Mittelschwaebische Nachrichten
Das Museum hinter dem Museum
Von Bildern bis Bügeleisen ist im Krumbacher Heimatmuseum all das ausgestellt, was für die Region typisch ist. In diversen Depots lagern außerdem unzählige Objekte. Eine Geschichte über das Sammeln und Bewahren der Vergangenheit
Krumbach Es ist ein sonniger Vormittag, als eine kleine Frau mit Brille die schwere, braune Tür des Krumbacher Heimatmuseums öffnet. Nach einer kurzen Begrüßung geht sie zurück ins Innere des Gebäudes. Durch weite, lange Gänge läuft sie auf eine Treppe zu und steigt viele Stufen nach oben, bis sie schließlich auf einer Art Dachboden stehen bleibt. „Das ist eines unserer Depots“, sagt Anita Roth und schaut nach links und rechts, wo diverse Holzregale voller Artefakte stehen. Sie ist bereits seit rund sechs Jahren die Leiterin des Museums, ihre Schwerpunkte sind Dokumentation, Depots und das Arbeiten mit Objekten.
„Das, was unsere Besucher in der Dauerausstellung zu sehen bekommen, ist nur ein sehr kleiner Teil des tatsächlichen Museumsbestands“, erklärt die 41-Jährige und stellt sich vor eines der Regale. Sie geht die fein säuberlich beschrifteten, grauen Kartons mit dem Zeigefinger durch, dann sagt sie: „Tatsächlich befinden sich hier wesentlich mehr Objekte als in der Ausstellung.“Im Moment verwaltet das Heimatmuseum rund 40 000 Artefakte, von denen den Besuchern aber nur etwa 5000 dauerhaft präsentiert werden. Alle anderen Objekte werden hinter den Kulissen deponiert.
Depots sind eine Art Sammellager, Aufbewahrungsstätten für große Mengen an Gegenständen. All die Dinge, die nicht ausgestellt werden, werden hierher gebracht und the- matisch unterteilt, zum Beispiel in Glas oder Papier. Das Krumbacher Heimatmuseum besitzt sechs Depots mit einer Fläche von insgesamt 600 Quadratmetern, drei im eigenen Haus, drei weitere über die Stadt verteilt. Manche befinden sich über, andere unter der Erde – derzeit sei man laut Museumsleiterin aber auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten, am besten einem einzigen zentralen Lager.
Für Anita Roth haben die Sammellager eine Schlüsselrolle. Denn ein Museum, sagt sie, bestehe aus vielen Bausteinen und die Ausstellung sei nur einer davon. „Wir bewahren Dinge für die Nachwelt auf, damit die Menschen auch noch in vielen Jahren sehen können, was unsere Vorfahren beschäftigt hat, wie gelebt und gearbeitet wurde“, erklärt die Museumsleiterin. Man merkt, dass ihr diese Aufgabe wichtig ist, dass ihr etwas daran liegt, die Dinge aus der Vergangenheit für die Nachwelt zu bewahren. Wie einen Schatz zieht sie anschließend eine Schatulle aus einem der unteren Regalfächer. Als sie sie öffnet, kommt eine goldene Riegelhaube zum Vorschein – eine Kopfbedeckung, die Frauen der wohlhabenderen Schicht im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert getragen haben.
„All diese Dinge lagern so lange hier im Depot, bis jemand eine Frage an sie stellt“, sagt Roth. Diese Frage kann etwa sein, „Wie machten die Menschen damals in Mittelschwaben Sport?“oder „Was waren typische Trachten, die man früher hierzulande getragen hat?“. Um sie beantworten, werden meist Sonderausstellungen veranstaltet, die Riegelhaube beispielsweise könnte einmal Teil einer Exposition über den Kleidungsstil der vergangenen Jahrhunderte sein. Aber nicht nur dort finden die Objekte aus den Museumsdepots ihren Weg zu den Bezu suchern. „Auch die Dauerausstellung wird über die Jahre immer wieder durch Gegenstände aus den Depots angepasst“, sagt die Museologin. Nachdem sie die Riegelhaube zurück in ihren Karton gelegt und diesen wieder einsortiert hat, geht Anita Roth zu einem der hinteren Regale. Sie bückt sich und zeigt auf einige Objekte, die im ersten Moment wie Schwerter aussehen, dann deutet sie auf eine rote Wachsfigur. „Die war zum Beispiel schon mal Teil einer Sonderausstellung“, sagt sie.
Die meisten Ausstellungsstücke des Museums sind Schenkungen oder Leihgaben. Bevor sie den Besuchern gezeigt werden, kommen sie ins Depot. „Ich begutachte die Sachen vorher und überlege, ob wir das jeweilige Objekt schon haben und ob es früher oder später in die Ausstellung passen würde“, erklärt die Frau mit den braunen Haaren, die sie sich heute zu einem Pferdeschwanz gebunden hat.
Letztlich sind Depots zwar das, was im Hintergrund eines Museums steht. Viele Menschen haben allerdings eine völlig falsche Vorstellung davon, wie sie aufgebaut sind. „Manche stellen sich das vor wie ein Warenhaus, hier eine Abteilung, da eine Abteilung“, sagt Roth und macht mit den Händen ausladende Gesten. „Dabei ist es eigentlich nur ein riesiges Lager, nicht so schön hergerichtet wie in der Ausstellung und viele Dinge sind in Kisten verpackt.“Die eigentliche Bedeutung, so die Museologin, bekämen die Gegenstände erst in der Exposition. Bis ein Objekt allerdings den Besuchern der Ausstellung präsentiert wird, liegt es im Depot und wartet darauf, dass jemand die richtige Frage stellt.