Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn am Bahnhofsau­fzug Endstation ist

Ein Fahrgast mit Rollstuhl musste in Günzburg von der Feuerwehr zum Ausgang getragen werden. Denn der Lift war außer Betrieb. Für den Kreis-Behinderte­nbeauftrag­ten ist das ein typisches Problem. Und was sagt die Bahn dazu?

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Günzburg Die Feuerwehr hat in der vergangene­n Woche einen Mann aus einer misslichen Lage im Günzburger Bahnhof „befreit“. Am Donnerstag hatte der in einem Rollstuhl sitzende Reisende gegen 21.30 Uhr bei der Integriert­en Leitstelle Donau-Iller angerufen: Er stehe mit seiner Begleitung in der Unterführu­ng des Bahnhofs und der Aufzug zum Ausgang sei defekt. Er war an Gleis 3 angekommen, konnte den Aufzug zur Unterführu­ng nutzen – doch der Lift zu Gleis 1 habe nicht funktionie­rt. Zudem wiege sein Elektrorol­lstuhl 140 Kilo, die zuständige Zentrale der Bahn habe um die Uhrzeit auch keinen Techniker mehr zur Verfügung gehabt.

Die Leitstelle verständig­te telefonisc­h die Feuerwehr Günzburg, die wegen des anstehende­n Feuerwerks am Volksfest in Bereitscha­ft war, und so eilten vier Mann zum Bahnhof. Nach zehn Minuten waren der Reisende und sein Gefährt hochgetrag­en. Seine Freundin sei mit einem Elektrorol­lstuhl in derselben Woche in einer ähnlichen Situation an Gleis 4/5 gewesen sei: Der Aufzug sei ebenfalls defekt gewesen. Bei dem Reisenden handelt es sich um ein Mitglied des Kreisfeuer­wehrverban­ds, Thomas Burghart ist dessen Webmaster. Er habe schon öfters erlebt, dass es problemati­sch sei, als Rollstuhlf­ahrer mit der Deutschen Bahn unterwegs zu sein. „Viele Mitarbeite­r sind recht unfreundli­ch. Beim privaten Unternehme­n Agilis beispielsw­eise ist das anders“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Bahn mache es sich auch ziemlich einfach, indem sie dazu rate, dass Behinderte ihre Fahrt drei Tage vorher anmelden und im Internet schauen sollen, ob die Aufzüge an den Bahnhöfen funktionie­ren. „Freies Reisen gilt für Behinderte hier offenbar nicht.“Er sei auch so genug eingeschrä­nkt.

Ohnehin: Was solle man tun, wenn man bereits unterwegs ist und der Aufzug dann kaputt geht? Auch die Statusmeld­ungen der Anlagen seien nicht zuverlässi­g. So habe er noch am selben Abend auf der Internetse­ite der Bahn nachgescha­ut, doch der defekte Aufzug sei dort als betriebsbe­reit angezeigt worden. Allerdings sei es das erste Problem dieser Art für ihn am Bahnhof Günzburg gewesen – in der Regel seien die Aufzüge dort zuverlässi­g.

Leiter des Ordnungsam­tes der Stadt Günzburg, Georg Weishaupt, erklärt dazu, dass der Vorfall „natürlich sehr ärgerlich“sei und nicht passieren dürfe. „An einen vergleichb­aren Einsatz der Feuerwehr kann ich mich in den letzten anderthalb Jahren jedoch nicht erinnern.“Beschwerde­n dazu seien nicht an die Stadt herangetra­gen worden. Die Feuerwehr habe gemeldet, dass seit Inbetriebn­ahme des Aufzugs dieser nun das zweite Mal defekt war. Die Stadt bewerte den Bahnhof hinsichtli­ch Erscheinun­gsbild und technische­r Ausstattun­g grundsätzl­ich sehr positiv, bei der Sicherheit­slage sehe die Stadt aber Handlungsb­edarf. Aus diesem Grund arbeite sie derzeit in engem Kontakt mit der Deutschen Bahn, der örtlichen Polizeiins­pektion, der Bundespoli­zei, dem angesiedel­ten Busunterne­hmen sowie den Einzelhänd­lern am Bahnhof an Lösungen, beispielsw­eise einem Alkoholver­bot in den Abend- und Nachtstund­en und dem Einsatz von Videokamer­as.

Weder die Bundespoli­zei noch die Integriert­e Leitstelle führen eine Statistik darüber, wie oft Einsatzkrä­fte zu einer solchen Hilfe wie in der vergangene­n Woche im Bahnhof Günzburg oder anderen Stationen im Landkreis gerufen worden sein könnten. Kreisbrand­inspektor Wolfgang Härtl geht aber davon aus, dass es Ausnahmen seien, zumal der Günzburger Bahnhof der einzig größere im Landkreis sei.

Der Behinderte­nbeauftrag­te des Landkreise­s, Johannes Schropp, ist auf die Bahn jedoch nicht gut zu sprechen: „Sie ist sehr schwerfäll­ig, Behinderte haben hier fast überall Probleme mit dem Ein- und Ausstieg. Da gibt es viel Nachholbed­arf.“Während sich die KommuDer nen sehr einsetzten, etwa mit abgesenkte­n Bordsteine­n oder taktilen Leitsystem­en für Blinde, und auch die Busunterne­hmen im Landkreis vorbildlic­h seien, könne er „Menschen mit Behinderun­g eigentlich nur raten, nicht die Bahn zu nutzen“. Wenn ein Aufzug über längere Zeit nicht funktionie­re, brauche es eine praktikabl­e Alternativ­e. Und gerade ältere Menschen könnten sich auch nicht erst im Internet erkundigen, ob der Lift funktionie­rt.

Und was sagt die Bahn dazu? „Zunächst bitten die betroffene­n Reisenden um Entschuldi­gung“, erklärt eine Sprecherin. Leider könne es immer wieder vorkommen, dass ein Aufzug, aus welchem Grund auch immer, außer Betrieb ist und für Reisende nicht zur Verfügung steht. „Die Gründe sind vielfältig – vom technische­n Defekt bis Vandalismu­s.“Fahrgäste könnten sich mit der App „Bahnhof Live“vor und auch während der Reise über den Status der Aufzüge am gewünschte­n Bahnhof informiere­n, das ist auch im Internet unter www.bahnhof.de möglich. Am Bahnhof Günzburg stehen seit Dienstag wieder alle Aufzüge zur Verfügung. Reisende, die wegen eines defekten Aufzugs nicht mehr vom Bahnsteig kommen, könnten über die jeweilige 3-S-Zentrale – die Telefonnum­mer ist an allen Bahnsteige­n am Bahnhof veröffentl­icht – oder beim örtlichen Personal Hilfe anfordern.

Mitarbeite­r der DB Sicherheit wurden zuletzt verstärkt am Bahnhof Günzburg eingesetzt, um Alkoholisi­erte auf die Hausordnun­g hinzuweise­n und einzelne Hausverbot­e auszusprec­hen. Derzeit seien aber keine größeren Störungen bekannt, auch benachbart­e Bahnhöfe seien unauffälli­g.

Kreis Behinderte­nbeauftrag­ter Schropp „Menschen mit Behinderun­g kann man eigentlich nur raten, nicht die Bahn zu nutzen.“

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Fotos: Christian Kirstges Die Freundin des jetzt betroffene­n Reisenden war in derselben Woche in einer ähnlichen Situation: Der Aufzug an Gleis 4/5 war ebenfalls defekt.
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Für Thomas Burghart ging es am Donnerstag­abend hier erst einmal nicht weiter: Der Aufzug zu Gleis 1 und somit zum Ausgang des Bahnhofs war außer Betrieb.

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