Mittelschwaebische Nachrichten
Sommer, Sonne, Luftmatratze – und das ganz nah
Was die Wasserwacht am Sonntag am Oberrieder Weiher erlebt und warum es gefährlich ist, allein über den Badesee zu schwimmen
Breitenthal Ein Auto folgt dem anderen, beinahe Stoßstange an Stoßstange reihen sich die Fahrzeuge. Doch nicht etwa auf der Autobahn ist dieses Szenario zu beobachten. Nein, es ist die Zufahrt zum Oberrieder Weiher, dem weit über die Landkreisgrenzen hinaus beliebten Badesee bei Breitenthal. Die Sonne brennt an diesem Sonntag wie schon seit Tagen, das Thermometer hat die 30-Grad-Marke längst überschritten. Und so suchen immer mehr Menschen Erfrischung und Freizeitvergnügen am Wasser. Vom Kleinkind bis zum Greis tummelt sich eine bunte Schar auf den Liegewiesen am Nordufer des Sees. Und alle, alle wollen in den kühlenden Weiher, auch wenn die Oberflächentemperatur des Wassers inzwischen deutlich angestiegen ist.
Aber, wo so viele Menschen baden, lauern immer auch Gefahren. Ein Kind kann sich, von den Eltern unbeobachtet, vom sicheren Ufer entfernen; ein Schwächeanfall, ein Wadenkrampf kann auch einen geübten Schwimmer niederstrecken. Dass sich die sonntäglichen Badegäste am Oberrieder Weiher trotzdem sicher und beschützt fühlen dürfen, verdanken sie der Krumbacher Wasserwacht. Die bezieht von Juni bis September jeden Sonntag Posten: Etwa in der Mitte des Nordufers in Höhe des Bootsstegs haben sie ihren Standort.
Es ist eine recht provisorische Einrichtung, die die Wasserwachtler einmal in der Woche aufbauen: Einzig die Aufschrift auf dem Einsatzfahrzeug signalisiert, dass hier keine wilden Camper ein illegales Lager aufgeschlagen haben. Am Fahrzeug befestigt ist ein halbwegs stabiles Sonnensegel, das den Männern auf ihren Stühlen nur mäßigen Schutz vor der brennenden Sonne bieten kann. Fünf Männer sitzen in strahlend weißen T-Shirts und knallroten Bermudas auf den Freizeitsesseln, die seit einigen Jahren für wenig Geld bei den Discountern zu haben sind. Es handelt sich um die „Luxusvariante“mit Armlehne und darin eingearbeiteten Getränkehaltern.
So wie sie sitzen, könnte es sich auch um eine Männerrunde handeln, um Klubfreunde, die einen Ausflug machen. Um sie herum sind jede Menge Badetücher auf dem Boden ausgebreitet. Doch irgendetwas ist anders als bei anderen Männerbünden: Es sind keine Bierflaschen zu sehen. Die Männer sitzen nicht in gemütlicher Runde. Die Mitglieder der Wasserwacht, die heute zum Einsatz an den Oberrieder Weiher gekommen sind, schauen geradeaus, Blickkontakt untereinander gibt es nicht.
Aller Augen gehen in eine Richtung, auf den See. Geplaudert wird nicht viel, und wenn, dann gedämpft. „Da schau,“sagt Stefan Guth, „schon wieder einer, der ohne Begleitung über den See schwimmt.“„Es gibt eine Regel, die sagt: Schwimme lange Strecken nie allein,“antwortet sein Kollege. Die Männer von der Krumbacher Wasserwacht sind sich einig: Das ist unvernünftig, und, wenn nichts passiert, ist das ein großes Glück. „Wenn da einem Schwimmer etwas passiert, ist es fast nicht möglich, rechtzeitig hinzukommen.“Der See hat immerhin rund 500 Meter Durchmesser. „Man kann genauso schön in Ufernähe um den ganzen See schwimmen“, meint Stefan Guth. Da können die Wasserretter schnell zur Stelle sein.
Was passiert dann? „Wir haben sogenannte Rettungsbojen, die wir uns umlegen und zum Ertrinkenden An ihr sind Griffe befestigt, an denen sich der Hilfebedürftige festhalten kann.“
Es sind allerdings nur wenige, die unvernünftig sind, von den Tausenden pro Tage vielleicht eine Handvoll. Der Rest der Badefreunde hält sich im überschaubaren, gesicherten Badebereich mit Flachwasserzone auf. Er ist durch orangefarbene Bojen von der großen, für alle Wassersportler zugänglichen Wasserfläche abgetrennt. „Außerhalb des rund 50 Meter breiten Badestreifens, der für Angler, Boote und Surfer verboten ist, dürfen sich alle frei bewegen. Da ist Vorsicht und Rücksicht erforderlich,“erklärten die Wasserwachtler.
Damit die Segler und Surfer nicht in den Badebereich eindringen und mit dem Schwert an der Unterseite ihres Sportgerätes die Badenden verletzen, sind die Bojen in rund 50 Zentimetern unter Wasser mit einem Seil verbunden. „So kann man darüber schwimmen, aber ein Schwert würde sich im Seil verhängen,“erklären sie weiter.
Inzwischen legt das Motorboot der Wasserwacht am Steg an. „Es hat schon an die 20 Jahre auf dem Buckel, aber es tut noch immer seinen Dienst,“sagen sie. Zwei Fahrten pro Einsatztag, eine Kontrollrunde über den See, dazu Fahrten zur Wasserbeprobung. Reinhard Stegmann vom Landratsamt hat die Wassertemperatur gemessen: 27 Grad an der Oberfläche in Seemitte. Darunter ist es natürlich etwas kühler. „Die Fische haben sich in die tieferen Zonen zurückgezogen. Dort können sie noch überleben. Der Oberrieder Weiher ist bis zu sechs Metern tief, die Durchschnittstiefe beträgt vier Meter,“erklärt er weiter. Ideal für Fische, problematisch für schlechte Schwimmer.
Es ist Zeit für eine Erkundungsbringen. fahrt. Manuel Schwegele und Friedrich Strähle machen sich auf zum Boot. Sie haben die oberste Stufe in der Wasserwacht-Ausbildung erreicht. Sie sind Bootsführer. „Man beginnt als Rettungsschwimmer. Dann kann man immerhin schon einen Ertrinkenden mit der Rettungsboje aus dem Wasser holen. In einer weiteren Ausbildungsstufe kann man sich zum Wasserretter qualifizieren. Der muss auch eine Sanitätsausbildung haben. Die oberste Stufe ist der Bootsführer. Die Ausbildung dauert lange. Sie ist geistig und körperlich anspruchsvoll und die Einsätze, die wir haben, sind ehrenamtlich. Deshalb müssen wir auch ständig um Mitglieder werben, wir sind eigentlich zu dünn besetzt. Früher konnten wir auch samstags am Oberrieder Weiher Dienst machen, das geht aus personellen Gründen schon lange nicht mehr,“bedauert Stefan Guth.
Inzwischen sind Schwegle und Strähle einsatzbereit. Die Schwimmwesten sind angelegt. Der Motor ist gestartet. Langsam tuckert das Wasserwacht-Boot durch die Badenden, die respektvoll Abstand halten. An der Boje muss die Absperrleine nach unten gedrückt werden, damit sich der Motor nicht darin verfängt. Im Außenbereich kann Friedrich Strähle aufdrehen. Es sind schließlich 35 Hektar Wasserfläche und knapp drei Kilometer Uferzone, die in Augenschein genommen werden müssen. „Unsere Aufgabe ist es, die Ufer zu kontrollieren. Die sind anders als die Wasserfläche vom Strand aus nicht einsehbar. Heute haben wir Glück, weil nur wenige Segler und überhaupt keine Surfer da sind.“
Auch die Ufer sind ruhig. Im Osten, wo schattige Bäume stehen, sind so gut wie keine Badegäste zu sehen, und der südliche Platz mit den Wohnmobilen wirkt wie ausgestorben. Nach der Hafenbucht, in der auch das Wasserwachtboot seinen Liegeplatz hat, wird die Szene belebter: Stand-up-Paddler versuchen mehr oder minder geschickt, auf dem schwankenden Untergrund Balance zu wahren, am Campingplatz wird gebadet. Nach dem nächsten Schwenk öffnet sich der Blick auf das lebhafte Gewusel in der Badezone: Rosa Flamingos und Einhörner schwanken im Wasser mit Palmeninseln um die Wette. Luftmatratzen, Paddelboote, Schwimmhilfen, alles, was badetauglich ist, ballt sich am Nordufer zusammen. Dazwischen: schaukelnde braune Kugeln, Wasservögeln gleich, in Massen. Erst als das Boot näher kommt, erkennt auch ein ungeübtes Auge: Das sind die Schwimmer. Trotz der Massen ist alles ruhig.
„Die Leute sind in der Regel sehr vernünftig, die Quote der Schwimmer ist hoch. Wir haben hier vor allem Sanitätseinsätze“, erklärt Stefan Guth. „Viele Schnittwunden und Insektenstiche, die mit allergischer Reaktion auch sehr gefährlich werden können. Aber wir sind ja ausgebildet und können über Funk die Rettungsleitstelle benachrichtigen.“Auch Hitzschläge werden behandelt. „Das ginge aber deutlich besser, wenn wir eine richtige Bleibe hätten. Zwar haben wir neben dem Kiosk einen kleinen Raum, aber der reicht gerade als Materiallager. Wir kampieren seit Jahrzehnten auf der Liegewiese. Bisher sind alle Versuche, einen Raum zu bauen, fehlgeschlagen. Aber wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben, schließlich leisten wir einen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit der Badenden am Oberrieder Weiher, übrigens dem einzigen See im Kreis, der überwacht wird.“