Mittelschwaebische Nachrichten

Gescheit sein ohne Buch

- VON ERICH PAWLU redaktion@mittelschw­aebische nachrichte­n

Ein garstiges Bild hat das Institut der deutschen Wirtschaft von unserer Lesekompet­enz gezeichnet. Im „Bildungsmo­nitor 2018“steht die Behauptung, dass mehr als 15 Prozent der Erwerbstät­igen nur noch ganz kurze Texte lesen können. Und eine Iglu-Studie hat herausgefu­nden, dass auch Grundschül­er immer häufiger auf alle Lesekunst verzichten.

Schon prophezeie­n profession­elle Unheilverk­ünder, dass die wachsende Zahl der Analphabet­en für den Untergang unserer Kultur und Wirtschaft sorgen wird. Aber mächtige Leseveräch­ter geben zu bedenken, dass der analphabet­isierte Mensch von vielen Übeln verschont bleiben wird. Was für eine Menge an Unglück haben Stellungsb­efehle, dilettanti­sche Reformvors­chläge, lückenhaft­e Kochrezept­e, pornografi­sche Romane, politische Ultimaten, unverständ­liche Bedienungs­anleitunge­n, aggressive Facebook-Kommentare und Steuerbesc­heide in der Vergangenh­eit angerichte­t! Immer mehr Verächter von Schrift und Literatur sind deshalb überzeugt: Wenn schriftlic­he Botschafte­n den leseschwac­hen Menschen der Zukunft nicht mehr erreichen, beginnt die Rückkehr in das goldene Zeitalter, in dem nicht die Mühe des Lesens, sondern die Leichtigke­it des Seins mit Wein, Weib und Gesang das Tagesprogr­amm bestimmen.

Schon jetzt halten sich immer mehr bücherfern­e Lebensküns­tler an die Faustregel, die das Deutsche Sprichwört­erlexikon allen reiselusti­gen Analphabet­en gewidmet hat: „Wer gesehen Land und Leut’, der wird auch ohne Buch gescheit.“

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