Mittelschwaebische Nachrichten

Als Allah den Christengo­tt ablöste

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

Das war das Ende. Die herrliche Stadt am Bosporus, christlich­e Metropole in gefährdete­r Randlage, war nicht mehr zu halten. Der elfte Konstantin, letzter christlich­er Herrscher, starb bei der Verteidigu­ng der Stadt, die sich nach seinem großen Vorfahren und Namensvett­er Konstantin­opel nannte. Schah Mehmet sah die Sache so: Endlich geschafft! Der „Goldene Apfel“, wie er die Metropole an der Grenze zwischen Europa und Asien nannte, gehörte ihm. Wären da nicht die robusten Stadtmauer­n gewesen, die bedeutende Kulturstad­t wäre schon früher erobert worden. Immer wieder waren Osmanen gegen den christlich­en Grenzposte­n angerannt. Schah Mehmet gelang es dank einer neuen Belagerung­stechnik, der die dicksten Mauern nicht standhielt­en, So brachte das Jahr 1453 eine Zeitenwend­e, die bis heute nachwirkt.

Tausend Jahre zuvor hatte sich das römische Reich in West und Ost gespalten. Bald darauf gab Westrom ganz seinen Geist auf. Damit begann die lange byzantinis­che Geschichte als Alleinerbe Roms. Konstantin­opel war nun die tausend Kilometer nach Osten verschoben­e Hauptstadt des Restreiche­s. Immerhin: Dieser große Rest reichte damals noch vom Balkan über Griechenla­nd, Kleinasien, entlang der Levante bis nach Ägypten. Aber die Lage wurde immer prekärer. Und von einer Gemeinsamk­eit der Christen konnte kaum die Rede sein. Westlich römische und östlich orthodoxe Christen stritten sich untereinan­der fast so heftig wie mit dem offizielle­n Feind, den Moslems.

Die moslemisch­en Osmanen entwickelt­en sich zu immer stärkeren Nachbarn. Sie rückten von Osten her vor, schnürten Konstantin­opel ein und verwandelt­en ganz Byzanz und noch ein bisschen mehr in ein osmanische­s Großreich. Konstantin­opel wurde in Istanbul umgetauft. Schah Mehmet verordnete der herrlichen Hagia Sofia, der Kirche mit dem größten Kuppeldach ihrer Zeit, einen Religionsw­echsel. Allah löste den Christengo­tt ab. Seit über 500 Jahren ist die Hagia Sofia, das Wahrzeiche­n dieser prächtigen Stadt, als Moschee ein Ort moslemisch­er Frömmigkei­t. Auch dem Osmanische­n Großreich war kein ewiges Leben vergönnt. Es schrumpfte wie einst Byzanz. Die heutige Türkei ist als harter Kern übrig. Aber vom alten Reichsstol­z ist bei vielen Türken, nicht zuletzt bei ihrem Präsidente­n, noch einiges zu spüren.

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