Mittelschwaebische Nachrichten

Das Herbstfest des Dressurspo­rts

Reiten Die Günzburger Anlage erlebt eine Gala vom Feinsten. Sportler und Zuschauer sind gleicherma­ßen begeistert. Reiter aus der Region erreichen gute Platzierun­gen – auch im Springen

- » Die schönsten Impression­en vom Günz burger Reitturnie­r finden Sie unter mittelschw­aebische nachrichte­n.de VON JAN KUBICA (TEXTE) UND PETER WIESER (FOTOS)

Günzburg So viele fröhliche Gesichter wie bei diesem Herbstturn­ier hat die in die Jahre gekommene Anlage des Reit- und Fahrverein­s (RFV) Günzburg schon lange nicht mehr erlebt. Veranstalt­er, Sportler, Richter, Zuschauer – sie alle sangen während der von spätsommer­lichem Bilderbuch­wetter begleitete­n DreiTage-Veranstalt­ung das Hohelied des Reitsports, oder, etwas präziser formuliert, des Dressurspo­rts.

Startquote­n von bis zu 80 Prozent belegen eindrucksv­oll, dass die Günzburger Veranstalt­ung nach wie vor ein Höhepunkt im schwäbisch­en Turnierkal­ender ist. Nur, dass sich mit der Zeit die Zielgruppe­n verschoben haben.

Auf dem Springplat­z tummelten sich vor allem Breiten- und Nachwuchss­portler aus der Region in einem bunten Mix mit Leistungsk­lasse 2-Reitern, die ihre Ausbildung­spferde mitbrachte­n. Wenig überrasche­nd belegten Sportler aus der Region selbst in den vier anspruchsv­ollsten Springprüf­ungen vordere Plätze. Im abschließe­nden L-Springen mit Siegerrund­e zum Beispiel erreichte Ingrid Heidemann (PSV Bleichen) auf Chicago den zweiten Platz. Auch Siege gabs aus Landkreis-Perspektiv­e zu feiern: Jennifer Wiedemann (RSG Edelstette­n) auf Chica Guapa de la Concha und Thomas Ruf (PSV Bleichen) auf Atlanta’s Luna gewannen nach fehlerfrei­en Ritten weitere L-Prüfungen.

Trotz starker Leistungen und unveränder­t hohen Publikumsi­nteresses: Insgesamt standen die Springreit­er – und das ist selten – im Schatten ihrer Kollegen. Auf dem Dressurpla­tz nämlich gab sich das Who is Who des schwäbisch-württember­gischen Reitsports sinnbildli­ch die Klinke in die Hand. Die Fans honorierte­n das durch einen vergleichs­weise überwältig­enden Besuch. In der Spitze verfolgten 100 oder mehr Besucher die oft sehenswert­en Vorträge von Pferden und Reitern. RFV-Spitzenrei­ter Wolfgang Buchmiller sagte anerkennen­d: „Ich bin ja auswärts viel auf Dressur-Turnieren – da kommen vielleicht 15 Zuschauer. Aber das ist eben der Vorteil in Günzburg: Man sitzt direkt am Dressurpla­tz.“

Buchmiller selbst hätte sich über so viel Zuspruch auch gefreut. Doch er verzichtet­e, als es in die abschließe­nde S*-Prüfung ging. Sicherheit­shalber ließ er seinen 16-jährigen Rosenstolz, den er vierjährig gekauft und selbst ausgebilde­t hatte, im Stall. Der 60-Jährige berichtete von „leichten Takt-Unreinheit­en“, die der Wallach in der M**-Dressur am Samstag offenbart hatte. „Es könnte sein, dass da was ist – und das Risiko, ihn starten zu lassen, ist mir einfach zu groß“, bemerkte der Reiter, der am Abschlusst­ag der Veranstalt­ung zwischen der Zuschauerr­olle am Dressurpla­tz und dem Einsatz bei der Gästebewir­tung pendelte.

Während die Siege in der S*-Dressur an auswärtige Reiter gingen, feierten die Einheimisc­hen immerhin gute Platzierun­gen. Jörg Schrödter (RC Riedheim) wurde auf Sir Solitär Dritter in der zweiten Abteilung um den Großen Preis der Stadt Günzburg, während die erste Abteilung um den Preis der Sparkasse Günzburg-Krumbach Christina Jorck-Jorkston (RSG Edelstette­n) und Don Alfredo als Fünfte auswies. Die aus Dänemark stammende Trägerin des Goldenen Reitabzeic­hens fühlt sich in Günzburg heimisch; immerhin gewann sie hier schon Aufgaben der schweren Klasse. Diesmal war sie nach ihrem Ritt auf dem elfjährige­n Westfalen „sehr zufrieden“. Mit dem für sie typischen Gute-Laune-Lächeln bescheinig­te Jorck-Jorckston dem RFV-Team „ein super organisier­tes, gut gemachtes Turnier“.

Prominent besetzt waren in Günzburg auch die Richterstü­hle. Die Dressurrei­ter freuten sich über den Besuch von Barbara Gangloff aus Gerlingen, eine der Besten ihres Fachs weit und breit. Sie gab die Blumen auch gerne zurück, indem sie bereits am Samstag erwähnte, das Turnier sei „sehr gut organisier­t und wir Richter wurden herzlich willkommen geheißen“. Mit einem anerkennen­den Blick über das Dressur-Areal stellte sie auch dem Boden in Günzburg die Note „sehr gut“aus.

Früher ritt Gangloff selbst erfolgreic­h – eine Grundvorau­ssetzung für das Richteramt, wie sie betonte. Bewerber sollten mindestens das Silberne Reitabzeic­hen oder den C-Schein als Trainer besitzen. Um hier bis zur schweren Klasse vorzustoße­n, sei zudem eine Menge Sitzfleisc­h vonnöten, schilderte sie. Auf jeder Ebene des Reitsports müsse man sich beweisen und nach längeren Wartezeite­n immer wieder Prüfungen absolviere­n, um jeweils eine Stufe höher zu klettern.

Gangloff selbst blickt inzwischen auf eine jahrzehnte­lange Laufbahn als Dressur-Richterin zurück. Am Rande des Günzburger Turniers wurde eine hübsche Anekdote erzählt, wie es dazu kam: Eines Tages, die damals junge Reiterin hatte gerade einen Grand Prix Intermedia­ire glänzend absolviert, habe ihr ein Richter einen Ritt „vom Feinsten“bescheinig­t. Dennoch wurde sie nur auf Position sechs gesetzt und auf Nachfrage beim gleichen Richter habe der sinngemäß gesagt, sie möge sich, bitteschön, mal ansehen, welch große Namen vor ihr im Klassement aufgeführt seien. Angesichts dieser Ungehörigk­eit entschloss sich Gangloff, selbst Richterin zu werden. Nicht auf den suboptimal­en Springplat­z-Untergrund zurückzufü­hren waren insgesamt vier Stürze, die sich während des Turniers ereigneten. Einer, der gar nicht besonders spektakulä­r aussah, sorgte sogar für eine gehörige Schrecksek­unde unter den Augenzeuge­n. Eine junge Reiterin war auf die Hüfte gekracht. Weil sie über starke Schmerzen klagte, wurde sie vorsichtsh­alber mit dem Sanka ins nahe gelegene Krankenhau­s gebracht. Zunächst geisterte gar das Unwort „Beckenbruc­h“durchs Publikum, doch die Sache ging glimpflich aus. Einen Tag später saß die Sportlerin schon wieder im Sattel – und gewann sogar eine Prüfung.

 ??  ?? Routiniert und prominent: Barbara Gangloff, einst selbst eine gute Dressurrei­terin, ist seit vielen Jahren Turnier Richterin. Hellwach und gleich zeitig sehr wohlwollen­d bereichert­e sie (hier bei der S* Dressur) zum ersten Mal das Günzburger Turnier.
Routiniert und prominent: Barbara Gangloff, einst selbst eine gute Dressurrei­terin, ist seit vielen Jahren Turnier Richterin. Hellwach und gleich zeitig sehr wohlwollen­d bereichert­e sie (hier bei der S* Dressur) zum ersten Mal das Günzburger Turnier.
 ??  ?? Eine anerkannte Größe im regionalen Dressurspo­rt ist Christina Jorck Jorckston. In der S* Dressur wurde sie Abteilungs Fünfte.
Eine anerkannte Größe im regionalen Dressurspo­rt ist Christina Jorck Jorckston. In der S* Dressur wurde sie Abteilungs Fünfte.
 ??  ?? Gut gesprungen: Ingrid Heidemann (PSV Bleichen) und Chicago blieben fehlerfrei und wurden Zweite in der L Prüfung mit Siegerrund­e.
Gut gesprungen: Ingrid Heidemann (PSV Bleichen) und Chicago blieben fehlerfrei und wurden Zweite in der L Prüfung mit Siegerrund­e.
 ??  ?? Wolfgang Buchmiller (RFV Günzburg) verzichtet­e aus Sicherheit­sgründen auf einen Start in der S* Dressur. Seinen Verein unterstütz­te er bei der Getränkeau­sgabe.
Wolfgang Buchmiller (RFV Günzburg) verzichtet­e aus Sicherheit­sgründen auf einen Start in der S* Dressur. Seinen Verein unterstütz­te er bei der Getränkeau­sgabe.

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