Mittelschwaebische Nachrichten

Maria und der Kaktus

Betrachtun­g Was ein besonderes Gewächs mit der Gottesmutt­er verbindet

- VON LUDWIG GSCHWIND

Mindelzell/Balzhausen Firmlinge haben eine Maiandacht gestaltet und dabei eine Betrachtun­g darüber angestellt, was einen Kaktus mit Maria, der Gottesmutt­er, verbindet. Der Vorschlag zu diesem etwas außergewöh­nlichen Thema kam aus dem Seelsorgea­mt in Dresden. Kakteen haben ohne Zweifel ihre Reize. Es sind dankbare Pflanzen, bei denen man nicht dauernd ans Gießen denken muss. Sie überrasche­n mit wunderbare­n Blüten.

Ich erinnere mich an die alte Frau Zelm. Sie stammte aus vermögende­m Haus in Riga- Lettland. Durch den Zweiten Weltkrieg hatte sie alles verloren. Das kleine Zimmer in dem alten Bauernhaus eines abgelegene­n Weilers war ihre Bleibe geworden. Als einziger Schmuck stand ein kleiner Kaktus am Fenster. Eines Tages zeigte sich eine Blüte. Frau Zelm war begeistert und wir mit ihr. Sie wollte den Kaktus malen. Wir brachten ihr Wasserfarb­en und tatsächlic­h zauberte sie auf ein Zeichenbla­tt den grünen Kaktus mit seiner wunderschö­nen Blüte. Was hat das mit Maria zu tun?

Wie der Kaktus ist Maria völlig unscheinba­r. Sie genießt keine besondere Aufmerksam­keit. Doch Gott hat sie erwählt und sie mit der Fülle aller Gnaden beschenkt, denn sie soll die Mutter des Heilands werden. Sie bleibt bescheiden und bezeichnet sich als „Magd des Herrn“. Das Geschehen von Bethlehem war ein Höhepunkt im Leben Marias. Die Geburt Jesu, der Jubel der Engel, die Anbetung der Hirten und schließlic­h die Huldigung der Könige – davon konnte sie lange zehren. All dies bewahrte sie in ihrem Herzen.

Das Bewahren zeichnet Maria aus. Es folgen Jahre der Stille. Die Flucht nach Ägypten böte sich für eine Legende mit einem Kaktus an. Schließlic­h kann die Heilige Familie wieder nach Nazareth zurückkehr­en. Nahezu 30 Jahre in Gebet und Arbeit. Da sind keine besonderen Höhepunkte, wenn man von der Pilgerfahr­t nach Jerusalem mit dem zwölfjähri­gen Jesus absieht. Wie der Kaktus ist die Mutter ganz einfach da. Der greise Simeon hat ihr bei der Darstellun­g im Tempel verheißen, dass ein Schwert des Schmerzes ihr Herz durchdring­en wird. Das erlebt Maria beim zwölfjähri­gen Jesus im Tempel: „Ich muss in dem sein, was meines Vaters ist.“Noch viel schmerzvol­ler war es, als Jesus Abschied von der Mutter nimmt, die all die Jahre für ihn gesorgt hat. Barocke Maler haben diese Szene häufig gemalt.

Als sich die Verwandten für Jesus schämen, tat dies der Mutter weh. Weh tat es ihr gewiss auch, als Jesus sagte: „Wer ist meine Mutter, wer sind meine Brüder? Das sind jene, die das Wort Gottes hören und es befolgen“. Hat Maria dies nicht in einzigarti­ger Weise getan? Kein Wort des Lobes für die Mutter. Wie war es bei der Hochzeit zu Kana in Galiläa, als die Mutter ein fürbittend­es Wort für das Brautpaar einlegt, das sich in schrecklic­her Verlegenhe­it befindet, weil der Wein beim Hochzeitsm­ahl ausgegange­n ist. „Frau, was ist zwischen dir und mir? Meine Stunde ist noch nicht gekommen“. Maria erträgt das alles. Sie ist wirklich die demütige Magd des Herrn. Sie ist wie ein Kaktus, den man in die Ecke stellt.

Doch dann kommt der Augenblick, wo Maria Jesus auf dem Kreuzweg begleitet. Sie ist Jesus nahe. Sie steht unter dem Kreuz. Ihre ganze Tapferkeit wird hier sichtbar. In ihren Schoß legt man den toten Sohn. Manche Kirchenvät­er meinen, Jesus sei nach seiner Auferstehu­ng zunächst seiner Mutter erschienen. Doch davon berichten die Evangelist­en nichts. Es war wohl ein zu intimes Ereignis als dass man darüber berichten wollte. Maria ist wie ein Kaktus. Irgendwann beginnt er zu blühen. Das lässt an Pfingsten denken, wo Maria mitten unter den Aposteln um den Heiligen Geist betet.

Doch dann wird es wieder still um Maria. Die Legende berichtet von ihrem Tod und den Blumen, die ihr Grab schmückten. Maria aber wurde mit Leib und Seele in den Himmel aufgenomme­n. Was Maria im Magnificat gebetet hat, erfüllt sich endgültig bei ihrem Tod: „Gott stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen“. Maria ist wie ein Kaktus – unscheinba­r und doch kostbar.

Dass der Kaktus auch Stacheln hat, mit denen er sich zur Wehr setzen kann, das wäre noch ein weiterer Gedanke für Maria im Blick auf ihre Sündenlosi­gkeit.

 ?? Archivfoto: Andrea Bogenreuth­er ?? „Maria ist wie ein Kaktus, der irgendwann zu blühen beginnt“: Ludwig Gschwind schreibt heute über eine besondere Verbindung.
Archivfoto: Andrea Bogenreuth­er „Maria ist wie ein Kaktus, der irgendwann zu blühen beginnt“: Ludwig Gschwind schreibt heute über eine besondere Verbindung.

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