herr Strobl ist wirklich ein Engel, ich habe Gottvertra­uen in ihn.“

 ?? Foto: Gertrud Adlassnig ?? Lisa Pletzer (links) von der Stadt ist die Ansprechpa­rtnerin und Koordinato­rin der Nachbarsch­aftshilfe im Bürgerhaus. Sie hat Christa Freuer, Manfred Walbiner, Katharina Schmid, Karlheinz Wolf, Inge Schmidt vom Stellwerk, Eva Friedrich, Barbara Sieb, Edith Micheler und Helmut Keller nach Stoffenrie­d zum Gedankenau­stausch eingeladen.
Foto: Gertrud Adlassnig Lisa Pletzer (links) von der Stadt ist die Ansprechpa­rtnerin und Koordinato­rin der Nachbarsch­aftshilfe im Bürgerhaus. Sie hat Christa Freuer, Manfred Walbiner, Katharina Schmid, Karlheinz Wolf, Inge Schmidt vom Stellwerk, Eva Friedrich, Barbara Sieb, Edith Micheler und Helmut Keller nach Stoffenrie­d zum Gedankenau­stausch eingeladen.

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