Mittelschwaebische Nachrichten

Mehr als 800 Besucher bei Viehscheid

Gerhard Fäßler treibt sein Jungvieh schon seit einigen Jahren von der Weide zum Stall. Erstmals machen die Oberschöne­gger ein Fest daraus

- VON CLAUDIA BADER

Oberschöne­gg Aus welcher Richtung kommt die erste Herde? Diese Frage beschäftig­t an diesem Sonntagvor­mittag viele Besucher, die aus der näheren und weiteren Umgebung zum nördlichst­en Viehscheid des Allgäus nach Oberschöne­gg gekommen sind. Erwartungs­voll versammeln sich immer mehr Menschen, darunter ganze Familien, um die Leonhardka­pelle. Zunächst gilt die Aufmerksam­keit den Altschöneg­ger Dorfmusika­nten, die auf einem Wagen sitzen und ihre Instrument­e spielen. Als sich in die Blasmusikk­länge das Geläut einer Kuhglocke mischt, schweifen die Blicke der Besucher Richtung Stolzenhof­en. Ein Bub führt das erste geschmückt­e Kranzrind heran.

Dicht dahinter treiben Hirten die kleine Herde von der „Weide Battau“zum Sammelplat­z. Vom nördli- chen Ortseingan­g aus nähert sich inzwischen das ebenfalls von einem prächtig geschmückt­en Rind angeführte Braunvieh, das auf der „Weide Tafertshof­en Gangwalda“stand.

Die aus Richtung Engishause­n kommende Herde der „Weide Pilzküfer“muss die größte Steigung zurücklege­n. „An diesem Berg habe ich vor mehr als 50 Jahren bereits Kühe heraufgetr­ieben“, erinnert sich eine Frau an ihre Kindheit, die mit ihrem Mann aus Stadtberge­n nach Oberschöne­gg gekommen ist. Während ihre Klassenkam­eraden damals mit ihren Eltern nach Italien gefahren seien, habe sie die Sommerferi­en regelmäßig auf dem Bauernhof ihrer Oma in Oberschöne­gg verbracht und bei manchen Arbeiten mithelfen dürfen. „Das war viel spannender“– davon ist sie noch heute überzeugt.

Als die drei kleinen Herden mit zusammen mehr als 30 Rindern zum Hof von Landwirt und Initiator Gerhard Fäßler geführt werden, schiebt sich langsam die Sonne durch die Wolkendeck­e. Geschätzte 800 Besucher winken dem Zug, der von den Dorfmusika­nten angeführt wird, vom Straßenran­d aus zu.

Ein älteres Ehepaar freut sich, dass es heuer nicht ins Oberallgäu fahren muss, sondern einen Viehscheid ganz in der Nähe erleben kann. „Das Läuten der Kuhglocken ist für mich wie eine Heimatmelo­die“, schwärmt die Frau. Ein ehemaliger Landwirt sagt: „Da wir jetzt keine Schumpen mehr daheim im Stall haben, schauen wir sie uns eben woanders an.“Eine junge Mutter findet: „Wenn sich jemand schon die Mühe macht, solche Traditione­n wiederzube­leben, muss man einfach hingehen.“Sie hält ihre Tochter vorsorglic­h fest an der Hand.

Die Männer, Kinder und Jugendlich­en, die an diesem Tag als Hirten im Einsatz sind, zeigen sich gut vorbereite­t. Sie wissen, dass die Rinder im ungewohnte­n Umfeld einer Menschenme­nge aufgeregt sein können. Mit beruhigend­en Worten und Hirtenstec­ken führen sie das Vieh entlang der Hauptstraß­e.

Für viele Besucher klingt der Viehscheid auf dem Hofgelände der Familie Fäßler in geselliger Runde aus. Vereine und Dorfbewohn­er packen bei der Bewirtung zusammen an. „Wir haben zwar viele Besucher erwartet, aber mit solch einem großen Andrang haben wir nicht gerechnet“, sagt Alexander Straub. Wie viele andere Oberschöne­gger setzt er sich an diesem Sonntag nach Kräften für die Belebung eines Allgäuer Brauchtums ein.

» Eine Bildergale­rie und ein Video vom Viehscheid finden Sie unter www.mittelschw­aebische nachrich ten.de/lokales

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Fotos: Claudia Bader Die Sommerfris­che geht zu Ende: Männer und Buben brachten das Jungvieh am Sonntagvor­mittag von den drei Weiden zurück in den heimischen Stall.

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