Mittelschwaebische Nachrichten
Gescheit sein ohne Buch
Ein garstiges Bild hat das Institut der deutschen Wirtschaft von unserer Lesekompetenz gezeichnet. Im „Bildungsmonitor 2018“steht die Behauptung, dass mehr als 15 Prozent der Erwerbstätigen nur noch ganz kurze Texte lesen können. Und eine Iglu-Studie hat herausgefunden, dass auch Grundschüler immer häufiger auf alle Lesekunst verzichten.
Schon prophezeien professionelle Unheilverkünder, dass die wachsende Zahl der Analphabeten für den Untergang unserer Kultur und Wirtschaft sorgen wird. Aber mächtige Leseverächter geben zu bedenken, dass der analphabetisierte Mensch von vielen Übeln verschont bleiben wird. Was für eine Menge an Unglück haben Stellungsbefehle, dilettantische Reformvorschläge, lückenhafte Kochrezepte, pornografische Romane, politische Ultimaten, unverständliche Bedienungsanleitungen, aggressive Facebook-Kommentare und Steuerbescheide in der Vergangenheit angerichtet! Immer mehr Verächter von Schrift und Literatur sind deshalb überzeugt: Wenn schriftliche Botschaften den leseschwachen Menschen der Zukunft nicht mehr erreichen, beginnt die Rückkehr in das goldene Zeitalter, in dem nicht die Mühe des Lesens, sondern die Leichtigkeit des Seins mit Wein, Weib und Gesang das Tagesprogramm bestimmen.
Schon jetzt halten sich immer mehr bücherferne Lebenskünstler an die Faustregel, die das Deutsche Sprichwörterlexikon allen reiselustigen Analphabeten gewidmet hat: „Wer gesehen Land und Leut’, der wird auch ohne Buch gescheit.“