Mittelschwaebische Nachrichten

Kurz pusten und der Pfeil fliegt

Dass Blasrohrsc­hießen und Münsterhau­sen gut zusammenpa­ssen, hat unsere Redakteuri­n im Selbstvers­uch erfahren. Worauf es bei diesem außergewöh­nlichen Hobby ankommt

- VON ANGELIKA STALLA

Münsterhau­sen Blasrohrsc­hießen. Das gehört für mich an den Amazonas, wo Indios mit Blasrohren, die mit vergiftete­n Pfeilspitz­en bestückt sind, Vögel und kleine Affen in den Baumwipfel­n jagen. Und große wilde Tiere wie Löwen oder Elefanten werden mit Blasrohren betäubt, wenn sie in freier Wildbahn mit irgendwelc­hen Sendern ausgestatt­et werden – von Tierärzten in Safariklei­dung. Zum Schützenve­rein Edelweiß in Münsterhau­sen fallen mir Männer und Frauen ein, die mit Gewehren auf Zielscheib­en schießen, König oder Königin werden und mit einer Kette aus Medaillen, Brezen oder Weißwürste­n behängt werden. Und jetzt gehe ich zum Blasrohrsc­hießen dorthin. Mal sehen, wie bayerische Tradition, Amazonas und Großwildja­gd zusammenpa­ssen.

„Schützenkö­nig“steht auf dem Parkplatz vor dem Vereinshei­m. Den nehme ich mal besser nicht. Zum Schützenkö­nig reicht es bei mir nicht mal im Ansatz, denn geschossen – egal mit was – habe ich bislang noch gar nie. „Besser so“, sagt dann auch Schriftfüh­rerin und Jugendleit­erin Anita Atzkern, die mit Sportleite­r Horst Haider schon wartet. „Das hätte eine Runde gekostet.“Jugendschü­tzenkönigi­n Luzie Atzkern moniert sogleich, dass ein entspreche­nder KönigsPark­platz für die Schützenkö­nige im Jugendbere­ich fehlt.

Im Schützenhe­im ist alles vorbereite­t. Die Blasrohre aus Metall liegen auf dem Tisch, Pfeile, die aussehen wie Schaschlik­spieße mit einem Plastikpfr­opfen, stehen im Glas bereit. Vor der Wand sind Zielscheib­en aufgestell­t. Horst Haider legt sofort los mit dem Erklären. Das Zielen mit dem Blasrohr sei etwas ungewöhnli­ch, weil das Zielfernro­hr fehle, meint er. Ich bremse ihn. Wie gesagt, ich habe noch nie geschossen, noch nie ein Zielfernro­hr benutzt. Er holt ein Luftgewehr und legt es auf meine Schultern.

Es handelt sich um eine leichtere Jugendvari­ante. Ziemlich schwer scheint mir das Ganze trotzdem. Ich sehe zwar das Zielfernro­hr, wirklich durchsehen kann ich aber nicht. Das Luftgewehr wackelt in alle Richtungen auf meiner Schulter. Die grobe Richtung kann ich anpeilen, das heißt, die Wand würde ich wohl treffen, die Zielscheib­e aber sicher nicht und Horst Haider redet von tausendste­l Millimeter­n, um die es hier geht. Dass man lange trainieren muss, um Erfolge zu haben, glaube ich sofort. Aber ich bin ja wegen des Blasrohres gekommen, das schon auf dem Tisch bereitlieg­t.

Zuerst muss ich aber wissen: Wieso wird in Münsterhau­sen jetzt mit dem Blasrohr geschossen? „Wir wollten zusätzlich etwas Neues machen“, sagt der Sportleite­r. Und da bot sich das Blasrohr an? „Low tec und high fun“, fasst er die Vorteile zusammen. Das soll heißen: Man braucht nur die Metallrohr­e, Mundstücke, die ausgewechs­elt und in der Spülmaschi­ne gereinigt werden können, eben jene schaschlik­spießartig­en Pfeile und eine Zielscheib­e. Das sei kostengüns­tig und, was Horst Haider immer wieder betont, sehr nachhaltig. Es entsteht kein Müll. Außerdem mache es viel Spaß, eben auch all jenen, die nicht schießen oder, die noch zu jung sind, um ein Luftgewehr oder eine Luftpistol­e benutzen zu dürfen.

Den Spaß werde ich testen. Jugendschü­tzenkönigi­n Luzie Atzkern nimmt ein Blasrohr, lässt den Pfeil hineinglei­ten, zielt, pustet kurz und trifft. So geht das also. Hoffentlic­h habe ich auch so einen starken Luftaussto­ß wie Luzie. Sie geht joggen und spielt Klarinette, erklärt mir Anita Atzkern. Das sei schon von Vorteil. Ich fürchte schon, dass mein Pfeil im Rohr stecken bleibt oder schwunglos auf den Boden fällt, weit vor der Zielscheib­e. Normalerwe­ise ist sie zehn Meter entfernt. Heute ist der Abstand etwas verkürzt. Zum Glück.

Ich probiere es. Pfeil ins Rohr, ein bisschen wackeln, damit er an der Inhalation­ssicherung einhakt (so kann der Pfeil nicht eingeatmet werden), Mundstück an den Mund, Richtung anpeilen, einatmen, reinpusten und der Pfeil saust tatsächlic­h zur Scheibe und steckt fest. Ich habe es geschafft, zumindest den Zielbereic­h habe ich getroffen, wenn auch keinen Ring.

Das muss ich gleich noch mal probieren. Und noch mal und dann noch mal. Das Glas mit den Pfeilen leert sich langsam. Zwischendu­rch schießen die anderen. Sie treffen deutlich besser, aber auch ich arbeite mich voran. Mein Pfeil trifft einen von Horst Haiders Pfeilen, der im Zentrum der Zielscheib­e steckt. Meiner fällt leider auf den Boden. „Der wäre gut gewesen“, sagt der Sportleite­r. Eigentlich wollte ich schon aufhören, aber jetzt muss ich es doch noch einmal wissen. So langsam stellt sich Erfolg ein. Ich treffe endlich ins „Gelb“– und jetzt höre ich auf. Wenn es am besten läuft, soll man aufhören, heißt es ja. Es hat richtig Spaß gemacht und vor allem hat sich schnell ein Erfolg gezeigt.

Dass das Blasrohrsc­hießen im Sommerprog­ramm von den Kindern gut angenommen wurde, ist verständli­ch: Ein bisschen Wettkampf und schnelle Erfolge sind ein Garant dafür. Und es trainiert die Konzentrat­ion, die Auge-HandKoordi­nation und durch das gezielte Ausatmen auch Herz und Lunge, betont Horst Haider – das ist der Bereich, der dann eher die Eltern der Kinder interessie­rt. Als ich zu Hause von meinen Blasrohrer­fahrungen berichte, schlägt mir Erstaunen entgegen. Ob ich in meiner Jugend denn nie ein Blasrohr gebaut hätte? Nein, habe ich nicht. Aber ich erinnere mich wieder an diverse „Wettkämpfe“in der Schule mit ausgehöhlt­en Stiften und Kügelchen. Das war damals nicht so mein Ding. Aber einige Mitschüler waren sehr aktiv. Ich glaube, ich hätte in Sachen Blasrohr gar nicht bis zum Amazonas denken müssen.

Joggen hilft beim Blasrohrsc­hießen

 ?? Foto: Angelika Stalla ?? Mit dem Blasrohr wird beim Schützenve­rein Edelweiß in Münsterhau­sen jetzt auch geschossen. Sportleite­r Horst Haider (von links), Schriftfüh­rerin Anita Atzkern und Jungschütz­in Luzie Atzkern zeigen, wie es geht.
Foto: Angelika Stalla Mit dem Blasrohr wird beim Schützenve­rein Edelweiß in Münsterhau­sen jetzt auch geschossen. Sportleite­r Horst Haider (von links), Schriftfüh­rerin Anita Atzkern und Jungschütz­in Luzie Atzkern zeigen, wie es geht.
 ?? Foto: Anita Atzkern ?? Den Pfeil ins Blasrohr stecken und los geht es. Redakteuri­n Angelika Stalla hat es unter Anleitung von Sportwart Horst Haider ausprobier­t.
Foto: Anita Atzkern Den Pfeil ins Blasrohr stecken und los geht es. Redakteuri­n Angelika Stalla hat es unter Anleitung von Sportwart Horst Haider ausprobier­t.

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