Mittelschwaebische Nachrichten

„Deutschlan­d ist kein Staat“

Mann erkennt Bundesrepu­blik nicht an und will keine Steuern zahlen. Gleichzeit­ig droht er Behörde und Kommune mit Klage

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Memmingen „Ich möchte mich im Vorfeld entschuldi­gen“, sagt der Angeklagte mit fester Stimme. Soeben hat der Staatsanwa­lt die Anklagesch­rift am Amtsgerich­t vorgelesen: versuchte Erpressung in zwei Fällen.

Laut Anklage hat der 49-Jährige Steuern nicht bezahlt – 17 000 Euro beim Finanzamt Memmingen und 700 Euro Gewerbeste­uer bei der Stadt Mindelheim. Anstatt seine Schulden zu begleichen, drohte er den Sachbearbe­itern und dem Bürgermeis­ter schriftlic­h mit einer Klage vor dem Internatio­nalen Gerichtsho­f in Den Haag. Zudem forderte er Schadenser­satz. Als Grund gab er an: Er erkennt den Staat nicht an. Dessen Forderunge­n seien demnach nichtig.

Im Prozess steht die Frage nach der Gesinnung des Angeklagte­n im Vordergrun­d. Der Staatsanwa­lt zählt ihn zu den sogenannte­n Reichsbürg­ern. Denn in Briefen aus dem Jahr 2016 an die Geschädigt­en argumentie­rt er ähnlich: Deutschlan­d als Staat gebe es nicht, die Bundesrepu­blik sei eine Firma. Folglich habe das Finanzamt seit 1990 Geld ohne Rechtsgrun­dlage verlangt. Deshalb fordere er die Rückzahlun­g seines Geldes sowie die Löschung seiner Steuernumm­er.

„Wie kam es zu dem Schreiben?“, fragt die Richterin. „Internet macht es möglich“, sagt der Angeklagte, senkt seine Stimme und schiebt nach: „Man rutscht so in die Kreise hinein.“Seine Selbststän­digkeit ging 2015 in die Brüche. Deshalb habe er die ausstehend­e Steuer nicht beglichen. „Ich habe erklärt, dass ich nicht zahlen kann“, betont er. Dennoch seien von allen Seiten Forderunge­n auf ihn eingeprass­elt. Er habe nicht mehr gewusst, wo ihm der Kopf steht. „Und keiner hat geholfen. Niemand.“

Die Richterin hakt ein: „Solche Schreiben sind nicht förderlich“, betont sie. „Das ist richtig“, stimmt der Angeklagte nickend zu. Der Mann hat vier Kinder. Drei leben bei seiner von ihm geschieden­en Frau. Das Jüngste bei ihm und seiner jetzigen Ehefrau. Er sei der Alleinverd­iener, zahle Unterhalt, habe private Schulden. Als die Mahnungen für die Steuer von 2014 kamen, habe er sich nicht anders zu helfen gewusst. „Sie haben schon öfter solche Sachen gemacht“, sagt die Richterin. Er ist vorbestraf­t – wegen Delikten, die sie ebenfalls dem Umfeld der Reichsbürg­er zuordnet: gefälschte Ausweise, falsche Verdächtig­ung und Beleidigun­g. Vor Gericht betont der Angeklagte: „Mit denen hab ich nichts mehr zu tun.“

Eingereich­t hat er seine angedrohte­n Klagen nicht. Vielmehr wollte er sich dadurch aus seiner finanziell­en Misere befreien. „Seit wann schreiben Sie solche Schreiben nicht mehr?“, fragt der Staatsanwa­lt. Der Angeklagte zuckt mit den Schultern, überlegt und schätzt: „Seit einem Jahr.“

Seit zwei Monaten bezahlt er monatliche Raten, um seine Schulden zu begleichen. „Und Sie haben nicht auf Parolen beharrt, waren einsichtig“, begründet die Richterin das Urteil. Der Angeklagte erhält eine Freiheitss­trafe von sechs Monaten auf Bewährung und 800 Euro Geldstrafe. „Wenn es ein Problem gibt, melden sie sich“, rät die Richterin: „Sonst heißt es Gefängnis.“

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