Mittelschwaebische Nachrichten

Auf einen Kaffee mit Grünen-Chef Habeck

Wahlkampf Der Bundesvors­itzende der Partei stellt sich in Krumbach den Fragen der Bürger

- VON CHRISTIAN GALL

Krumbach Keine Fahnenabor­dnung steht bereit, um Robert Habeck zu begrüßen. Kein Podium, auf dem der Bundesvors­itzende der Grünen seine Wahlkampfr­ede halten könnte. Im Café Kupferdäch­le in Krumbach steht er zwischen gedeckten Frühstücks­tischen, um rund 40 Zuhörern das Programm seiner Partei nahezubrin­gen. Sein Auftreten unterschei­det ihn von Politiker-Kollegen ebenso wie seine Kleidung. Jeans, leichte Jacke, bequeme Schuhe. Der 49-Jährige will keinen Eindruck schinden. So spricht er auch zum Publikum – nicht mit einer rhetorisch ausgefeilt­en Rede, sondern mit sachlich vorgetrage­nen Argumenten.

Er widmet seine Worte zunächst der großen politische­n Bühne. Die Politik beschäftig­e sich zu sehr mit sich selbst, in der Regierung herrschten große Fliehkräft­e, die es schwierig machten, gemeinsam zu regieren. Bei der CSU bemerke er, dass der Partei ein Stück demokratis­che Demut fehle. „So schmerzhaf­t das ist, man muss auch einmal eine Wahl verlieren“, sagt Habeck. Er wisse selbst, wie sich das anfühle. Von der Bundeseben­e leitet er seinen Gesprächsf­aden in den Freistaat: „Während ich in Bayern unterwegs war, habe ich festgestel­lt, dass die Menschen eine Sache eint: Sie wollen gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt.“

Habeck erklärt, dass er keinen Bezug zur Region hat. Der gebürtige Lübecker hat seinen politische­n Schwerpunk­t im Norden, im Bundesland Schleswig-Holstein. Dort war er zeitweise Minister für Landwirtsc­haft und Umwelt – er kennt also den ländlichen Raum. Sein Wissen zeigt er bei Fragen aus dem Publikum. Als eine Frau aus Attenhause­n sagt, dass sie an ihrem Wohnort öffentlich­en Nahverkehr vermisst, verweist Habeck auf ein von der EU geförderte­s Pilotproje­kt in Schleswig-Holstein, bei dem sich Bürger auf dem Land unkomplizi­ert ein Elektroaut­o leihen können.

Bei diesem Punkt macht Habeck klar, was Europa für ihn bedeutet – nämlich nicht unübersich­tliche Bürokratie, sondern Hilfe für Bürger vor Ort. „Auf europäisch­er Ebene werden viele gute Projekte gefördert, die das Leben der Menschen gezielt verbessern können“, sagt er. Allerdings müssen solche Projekte besser nach außen kommunizie­rt und für Kommunen attraktiv gemacht werden: „Europa hat da ein Kommunikat­ionsproble­m.“

Das Publikum treiben weitere Themen um. Wie sich die ärztliche Versorgung auf dem Land verbessern lasse, fragt eine Zuhörerin. Habeck hält es für unrealisti­sch, dass jedes kleine Dorf einen eigenen Arzt bekommt: „Eine realistisc­he Lösung wäre es, mehrere Ärzte gemeinscha­ftlich in einer Praxis anzusiedel­n. Dann müssen Bürger vielleicht dennoch zehn Kilometer weit zu ihnen fahren, nicht aber 50, wie es jetzt bei manchen Spezialist­en nötig ist.“Die Fragen aus dem Publikum gehen weiter, drehen sich um Gesundheit, Nahversorg­ung oder Naturschut­z. Nur ein Thema kommt nicht zur Sprache: die Flüchtling­sdebatte. „Ich habe schon an anderen Orten die Erfahrung gemacht, dass dieses Thema die Menschen nicht so umtreibt, wie man denken würde“, sagt Habeck. Die Gedanken der Bürger drehten sich nicht um Angst oder Vorurteile – sondern um die Frage, wie sie das Leben in der eigenen Heimat besser machen können.

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Foto: Christian Gall Robert Habecks Auftritt in Krumbach war kein Spektakel – dafür war der Dialog mit den Bürgern umso direkter.

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