Mittelschwaebische Nachrichten
Das Englische Institut: Mädchenschule, Lazarett, Kinderlager ...
Augsburger Klosterfrauen gründeten vor über 100 Jahren eine Haustochter-Schule. Das Ende kam 1968
Krumbach 1902 – ein Jahr mit vielfältigen und bedeutungsvollen Ereignissen in Krumbachs Geschichte: An erster Stelle steht wohl die Vereinigung der Nachbarorte Krumbach und Hürben, die durch Ratsbeschlüsse im April vollzogen und im Oktober durch eine festliche Hochzeitsfeier besiegelt wurde. Bemerkenswert aber auch der Bau des Schulhauses nahe der Michaelskirche, die Einrichtung eines Ferienheims für jüdische Kinder in der Brunnenstraße, der Auftakt für die Planung der evangelischen Kirche in der Jochnerstraße und die Übernahme des städtischen Krankenhauses östlich des Westfriedhofs (heute Parkplatz) durch den Orden der „Barmherzigen Schwestern“. Eines kommt noch hinzu: Das Augsburger Mutterhaus der Englischen Fräulein kaufte das Gebäude des ehemaligen irvingianischen (damals eine katholisch-apostolische Bewegung) Töchterinstituts in der Mindelheimer Straße. Im Sprachgebrauch wird daraus das Englische Institut, das über 60 Jahre lang eine bedeutende Schule für Krumbach blieb, bevor der Orden im Juli 1968 – also vor genau 50 Jahren – wegen Schwesternmangel die Einrichtung wieder aufgab.
Stadtpfarrer Burkhard, Posthalter Einsle und Baumeister Kling waren sich 1902 mit der Augsburger Ordensoberin nach kurzen Verhandlungen einig und erreichten ein alle zufriedenstellendes Ergebnis, berichtet der Chronist im damaligen Krumbacher Boten. Die Klosterfrauen kauften für 50000 Mark das in die Jahre gekommene Haus samt dem umliegenden Garten, renovierten es und eröffneten am 16. September 1902 die neue Schule. Fünf Schwestern unterrichteten 15 Schülerinnen in den beiden oberen Klassen und zwölf in den unteren in Handarbeit, Musik und Malen. Die ersten „Zöglinge“, die im Internat Aufnahme fanden, trafen gleichfalls ein und wurden von „drei Hausgeistern“betreut.
Lassen wir den Chronisten erzählen: Zur Vereinigungsfeier Krumbach-Hürben war auch „Seine Exzellenz Herr Regierungspräsident Ritter von Bermann“gekommen und besuchte die neue Schuleinrichtung, die auf ihn einen „sehr zufriedenen Eindruck“machte und so verließ er das Haus „huldvoll und mit warmen Glückwünschen“. Mitgeholfen am weiteren Aufbau hat ebenso die Stadt, die im Osten einen ehemaligen Holzplatz kaufte, was eine erhebliche Erweiterung des Institutsgartens zur Folge hatte, aber auch einen „aufgestöberten Dachs zur Räumung seines Bereichs“veranlasste. Wie ging es weiter? „Das Schul- und Internatsleben lief wie ein farbfroher, lebendiger Film von ehrlich-fleißigem Mühen und Streben und festlich-frohen Feiern“ab. Es beinhaltete außerdem Ausstellungen von Schülerarbeiten und „ergötzliche Elternabende mit musikalischen Vorträgen sowie deutschen, englischen und französischen Deklamationen mit Belobigung durch den Schulinspektor“.
Mit jedem Jahr drängten mehr Schülerinnen in die zuerst dreiklassige und später sechsklassige Mädchen-Mittelschule oder Haustöchter-Schule und so erfolgte im Mai 1907 die Grundsteinlegung für ein neues Schulgebäude. Erhebliche Sorgen brachte der Erste Weltkrieg, denn bereits 1914 sollte das Institut zu einem Lazarett eingerichtet werden, was dann zwar nicht weiter verfolgt wurde. Dafür hatten Schwestern und Schülerinnen den Auftrag zum Stricken von Soldatensocken und zum Nähen von Operationshemden. Trotz Kriegsnot und Lebensmittelmangel ging der Schulbetrieb in den Hungerjahren 1916, 1917 und 1918 und ebenso in den folgenden Inflationsjahren weiter. Es fehlte jedoch an allem. So wird die Spende einer Schwester von drei Sack Getreide zur „kostbaren Gabe als Brot für die Kinder“.
Das 25-jährige Bestehen der Schule wurde 1927 „nach besten Kräften“wenn auch ohne jeglichen Luxus gefeiert. Die missliche wirtschaftliche Gesamtsituation ging an dieser Schule nicht spurlos vorüber. Ein Jahr später kam die Erweiterung einer Haushaltungsschule hinzu und schließlich im Januar 1938 der Befehl, dass Schule und Internat an Ostern schließen müssen, was die Stadt in letzter Minute verhindern konnte. Im September 1939 ist es dann doch so weit: Ohne Anmeldung werden vor dem Gebäude 30 Männer abgeladen und noch am gleichen Tag folgen weitere 24, die rund zehn Tage in dem Gebäude einquartiert und zu versorgen waren. Ihnen folgten Soldaten und „Rückwanderer“, die durch die Schwestern eine liebevolle Behandlung erfuhren. Diese Nutzung fand im Herbst 1941 ihr Ende: Die Stadt übernahm den Schulbetrieb; die Schwestern hatten nur noch „den wirtschaftlichen Teil zu erledigen.“
Das Gebäude war in den Jahren danach Kinderlager für Ferienaufenthalte. Die Schwestern wohnten zwar gleichfalls dort und arbeiteten im Büro Krumbacher Behörden und Unternehmen. Schließlich mussten sie ab 1943 die Umwandlung des Hauses in ein Kriegslazarett hinnehmen. Es waren 67 Soldaten, die „direkt von der Front, müde, verschmutzt und ausgehungert“kamen und sich nach einem erfrischenden Bad, in sauberen Hemden und einem guten Mittagessen wieder „prima“fanden. Das Lager wurde rasch aufgefüllt auf 101 Insassen, das Reservelazarett Krumbad stellte deshalb größere Kochtöpfe zur Verfügung, die Küchenerweiterung folgte und die Soldaten fühlten sich „geborgen in der Güte selbstloser Frauen“. Bis zum Mai 1945 waren es 1902 Patienten.
Mit großer Sorge beobachteten die Klosterfrauen das weitere Kriegsgeschehen, besonders die Nacht vom 25. auf 26. Februar 1944, als die Stadt Augsburg durch Fliegerbomben in Schutt und Asche fiel und ebenso das zentrumsnahe Mutterhaus. Mitte Juni 1945 kam der Befehl zur Aufhebung des Lazaretts im Institutsgebäude. Die amerikanische Militärregierung gestattete drei Monate später die Errichtung einer dreiklassigen Mädchenmittelschule, die dann im Dezember feierlich eröffnet wurde. Allerdings fehlten die Lehrkräfte, denn dem Kloster war während des Krieges die Aufnahme von jungen Novizinnen verboten worden. Dazu kam die weltliche „Konkurrenz“. Krumbach erhielt 1952 eine Mittelschule für Knaben, die später zur Staatlichen Realschule für Knaben und Mädchen erweitert wurde.
Obwohl es unter Schulleiter Ulrich Haaf eine gute Kooperation zwischen beiden Unterrichtsstätten gab, fiel es den Englischen Fräulein immer schwerer, die notwendige weibliche Schülerzahl zu erhalten und außerdem fehlte es an Lehrpersonal. Ein weiteres Mal sahen die Schwestern ihr Werk in Krumbach gefährdet. Im Schuljahr 1965 übernahm die Staatliche Realschule dann die neu eingetretenen Mädchen als M 7. Die sich abzeichnende Devise war: Die einen bauen auf und die anderen ab. Mit Ablauf des Schuljahres 1967/68 war das Ende vollzogen. Die Schwestern standen bis zum letzten Schultag zur Verfügung und kehrten danach in ihr Augsburger Mutterhaus zurück. Der Chronist schreibt: „Und mochte es auch nach innen bluten – auch Ordensfrauen sind Menschen mit fühlenden Herzen.“Das Institutsgebäude wurde von der Stadt gekauft, umgebaut und diente bis 1978 der Realschule als Zweigstelle, bevor es Domizil der Berufsfachschule für Musik wurde und erst vor Kurzem in die Obhut der Gemeinnützigen Schulträger GmbH mit Sitz in Marktoberdorf überging.