Mittelschwaebische Nachrichten
Lebensgefühl Sommer
Achtung, es folgt gleich ein fürchterliches Fremdwort – bitte lesen Sie trotzdem weiter: Es lautet „Zönästhesie“und beschreibt im weitesten Sinne so etwas wie das eher geläufige „Lebensgefühl“. Damit lässt sich höchstens auf Mediziner-Partys protzen, beim gemeinsamen Grillabend kommt es selbst nach dem Genuss von reichlich kaltem Wasser mit Hopfenaroma eher nicht so gut an, zu sagen: „Dieser Wahnsinnssommer, echt eine tolle Zönästhesie!“Das klingt eher nach einem entzündlichen Darmleiden.
Deshalb bleiben wir beim guten alten Lebensgefühl – auch wenn das ein Wort ist, das offenkundig vielerlei Herren dient. Wer den Begriff ein wenig durch die Weiten des Internets verfolgt, stößt etwa auf einen Friseur namens „Lebensgefühl“. Normalerweise heißen die doch heute eher „Schnittstelle“, „Wellkamm“, „Salon Haarley“, „Vielhaarmonie“oder „Haarem“. Mit „Lebensgefühl“werben Fahrradhändler, ein Motivationstrainer („für das Business-Lebensgefühl“) oder Christian Lindner, dessen „Lebensgefühl Demokratie“ihn zur FDP geführt habe. Etwas überraschend nennt sich ein Styling-Ratgeber „Lebensgefühl Brille“. Die Älteren unter uns erinnern sich mit Grausen daran, als sie mit ihrem ersten Kassengestell das Klassenzimmer betreten mussten und eher das Lebensgefühl Brillenschlange verspürten. Letztlich – wir sind ja in Bayern – landet man doch wieder bei der CSU. Die preist unter der Rubrik „Lebensgefühl“unter anderem das „bayerische Wirgefühl“an, das allerdings eher wie die Übersetzung von „Mia san mia“für Preußen klingt.
Wie auch immer: Dieser Sommer verbreitet ein ganz besonderes Lebensgefühl, eines von Unbeschwertheit (sofern man nicht um seinen Ernteertrag fürchten muss) und Luftigkeit, auch wenn kurzes Männerbeinkleid in Büros nicht gerne gesehen ist. Dafür umso lieber am See und im Biergarten, die fürs Lebensgefühl Sommer eine entscheidende Rolle spielen.
Während die warme Jahreszeit mit dieser nicht nur das Herz erwärmenden Luftigkeit protzt, verbreiten Herbst und Winter vor allem außerhalb schützender Mauern nichts dergleichen. Da kann an manchen Tagen höchstens noch der Frühling mithalten. Deshalb genießen wir lieber im Schweiße unseres Angesichts dieses heiße „Lebensgefühl Sommer“.