Mittelschwaebische Nachrichten
Mehr als 800 Besucher bei Viehscheid
Gerhard Fäßler treibt sein Jungvieh schon seit einigen Jahren von der Weide zum Stall. Erstmals machen die Oberschönegger ein Fest daraus
Oberschönegg Aus welcher Richtung kommt die erste Herde? Diese Frage beschäftigt an diesem Sonntagvormittag viele Besucher, die aus der näheren und weiteren Umgebung zum nördlichsten Viehscheid des Allgäus nach Oberschönegg gekommen sind. Erwartungsvoll versammeln sich immer mehr Menschen, darunter ganze Familien, um die Leonhardkapelle. Zunächst gilt die Aufmerksamkeit den Altschönegger Dorfmusikanten, die auf einem Wagen sitzen und ihre Instrumente spielen. Als sich in die Blasmusikklänge das Geläut einer Kuhglocke mischt, schweifen die Blicke der Besucher Richtung Stolzenhofen. Ein Bub führt das erste geschmückte Kranzrind heran.
Dicht dahinter treiben Hirten die kleine Herde von der „Weide Battau“zum Sammelplatz. Vom nördli- chen Ortseingang aus nähert sich inzwischen das ebenfalls von einem prächtig geschmückten Rind angeführte Braunvieh, das auf der „Weide Tafertshofen Gangwalda“stand.
Die aus Richtung Engishausen kommende Herde der „Weide Pilzküfer“muss die größte Steigung zurücklegen. „An diesem Berg habe ich vor mehr als 50 Jahren bereits Kühe heraufgetrieben“, erinnert sich eine Frau an ihre Kindheit, die mit ihrem Mann aus Stadtbergen nach Oberschönegg gekommen ist. Während ihre Klassenkameraden damals mit ihren Eltern nach Italien gefahren seien, habe sie die Sommerferien regelmäßig auf dem Bauernhof ihrer Oma in Oberschönegg verbracht und bei manchen Arbeiten mithelfen dürfen. „Das war viel spannender“– davon ist sie noch heute überzeugt.
Als die drei kleinen Herden mit zusammen mehr als 30 Rindern zum Hof von Landwirt und Initiator Gerhard Fäßler geführt werden, schiebt sich langsam die Sonne durch die Wolkendecke. Geschätzte 800 Besucher winken dem Zug, der von den Dorfmusikanten angeführt wird, vom Straßenrand aus zu.
Ein älteres Ehepaar freut sich, dass es heuer nicht ins Oberallgäu fahren muss, sondern einen Viehscheid ganz in der Nähe erleben kann. „Das Läuten der Kuhglocken ist für mich wie eine Heimatmelodie“, schwärmt die Frau. Ein ehemaliger Landwirt sagt: „Da wir jetzt keine Schumpen mehr daheim im Stall haben, schauen wir sie uns eben woanders an.“Eine junge Mutter findet: „Wenn sich jemand schon die Mühe macht, solche Traditionen wiederzubeleben, muss man einfach hingehen.“Sie hält ihre Tochter vorsorglich fest an der Hand.
Die Männer, Kinder und Jugendlichen, die an diesem Tag als Hirten im Einsatz sind, zeigen sich gut vorbereitet. Sie wissen, dass die Rinder im ungewohnten Umfeld einer Menschenmenge aufgeregt sein können. Mit beruhigenden Worten und Hirtenstecken führen sie das Vieh entlang der Hauptstraße.
Für viele Besucher klingt der Viehscheid auf dem Hofgelände der Familie Fäßler in geselliger Runde aus. Vereine und Dorfbewohner packen bei der Bewirtung zusammen an. „Wir haben zwar viele Besucher erwartet, aber mit solch einem großen Andrang haben wir nicht gerechnet“, sagt Alexander Straub. Wie viele andere Oberschönegger setzt er sich an diesem Sonntag nach Kräften für die Belebung eines Allgäuer Brauchtums ein.
» Eine Bildergalerie und ein Video vom Viehscheid finden Sie unter www.mittelschwaebische nachrich ten.de/lokales