Mittelschwaebische Nachrichten
„Immer mutig, immer geradeaus“
Wolfgang Bosbach über das, was in der Zeit des drastischen Wandels durch die Digitalisierung wichtig bleibt. Was er jungen Politikern rät
Krumbach Mut zur eigenen Meinung, auch wenn sie nicht der offiziellen Parteilinie entspricht: Dafür ist der aus Bergisch Gladbach stammende Wolfgang Bosbach vielen bekannt. Am kommenden Donnerstag, 23. August ist er auf Einladung des CSU-Kreisverbandes und der CSU Krumbach zu Gast im Krumbacher Stadtsaal. Der 66-Jährige spricht ab 18 Uhr über das Thema „Deutschland in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung – worauf es jetzt ankommt!“. In unserem Interview erklärt Bosbach, warum gerade jetzt, in dieser wechselvollen Zeit, Geborgenheit und Familie wichtig sind. Und er hat einen guten Rat für junge Politiker.
Ihr Gastspiel in Krumbach – das ist der Auftritt in einem stark durch die Verankerung in Traditionen geprägten ländlichen Raum. Wie sehr wird die „Globalisierung und Digitalisierung“– das Thema Ihres Vortrags im Stadtsaal – den ländlichen Raum verändern? Wolfgang Bosbach: Die Digitalisierung wird die Welt ebenso nachhaltig verändern wie die Industrialisierung es getan hat. Allerdings noch schneller, noch intensiver. Nicht nur technologisch und ökonomisch, auch gesellschaftlich. Kleines Beispiel: Wir sind stolz, wenn wir 500 sogenannte Freunde bei Facebook haben, aber traurig, wenn uns keiner dieser 500 die Hand hält, wenn wir einmal krank oder schwach sind. Jeder von uns sollte wissen: Es gibt heute fantastische Möglichkeiten der Information und für Kommunikation, aber sie können das, was Traditionen und Heimat ausmachen, nicht ersetzen.
Welche Rolle werden Traditionen, aber auch familiäre Bindungen künftig spielen? Bosbach: Vertrautheit, Geborgenheit, Familie – all das kann ein Smartphone nicht ersetzen.
Ihr Leben ist seit Jahrzehnten durch die Politik geprägt. Wie hat sich unsere politische Kultur verändert? Bosbach: Stimmt, über zwei Drittel meines Lebens habe ich mit beziehungsweise in der Politik verbracht. Dass in dieser Zeit die politischen Debatten im Parlament rauer geworden sind, kann ich nicht feststellen. Auch früher ging es dort teilweise wild zu. Aber insgesamt ist der Umgangston härter geworden. Das trifft zwar nur auf einen relativ kleinen Teil der Wortmeldungen oder Zuschriften zu, der aber hat es in sich. Ein Grund hierfür dürfte die Anonymität im Netz sein. Wer sich unter dem Pseudonym dagobert4711 meldet, fühlt sich offenbar in Stil und Inhalt freier als derjenige, der mit vollem Namen in die Öffentlichkeit tritt und sich nicht digital maskiert.
In Ihrer politischen Laufbahn spielte das Konfliktfeld zwischen offizieller Parteilinie und persönlicher Überzeugung immer wieder eine wichtige Rolle. „Wie viel“Parteilinie muss es sein – und „wie viel“persönliche Überzeugung darf, muss es sein? Bosbach: Für mich war stets entscheidend, dass am Ende einer Wahlperiode niemand sagen konnte: „Er hat uns getäuscht, enttäuscht.“In der Politik geht es im Kern um Vertrauen. Hier ist die Übereinstimmung von Wort und Tat von überragender Bedeutung. Ich habe niemals aus Starrsinn oder auch aus Bockigkeit gegen die Mehrheit der Fraktion votiert, sondern immer nur deshalb, weil ich bei dem bleiben wollte, was die Union früher einmal als richtig vertreten hat. Und bei dem, was ich politisch nach wie vor als richtig und wichtig ansehe. Und: Ich habe stets mit offenem Visier gekämpft, nie hinterrücks und heimtückisch.
Was raten Sie jungen Politikern? Bosbach: Mein Rat an junge Kolleginnen und Kollegen wäre: Immer mutig, immer geradeaus, nie verbiegen lassen. Dann erfüllen sich zwar nicht alle Karriereträume, aber man schläft besser ...