Mittelschwaebische Nachrichten

Zurück zur Sacharbeit?

Koalition Die Regierung braucht dringend Erfolge. Doch ein altes Thema will nicht vom Tisch. Die SPD möchte den „Spurwechse­l“durchsetze­n, die Union wehrt sich

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Berlin Gern beteuern Politiker von Union und SPD, wie sehr die Große Koalition an Verbesseru­ngen für den Alltag vieler Bürger arbeite – bei Pflege, Rente, Wohnen. Doch der Dauerzank in der Regierung hat bisher fast alles überdeckt, wie selbst Minister schon kopfschütt­elnd registrier­ten. Nun will Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eigentlich zurück zur Sacharbeit: Beim Treffen der Koalitions­spitzen an diesem Montag soll ein Paket mit konkreten neuen Angeboten her, um Millionen Diesel-Besitzer vor Fahrverbot­en in deutschen Städten zu bewahren. Für Merkel geht es im 14. Jahr ihrer Kanzlersch­aft um nicht weniger als eine Art Neustart aus kritischer Lage. Doch die Woche hatte noch nicht angefangen, da deutete sich an, dass die Streitthem­en keineswegs ausgeräumt sind.

SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil war es, der in einem Interview das alte Thema wieder aufwärmte: Er will, dass der sogenannte „Spurwechse­l“in einem Zuwanderun­gsgesetz verankert wird. Unter „Spurwechse­l“ist zu verstehen, dass gut integriert­en Asylbewerb­ern mit Arbeitspla­tz, die abgelehnt und nur geduldet sind, ein Bleiben in Deutschlan­d ermöglicht wird. Ein Eckpunktep­apier von Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) sieht dies aber bisher nicht vor. Doch Klingbeil sagt: „Wer arbeitet und etwas für die Gesellscha­ft leistet, muss eine Chance bekommen, in Deutschlan­d zu bleiben.“Für seine Partei wäre es ein wichtiger Erfolg im Ringen um die Ausrichtun­g der Flüchtling­spolitik. Auch deshalb hat Klingbeil Rückendeck­ung aus der Partei: „Deutschlan­d braucht dringend mehr Fachkräfte“, sagte am Sonntag Eva Högl, stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der Sozialdemo­kraten, unserer Zeitung. Also müsse Deutschlan­d einen klaren Weg aufzeigen, wie auch Fachkräfte aus dem Ausland gezielt und gesteuert zum Einsatz kommen könnten. „Und wir wären dumm, wenn wir nicht auch die Potenziale der Menschen nutzen würden, die bereits zu uns gekommen sind“, sagte Högl. „Deshalb sollen auch Geflüchtet­e eine Chance bekommen, wenn sie mit ihrer Tatkraft bereits zum wirtschaft­lichen Erfolg unseres Landes beitragen.“Das sei gut für viele tausend Unternehme­n, die händeringe­nd qualifizie­rte Fachkräfte suchen. Auch Burkhard Lischka, innenpolit­ischer Sprecher der SPDBundest­agsfraktio­n, springt seinem Parteifreu­nd bei. „Es ist volkswirts­chaftliche­r Unsinn, ausgerechn­et diejenigen abzuschieb­en, die einen festen Arbeits- und Ausbildung­splatz haben, als Fachkräfte in ihren Betrieben dringend gebraucht werden und für ihren Lebensunte­rhalt selbst aufkommen können.“Er rate stattdesse­n, sich bei allen Abschiebun­gen auf diejenigen zu konzentrie­ren, die hier straffälli­g werden und sich nicht an die Regeln halten.

Doch auch in der Union hat sich an der Haltung eben rein gar nichts geändert – sowohl CDU als auch CSU lehnen den „Spurwechse­l“von Migranten ab. „Wir dürfen nicht den Eindruck zulassen, man könne völlig unabhängig von der Asylentsch­eidung in Deutschlan­d bleiben“, sagte Stephan Harbarth, stellvertr­etender Vorsitzend­er der CDU/CSUBundest­agsfraktio­n und zuständig für Innenpolit­ik. „Das würde als Einladung zu weiterer Migration missversta­nden.“Das Reizthema kommt also nicht vom Tisch.

Mit Blick auf diese Turbulenze­n in der Koalition forderte der neue Unionsfrak­tionschef Ralph Brinkhaus (CDU) deshalb in der Passauer Neuen Presse: „Wir müssen aus dem Krisenmodu­s heraus, den Zusammenha­lt in der Koalition verbessern und einfach hart arbeiten, damit wir Fortschrit­te für die Menschen erzielen.“(mit dpa)

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