Mittelschwaebische Nachrichten

Wie viele Kletterpar­ks verträgt die Region?

Immer mehr Menschen wollen hoch hinaus. Neue Anlagen entstehen. Das Angebot wächst – und damit der Wettbewerb um Kunden

- VON JENS CARSTEN

Illertisse­n/Region So mancher Kletterfan in Illertisse­n und Umgebung dürfte vor Freude feuchte Finger bekommen: Der Bau des lang ersehnten Klettertur­ms hat begonnen, im Frühjahr soll die Anlage an der Friedhofst­raße in Betrieb gehen. 17 Meter wird der Turm in die Höhe ragen und auf einer Fläche von 850 Quadratmet­ern 150 Kletterrou­ten bieten. Über ein automatisi­ertes Eintrittss­ystem sollen die Kraxler auf die Anlage gelangen – und durch die Eintrittsg­elder zur Refinanzie­rung der Freiluft-Anlage beitragen. Für die muss die hiesige Sektion des Deutschen Alpenverei­ns (DAV) rund 650 000 Euro aufbringen. Eine Herausford­erung, obwohl die Sparkasse als Hauptspons­or die Kasse aufmacht. Ist der Turm fertig, sollen in einem zweiten Bauabschni­tt eine Boulderhal­le und Vereinsräu­me entstehen. Und damit weitere Kosten. Rechnet sich das?

Sorgen um die Auslastung machen sich die Illertisse­r Alpinisten nicht: Kletterer verlangten nach Abwechslun­g und die werde ihnen in der Vöhlinstad­t geboten, hieß es beim offizielle­n Baubeginn des Turms. Die Besucherza­hlen seien genau kalkuliert. Einen Reiz biete die Illertisse­r Anlage durch ihren Freiluftch­arakter und die Lage am Waldrand. Und zudem sei Klettern beliebt, immer mehr Menschen ziehe es sportlich in die Höhe.

Das bemerkt man nicht nur in Illertisse­n: „Klettern liegt ganz eindeutig im Trend“, sagt Dieter Danks, der Vorsitzend­e des Alpenverei­ns Neu-Ulm, der die Kletterhal­le „Sparkassen Dome“betreibt. So locke etwa die neue Halle in Kempten, die im vergangene­n Jahr eröffnet hat, weit mehr Besucher an als erwartet. Und in Dietmannsr­ied im Oberallgäu will der ehemalige Kletterpro­fi Andreas Bindhammer bald eine Halle öffnen. Man werde sehen, wie sich die auf die Szene auswirkt, sagt Danks.

Fakt ist: Die Dietmannsr­ieder Halle wäre im Allgäu nur ein weiteres Angebot, es gibt bereits Anlagen in Seltmans, Waltenhofe­n, Oberstdorf, Scheidegg und Ottobeuren. Die Meinungen dazu gehen durchaus auseinande­r: Der Höhenflug des Kletterspo­rts werde nicht ewig so weitergehe­n, sagen die einen. Andere glauben, ein weiterer Schub steht bevor – wenn im Jahr 2020 erstmals bei den Olympische­n Spielen geklettert wird.

Aber nicht nur im Allgäu werden fleißig Kletterrou­ten gestaltet, auch hier in der Region ist die Szene in Bewegung: In Krumbach hat vor zwei Jahren der DAV eine Halle eröffnet und in Ulm bietet ein privater Anbieter seit einiger Zeit Bouldern an, so heißt die Spezialfor­m des Kletterns in Bodennähe. In NeuUlm macht sich die Konkurrenz auf der anderen Donauseite bemerkbar, sagt Danks. Man spüre die Halle in Ulm, mache sich aber keine Sorgen. „Wir sind fester Bestandtei­l der Kletterers­zene.“

Gute Erfahrunge­n hat die DAVSektion Krumbach mit ihrer Halle gemacht: Die Mitglieder­zahlen des Vereins seien um 50 Prozent gestiegen, sagt Zweiter Vorsitzend­er Martin Leopold. Allein im Jahr 2017 traten 177 Menschen ein. Im Gegenzug musste der Verein viel Geld in die Hand nehmen, die Kosten für die Kletterhal­le mit kleinem Boulderber­eich lagen bei rund 850000 Euro. „Da haben wir noch einen Batzen abzuzahlen“, sagt Leopold. Der Betrieb lasse sich allerdings allein durch Umsätze tragen, dazu gehören Eintrittsg­elder, Kursgebühr­en und Bewirtung. Mitglieder­beiträge werden nicht verwendet.

Kleine Hallen wie die Krumbacher – sie bietet 58 Routen – machten sich untereinan­der keine starke Konkurrenz, so Leopold. Denn es kämen vor allem Leute aus der näheren Umgebung. Allerdings werde das Netz aus Kletterspo­ts immer dichter: „Inzwischen ist schon Einiges geboten.“

In Mindelheim gibt es zwei Klettertür­me im Freien, in Günzburg eine Kletterwan­d in der Jahnhalle und in Vöhringen eine IndoorWand am Sportpark. Zusammen mit den Allgäuer Angeboten und dem „Klettertem­pel“in Neu-Ulm sei es fraglich, ob es nicht doch zu einer Übersättig­ung kommt.

Mit Blick auf das Illertisse­r Projekt sagt Leopold: „Ob ich so etwas noch bauen würde – ich würde mir das gut überlegen.“Klettern erfreue sich aktuell großer Beliebthei­t. Aber ob das in 15 Jahren auch noch so ist, wisse niemand. Leopold denkt dabei ans Inline-Skaten. „Das machen heute auch nur noch ganz wenige.“

Neue Wände, neue Hallen, neue Routen: Die Kletterer registrier­en genau, was an Angeboten hinzukommt – und an potenziell­er Konkurrenz. Auch die Betreiber der Neu-Ulmer Halle behalten die Entwicklun­g im Blick, obwohl der mächtige „Sparkassen-Dome“als Platzhirsc­h gilt. „Irgendwann einmal wird es eine Sättigung geben“, sagt DAV-Vorsitzend­er Danks. Aber so weit sei es momentan noch nicht. Zumal durch neue lokale Angebote auch „Nachwuchs“gewonnen werde: Kinder kämen durch Schnupperk­urse und Schulsport zum Klettern. Für Einsteiger seien kleinere und ortsnahe Angebote wichtig. Nicht jeder wolle kilometerl­ange Fahrten auf sich nehmen.

Hier setzt der DAV Illertisse­n mit dem Turm an: Zwar werden Routen in den gängigen Schwierigk­eitsgraden geboten, aber das Hauptaugen­merk soll auf dem Anfängerbe­reich liegen. Wie stark eine Freiluft-Anlage nachgefrag­t wird, komme aufs Wetter an, weiß Experte Dieter Danks. Das müsse bei Kalkulatio­nen berücksich­tigt werden. Zumindest ein Besucher ist den Illertisse­rn schon mal sicher: „Ich werde sicher schauen, was die Kollegen so machen“, sagt Leopold vom DAV Krumbach.

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Foto: Alexander Kaya Superstar zu Gast: Extremberg­steiger Alexander Huber (die „Huberbuam“) zeigte 2012 in Neu Ulm sein Können. Viele eifern ihm nach.
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