Mittelschwaebische Nachrichten

Erinnerte sich das Opfer nicht an Absprachen?

Eine Frau wurde verurteilt, weil sie eine Seniorin um 35000 Euro erleichter­t haben soll. Jetzt gab es einen Freispruch

- VON ALEXANDER SING

Memmingen Da hat sich die Berufung gegen ein Gerichtsur­teil doch mal gelohnt: Eine im Januar am Amtsgerich­t Günzburg zu einer Bewährungs­strafe verurteilt­e Frau ist in zweiter Instanz vom Landgerich­t Memmingen freigespro­chen worden. Die 59-Jährige war wegen Untreue zu einer Freiheitss­trafe von einem Jahr und fünf Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Sie hatte das Girokonto einer Seniorin um fast 35000 Euro erleichter­t. Zuvor hatte die 83-Jährige die Verurteilt­e als Alleinerbi­n eingesetzt und ihr eine Verfügungs­vollmacht über das Konto ausgestell­t. Damit wollte die betagte Burgauerin sich dafür bedanken, dass die 59-Jährige sie nach einem Krankenhau­saufenthal­t unterstütz­t hatte.

Dass sich diese insgesamt 33 Mal größere und kleinere Beträge abbuchte, angeblich um die Erbschafts­steuer zu umgehen, das wollte die Seniorin nicht erlaubt haben. Richter Walter Henle hatte in seiner Urteilsbeg­ründung der Frau noch vorgeworfe­n: „Ihr Verstand hat ausgesetzt und die Habgier eingesetzt.“

Das sah das Berufungsg­ericht in Memmingen offenbar anders. Bereits im Juni hob es das Urteil des Amtsgerich­ts Günzburg auf. In der Verhandlun­g am Landgerich­t wurde der Sachverhal­t mit weiteren Zeugen umfassend untersucht. Neben der betroffene­n Seniorin kamen erstmals deren Ärztin, ein Sachverstä­ndiger und die zuständige Richterin des für die Seniorin angeordnet­en Betreuungs­verfahrens sowie eine Kundenbetr­euerin der Bank zu Wort.

Die vernommene­n Mediziner hatten bei der alten Frau eine beginnende Demenz und hierfür typische depressive Episoden festgestel­lt. An die Absprachen mit der Angeklagte­n habe sie sich daher also womöglich nicht erinnern können, argumentie­rte deren Verteidige­rin Sabine Bieber.

Das Gericht sprach die 59-Jährige daher von allen Vorwürfen frei. Es sei nicht auszuschli­eßen, dass die vermeintli­ch Geschädigt­e der Angeklagte­n tatsächlic­h gestattet hat, in sehr großem Umfang über ihr Konto zu verfügen. Auch die Umgehung der Erbschafts­steuer könne als Motiv nicht ausgeschlo­ssen werden. Das abgebuchte Geld hatte die 59-Jährige bereits vor Beginn der Ermittlung­en gegen sie zurückgeza­hlt.

Landgerich­t ist von Schuld der Frau nicht überzeugt

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