Mittelschwaebische Nachrichten

Wie es sich anfühlt, ein Leben zu retten

Holger Spengler aus Hochwang hat einer Amerikaner­in Stammzelle­n gespendet. Das war vor fünf Jahren. Nun lernt er die Frau bald im US-Bundesstaa­t Kalifornie­n kennen

- VON PHILIPP WEHRMANN

Hochwang/Sacramento Holger Spengler spendet schon sehr lange Blut. Das sei eine sinnvolle Sache – es erfordere kaum Aufwand und helfe wahrschein­lich einem anderen Menschen, sagt der 41-Jährige aus Hochwang. Mit der Stammzelle­nspende verhalte sich das eigentlich genauso, deshalb hat er sich vor 15 Jahren typisieren lassen.

Zehn Jahre später lag ein Schreiben der Deutschen Knochenmar­kspenderda­tei (DKMS) in seinem Briefkaste­n. Er sei der passende Spender für eine Amerikaner­in, hieß es darin. Die 27-Jährige leide an Blutkrebs – um sicherzuge­hen, dass er der richtige Spender ist, solle er eine Blutprobe einreichen. Spenglers Entscheidu­ng war schnell klar: Er wird spenden. Das nächste Kuvert kam. Darin befanden sich Kanülen, die er zu seinem Hausarzt bringen sollte – doch der war im Urlaub. Was darauf folgte, klingt wie im Film: Die DKMS nannte ihm eine andere Ichenhause­r Ärztin, zu der er fahren sollte. Vor der Praxis wartete bereits ein Paketkurie­r, erzählt er. Er ging hinein, die Ärztin nahm Blut ab, der Bote brachte es sofort ins Labor der Spenderdat­ei. Wenig später stand fest: Er hat die passenden Zellen. Ein paar Wochen später stand der Spendeterm­in an. Spengler musste in der Zeit davor ein Medikament nehmen, das die Stammzelle­nproduktio­n anregt. Wie unkomplizi­ert die Spende vonstatten­ging, überrascht­e ihn. „Das war eigentlich nicht anderes als normales Blutspende­n“, sagt er. Noch am selben Nachmittag fuhr er mit dem Zug zurück nach Hochwang.

Fünf Jahre sind seitdem vergangen. In den ersten beiden Jahren wussten der Deutsche und die Amerikaner­in nicht, wer der jeweils andere war – das ist Vorschrift. Schreiben durften sie dennoch; die Briefe schickten die Spenderdat­enbanken weiter. Erst später erfuhr er, dass die heute 32-jährige Frau Alicia Tagory heißt. Spengler hat alles aufbewahrt: „Hallo Mr. X“, beginnt der erste Brief, den er von ihr erhielt. „Du hast mir eine zweite Chance im Leben gegeben. Uns verbindet ein sehr besonderes Band.“Sie hielten über die sozialen Medien Kontakt. Passierte etwas Wichtiges im Leben des einen, wusste der andere Bescheid. Als Spenglers jüngste Tochter auf die Welt kam, schickte er Alicia Tagory ein Bild von ihr. Als die Amerikaner­in heiratete, schickte sie der deutschen Familie Fotos. „Diese persönlich­e Beziehung fühlt sich nach wie vor sehr surreal an“, sagt er. Viel wisse er nicht über die Frau, die ihm ihr Leben zu verdanken hat, und doch kennen sie sich gut. „Auf den Bildern sieht man klar, dass sie eine sehr lebensfroh­e Person ist.“Vor wenigen Wochen kam die nächste Überraschu­ng per Telefon. Die DKMS rief an – ihr amerikanis­ches Pendant wolle ein Treffen mit Tagory in den USA organisier­en. Spenglers Freude ist groß, als die Einladung der amerikanis­chen Organisati­on eintrifft.

Seine Frau Daniela und er sind für drei Tage samt Flug nach Sacramento in Kalifornie­n eingeladen, um Alicia Tagory kennenzule­rnen. Er ist gespannt, ob sie sich sympathisc­h sein werden. „Es kann ja sein, dass wir uns nicht verstehen“– doch das hält er für unwahrsche­inlich. Wenn sie es schaffen, wollen die beiden San Francisco besuchen. „Unsere Vorfreude und Spannung auf die Reise ist riesig.“

„Hallo Mr. X, [...] du hast mir eine zweite Chance im Le ben gegeben. Uns verbindet ein sehr besonderes Band.“Alicia Tagory

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