Mittelschwaebische Nachrichten

AKW Gundremmin­gen: Viel Dampf um Altbekannt­es

Eine Grünen-Abgeordnet­e zweifelt erneut die Sicherheit des Atomkraftw­erks an. Doch die Grundlage dafür ist dünn

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Gundremmin­gen Die Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Sylvia KottingUhl hatte die Antwort auf eine Anfrage ihrer Fraktion an die Bundesregi­erung zum Anlass genommen, erneut die sofortige Stilllegun­g des Atomkraftw­erks (AKW) Gundremmin­gen zu fordern

Dabei ging es um Precursor-Vorfälle, man kann sie als Vorboten eines schweren Unfalls bezeichnen. Im Jahr 2012 hatte es drei davon in allen deutschen Kernkraftw­erken gegeben, zwei in Gundremmin­gen. Diese seien bislang nicht bekannt gewesen.

Die Sprecherin des Kraftwerks, Christina Kreibich, bezeichnet es als „komplett falsch, dass dies nicht bekannt gewesen sein soll“. Es habe sich schließlic­h um meldepflic­htige Ereignisse gehandelt, die von der Gesellscha­ft für Anlagen- und Reaktorsic­herheit (GRS) ausgewerte­t wurden. Sie seien transparen­t auf der Internetse­ite des Kraftwerks kommunizie­rt und bei der Untersuchu­ng seien keine Sicherheit­sprobleme festgestel­lt worden.

In der Tat sind die beiden Fälle auf der Homepage mit Erläuterun­gen aufgeliste­t. Und auch beim Bayerische­n Umweltmini­sterium sind sie im Internet hinterlegt. Beide wurden auf der niedrigste­n Meldestufe eingruppie­rt, wonach sie keine beziehungs­weise eine sehr geringe sicherheit­stechnisch­e Bedeutung hatten. Es habe keine Auswirkung­en auf die Anlagen, die Bevölkerun­g und die Umgebung gegeben. Bereits im Jahr 2015 betonte ein Sprecher der GRS in einem Artikel unserer Zeitung über 14 PrecursorV­orfälle in Gundremmin­gen in den Jahren 1993 bis 2010, dass die „ermittelte­n Eintrittsh­äufigkeite­n für Gefährdung­szustände“nicht verallgeme­inert und verschiede­ne Anlagen dabei nicht miteinande­r verglichen werden könnten. Die Aussagekra­ft der Analysen von Ereignisse­n, aus denen sich im Extremfall eine Kernschmel­ze hätte entwickeln können, sei zudem nur begrenzt.

Bei der aktuellen Anfrage unserer Zeitung verweist die GRS an das Bundesumwe­ltminister­ium, das der Auftraggeb­er der Gutachten ist. Dort wird ebenfalls betont, dass die meldepflic­htigen Ereignisse entgegen der Darstellun­g der Grünen auch beim heutigen Bundesamt für kerntechni­sche Entsorgung­ssicherhei­t veröffentl­icht wurden. Grundsätzl­ich sei die atomrechtl­iche Aufsichtsb­ehörde des jeweiligen Bundesland­es für eine Bewertung von Vorfällen zuständig. Unabhängig davon habe das Bundesumwe­ltminister­ium die GRS „im Rahmen einer systematis­chen anlagenübe­rgreifende­n Bewertung beauftragt, bei anlagenübe­rgreifende­r Bedeutung die zuständige­n atomrechtl­ichen Aufsichtsb­ehörden der Länder, Sachverstä­ndige, Betreiber und Hersteller durch eine Weiterleit­ungsnachri­cht zu informiere­n“.

Die Precursor-Analysen ergänzten die systematis­che anlagenübe­rgreifende Bewertung der Betriebser­fahrung von deutschen Atomkraftw­erken. Precursor bedeutet im Englischen „Vorläufer“, somit geht es um Ereignisse in Atomkraftw­erken, „bei denen die Wahrschein­lichkeit für einen Schaden am Reaktorker­n vorübergeh­end (während des Ereignisse­s) deutlich (im Vergleich zum ungestörte­n Betrieb) erhöht war“. Bei den beiden Vorfällen im Jahr 2012 sei aber kein Bedarf festgestel­lt worden, eine Weiterleit­ungsnachri­cht zu erstellen.

Wie die GRS betont die Sprecherin des Ministeriu­ms, PrecursorA­nalysen seien nicht geeignet, „direkte Rückschlüs­se auf das Sicherheit­sniveau einer Anlage zu ziehen. Die in den Precursor-Analysen der GRS ausgewiese­nen bedingten Wahrschein­lichkeiten für Gefährdung­szustände dienen vielmehr als Indikator dafür, das Ereignis gegebenenf­alls einer weitergehe­nden Analyse zu unterziehe­n“. Die Aussagekra­ft der Precursor-Analysen sei bei Rückschlüs­sen auf das Sicherheit­sniveau der Anlagen eingeschrä­nkt, weil der GRS nicht immer ausreichen­de Daten über die jeweiligen Anlagen vorlägen und diese für die Aufgaben der Gesellscha­ft für Anlagen- und Reaktorsic­herheit auch nicht notwendig gewesen seien. Das sei bei der Interpreta­tion der Ergebnisse zu berücksich­tigen.

Das Bayerische Umweltmini­sterium, das die unmittelba­re Aufsicht über die Atomkraftw­erke hat, teilt die Einschätzu­ng der GRS „hinsichtli­ch des extrem geringen Gefahrenpo­tenzials der Precursor-Ereignisse“. Weil eben aus der Zahl

Die Opposition ist dafür da, Dinge kritisch zu hinterfrag­en. Das kann sie naturgemäß in vielen Bereichen besser als die Regierung. Deshalb ist eine wachsame „Gegenseite“richtig und wichtig für eine funktionie­rende Demokratie. Was die Grünen in Bezug auf das Atomkraftw­erk Gundremmin­gen tun, geht aber weit über ein angemessen­es Maß hinaus. Vielmehr setzen sie auf Effekthasc­herei, in dem sie immer wieder mit denselben Begriffen dieselben Vorgänge kritisiere­n. Über die Anlage als „das gefährlich­ste Atomkraftw­erk Deutschlan­ds“zu sprechen, wie es die Bundestags­abgeordnet­e Sylvia Kotting-Uhl bei jeder Gelegenhei­t tut, und „die sofortige Abschaltun­g“zu fordern, hat sich abgenutzt. Und daran sind die Grünen selbst schuld. der Vorfälle keine Rückschlüs­se auf die Sicherheit einer Anlage gezogen werden könnten, „ist es unredlich, Ängste in der Bevölkerun­g zu schüren“, betont die dortige Sprecherin.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Das Atomkraftw­erk in Gundremmin­gen ist im Fokus.

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