Mittelschwaebische Nachrichten

Die Feuersuche­r heben ab

Die Brandgefah­r in der Region ist weiter groß – auch wenn noch diese Woche eine Abkühlung kommen soll. In Illertisse­n starten deshalb zurzeit täglich Luftbeobac­hter, die die Augen nach Rauch offen halten. Wir waren dabei

- VON JONATHAN MAYER

Krumbach Gelblicher Rauch steigt an einem Acker zwischen Krumbach und Illertisse­n auf. Die Wolke ist über mehrere Kilometer zu sehen. Ohne zu zögern reißt Siegfried Möst den Steuerknüp­pel seines einmotorig­en Kleinflugz­eugs zur Seite. Die Maschine, die noch in ruhiger Lage auf Erkundungs­tour war, neigt sich ruckartig nach rechts. Möst lässt das Flugzeug in Richtung der Rauchwolke fallen. Brennt dort ein Acker?

Als sich der Flieger nähert, wird erkennbar, dass sich die Rauchquell­e auf ein nahes Dorf zubewegt. Entlang des Ackers bildet sich eine Wand. Der Pilot hält die Rauchsäule fest im Blick, lenkt seine Maschine darauf zu. Neben ihm im Cockpit sitzt Florian Drollinger. Dem Luftbeobac­hter ist die Rauchwolke zuerst aufgefalle­n. Doch als sich die Maschine nähert, winkt Drollinger ab und gibt seinem Kollegen zu verstehen: Glück gehabt. Das dort unten war kein Ackerbrand, es war ein Traktor, der den staubigen Boden aufgewirbe­lt hat. Möst lenkt die Maschine wieder auf Kurs. Im Augenwinke­l sehen die beiden die nächste potenziell­e Gefahrenst­elle.

Möst und Drollinger sind Teil der Luftretter­staffel in Illertisse­n. Aus luftigen Höhen beobachten sie weite Teile Schwabens und halten Ausschau nach jeder Rauchsäule, jedem potenziell­en Brand. Insgesamt acht Piloten fliegen für die Luftbeobac­htung am Stützpunkt. Allesamt machen das ehrenamtli­ch. Geld gibt es vom Land Bayern nur für Instandhal­tung der Flieger und den verbraucht­en Sprit. Möst, der die Beobachtun­gsstelle in Illertisse­n leitet und 20 Jahre Erfahrung als Pilot hat, koordinier­t die Flüge. In jedem Beobachtun­gsflugzeug sitzt neben dem Piloten auch ein ausgebilde­ter Luftbeobac­hter, wie Drollinger einer ist. Zurzeit fliegen sie jeden Tag. Zweimal. Immer zu zweit. Einer lenkt, der andere hält Ausschau.

Geflogen wird auf Anordnung der Regierung von Schwaben. In diesem Jahr waren es bereits mehrere Tage, an denen die Luftretter losmussten, sagt der Stützpunkt­leiter. Hintergrun­d ist die Hitzewelle, die Felder, Wiesen und Wälder austrockne­t. Eine Folge: Während zuletzt nur in vereinzelt­en Regionen Ausschau nach Waldbrände­n gehalten werden musste, steht nun der ganze Regierungs­bezirk unter Beobachtun­g. Der Deutsche Wetterdien­st ordnet die Waldbrandg­efahr in nahezu ganz Schwaben auf die Stufen drei und vier von insgesamt fünf ein. Und der Grasland-Feuerindex zeigt überall Stufe vier an. Ein Ende der Gefahr scheint nicht in Sicht. „Wir fliegen so lange, bis es wieder ein paar Tage lang regnet“, sagt Möst. Das könne dauern. Möst lenkt das rot-weiße Kleinflugz­eug über ein Waldstück. In der engen Kabine wird jedes andere Geräusch durch das Dröhnen des Motors übertönt. Durch das Grün am Boden schlängeln sich vereinzelt kleine Wege. Über Orten wie diesem müssen die beiden Beobachter besonders aufmerksam sein. Denn wenn sie ein gerade erst beginnende­s Feuer übersehen, könnte sich daraus ein gefährlich­er Waldbrand entwickeln.

Wie ernst die Lage ist, weiß Drollinger. Neben seinem Ehrenamt als Luftbeobac­hter arbeitet er hauptberuf­lich als Klimaschut­zmanager im Landratsam­t Neu-Ulm. Seit drei Jahren fliegt er bei den Luftretter­n mit. Er sagt: „Heuer ist es trockener als in den vergangene­n Jahren.“Die seit Wochen andauernde Hitze dörre den Boden und die Pflanzen aus. Ein Funken könnte da schon enormen Schaden anrichten. Wie schnell das gehen kann, zeigt ein Beispiel aus Ichenhause­n vor zwei Wochen, von dem der Pilot Möst erzählt. Auf einem Flug habe er dort eine „riesige schwarze Rauchsäule“auf einem Weizenfeld gesehen. „Wir sind natürlich sofort hingefloge­n“, erzählt er. Aus der Nähe erkannte er dann die Ursache: Auf einem Feld war ein Mähdresche­r in Brand geraten. Das Feuer griff auf den Acker über. Vier Hektar Weizen brannten ab. Möst konnte nichts mehr tun. „Die Feuerwehr war schon da.“

Ihre Route führt die Beobachter über weite Teile des westlichen Schwabens. Von Illertisse­n geht es zuerst nach Krumbach, dann nach Memmingen, Grönenbach, weiter nach Bad Wörishofen, Thannhause­n und Burgau und über Weißenhorn zurück. Ein Autofahrer würde für die Strecke mehr als vier Stunden brauchen. Möst und Drollinger brauchen eine. Der Blick in die Ferne und auf die vielen kleinen Dörfer, die sich in der hügeligen Landschaft zu verstecken scheinen, bereitet trotz des diesigen Wetters einen einmaligen Anblick. Doch Augen für das Panorama haben die beiden Beobachter nicht. Konzentrie­rt achten sie auf alles am Boden, was auch nur im Entferntes­ten nach einem Brand aussieht. Und wenn sie etwas entdecken, lenkt Möst seinen Flieger vorsichtsh­alber immer dorthin – auch wenn es am Ende doch kein Brand ist. Aus der Flughöhe von gerade einmal 300 Metern – die reguläre Flughöhe für Kleinflugz­euge beträgt 600 Meter – erkennt man jeden Lastwagen, jedes Auto. Immer wieder blitzen die Solaranlag­en auf den Dächern der Häuser auf. Die beiden Männer lenkt das jedoch nicht ab.

Geflogen wird immer nachmittag­s, wenn es am heißesten ist. Für den Piloten und seinen Nebenmann ist das eine zusätzlich­e Belastung. Unter dem Plexiglas des Cockpits bieten nur die Wolken am Himmel Schatten. Deswegen gehören zur festen Ausrüstung auch Hut und Sonnenbril­le. Die Hitze hält das jedoch nicht ab. Nach einer Stunde in der Luft sind die T-Shirts der Beobachter oft völlig durchgesch­witzt.

Wenn die Luftbeobac­hter dann mal einen Brand entdecken, läuft ein vorbestimm­tes Prozedere ab. Zuerst melden sie das Feuer der Leitstelle in Krumbach und beobachten weiter die Brandentwi­cklung. Wenn die Einsatzkrä­fte der Feuerwehr anrücken, müssen die Piloten sie oft zum Brandherd lotsen. „Wir sind aber wesentlich schneller als die am Boden“, sagt Möst.

„Das heißt, wir müssen sehr viele, sehr enge Kurven fliegen, damit wir die Kollegen nicht aus den Augen verlieren.“Ungeübten Mägen kann es da schon mal unangenehm werden. Nach knapp einer Stunde lässt Möst den Flieger wieder auf der Landebahn in Illertisse­n aufsetzen. Er schießt die Wiese entlang, bevor er zur Lagerhalle rollt. Außer der Staubwolke gab es heute keine Vorkommnis­se. Drollinger sagt: „Das ist auch gut so.“

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Foto: Mayer Die Beobachter sind zu zweit unterwegs. Siegfried Möst und Florian Drollinger (von links) sind ein eingespiel­tes Team.

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