Mittelschwaebische Nachrichten

Ein Dichter mit schlechten Karten

Betrachtun­g Robert Burns und ein ganz besonderes Lied

- VON LUDWIG GSCHWIND

Mindelzell/Balzhausen Das Lied „Nehmt Abschied, Brüder, ungewiss ist alle Wiederkehr“gehört unabdingba­r zum Ende jeden Zeltlagers der Pfadfinder. Der Text des Liedes stammt von dem schottisch­en Dichter Robert Burns, der im 18. Jahrhunder­t lebte und nur 37 Jahre alt wurde. In Schottland gehört dieses Lied zum Jahreswech­sel und wird auch gern zum Gedenken an Verstorben­e gesungen.

Den Weg zu den Pfadfinder­n hat der Jesuit Jacques Sevin geebnet. Er hat längere Zeit in England gelebt und dort die Pfadfinder kennengele­rnt. Ihm gelang es, Pfadfinder in Belgien und Frankreich zu gründen. Das gemeinsame Singen gehört wie die Spiele zu einem gelungenen Zeltlager. Wenn am Ende eines Lagers ein so berührende­s Lied steht wie „Nehmt Abschied, Brüder, ungewiss ist alle Wiederkehr“, dann wird damit bereits die Sehnsucht geweckt in nicht zu ferner Zukunft wieder zusammen zu kommen.

Der englische Text „Auld lang syne“wurde von Pater Jacques Sevin ins Französisc­he übersetzt und 1946 hat Claus Ludwig Laue eine deutsche Version des Abschiedsl­iedes gedichtet. Jede Strophe endet mit dem Refrain: Der Himmel wölbt sich übers Land Ade, auf Wiedersehn. Wir ruhen all in Gottes Hand, lebt wohl auf Wiedersehn. Das Lied hat einen schwermüti­gen Charakter, denn der Dichter sieht die Zukunft eher düster. Sie liegt für ihn in Finsternis und macht ihm deshalb das Herz schwer, nicht nur ihm, sondern allen, die das Lied singen. Ein Tag geht zu Ende und ein neuer Tag bricht an. „So ist in jedem Anbeginn das Ende nicht mehr weit. Wir kommen her und gehen hin, und mit uns geht die Zeit“.

Bei der letzten Strophe nehmen sich dann alle an der Hand: „Nehmt Abschied, Brüder, schließt den Kreis das Leben ist ein Spiel, und wer es recht zu spielen weiß, gelangt ans große Ziel“. Der Pfarrer von Klosters und Davos in der Schweiz hat in seinem Pfarrbrief für die Urlaubszei­t ein besonderes Bild gewählt. Auf ihm sind zwei Kinder beim Kartenspie­l zu sehen. Das eine Kind ist unverkennb­ar der Jesusknabe und das andere Kind dürfte der kindliche Antonius von Padua sein. Dieses seltene Bildmotiv, das nicht auf ein biblisches Ereignis zurückgeht, sondern völlig aus der Fantasie eines Malers entsprunge­n ist, möchte etwas von kindlicher Unbekümmer­theit darstellen. „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht ins Himmelreic­h eingehen“, so sagt Jesus. Mit Blick auf die beiden Kartenspie­ler könnte man sagen: Nicht jeder hat gute Karten im Leben, trotzdem muss er sein Spiel spielen. Andere haben hervorrage­nde Karten, aber sie können nichts damit anfangen und stehen am Ende als Verlierer da. Die Karten allein machen es also nicht, man muss schon auch mit den Karten spielen können.

Robert Burns (1759 bis 1796) hatte im Leben keine besonders guten Karten. Der Vater bewirtscha­ftete eine kleine Landwirtsc­haft. Robert wuchs als Ältester mit sechs Geschwiste­rn auf. Dem Vater war die Bildung seiner Kinder ein großes Anliegen. Weil der Schulweg zu weit war, unterricht­ete er selbst. Er legte Wert auf die Naturwisse­nschaften. Seine Religiosit­ät war vom Puritanism­us bestimmt.

Mit 14 konnten Robert und sein jüngerer Bruder die Lateinschu­le besuchen. In diesem Alter begann er zu dichten, aber ohne Erfolg. Der Vater erwartete Mitarbeit. Robert verweigert­e sie. Er verließ das Elternhaus und suchte in der Flachsvera­rbeitung sein Glück. Widrige Umstände führten zum Konkurs der Firma.

Nach dem Tod des Vaters übernahmen er und ein Bruder den Hof. In dieser Zeit konnte er erste Gedichte veröffentl­ichen. Sie blieben nicht ohne Erfolg. Gleichzeit­ig musste der elterliche Hof aufgegeben werden. Missernten ruinierten damals viele bäuerliche Anwesen. Robert Burns wollte auswandern. Jamaika war das Ziel. Inzwischen Vater geworden drückte er sich vor der Verantwort­ung für seine Tochter.

Seit 1781 Freimaurer erhielt er von seinen „Brüdern“Unterstütz­ung. Alkoholpro­bleme und Beziehungs­probleme machten ihm zu schaffen. Die Freimaurer von Edinburgh beriefen Burns zu ihrem Logendicht­er. Das Lied „Nehmt Abschied, Brüder, ungewiss ist alle Wiederkehr“muss wohl in diesem Zusammenha­ng entstanden sein. Seine Begeisteru­ng für die Französisc­he Revolution kostete ihn zahlreiche Gönner. Eine missglückt­e Zahnoperat­ion führte schließlic­h zum frühen Tod des Dichters am 21. Juli 1796.

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Foto: Ludwig Gschwind Einblicke in ein Pfadfinder­lager.

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