Mittelschwaebische Nachrichten

Insulin auf Knopfdruck

Diabetes Keine Spritzen mehr, kein Pen: Eine Pumpe kann Zuckerkran­ken das Leben erheblich erleichter­n

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Juliane Gericke trägt ein kleines Kästchen mit sich herum, jeden Tag, jede Nacht. Über einen dünnen Schlauch versorgt es ihren Körper mit einem lebenswich­tigen Hormon, das dieser selbst nicht mehr herstellt: Insulin. Seit sie neun Jahre alt ist, weiß sie von ihrem Diabetes Typ 1. Seit 25 Jahren hat sie eine Insulinpum­pe. „Mir erleichter­t die Pumpe das Leben erheblich“, sagt die Geschäftsf­ührerin der Patienteno­rganisatio­n Deutsche DiabetesHi­lfe – Menschen mit Diabetes. Diese Art der Therapie ist aber bei weitem nicht für jeden Diabetiker geeignet. Gleich mehrere Voraussetz­ungen müssen erfüllt sein.

In die Sprechstun­de von Prof. Norbert Stefan kommen immer wieder Diabetes-Patienten und fragen nach der Pumpe. Moderne Technik könne ihr Leben erleichter­n, meinen sie. Meistens muss der Diabetolog­e vom Institut für Diabetesfo­rschung und Metabolisc­he Erkrankung­en des Helmholtz Zentrums München diese Frage aber mit „Nein“beantworte­n. „Insulinpum­pen kommen nur für ganz bestimmte Patienten infrage.“

Mehr als 90 Prozent der Diabetiker in Deutschlan­d haben einen Diabetes Typ 2. Das heißt, ihre Körperzell­en sprechen nicht mehr so gut auf Insulin an, wodurch der Zuckerspie­gel im Blut erhöht ist. Sie benötigen meist keine Insulinthe­rapie – und folglich auch keine Pumpe. „Bei diesen Patienten ist zunächst wichtig, die Ernährung umzustelle­n und sie zu mehr Bewegung zu animieren“, sagt Stefan. Meist geht es ihnen allein dadurch schon wesentlich besser. Zusätzlich könnten für sie entspreche­nde Tabletten ausgewählt werden.

Bei Typ-1-Diabetiker­n wie Juliane Gericke sieht es anders aus. Ihr Körper stellt so gut wie gar kein Insulin mehr her. Sie müssen daher mit zwei verschiede­nen Insulinen versorgt werden. Meist spritzen sie täglich ein sogenannte­s Basalinsul­in, das den Grundbedar­f des Körpers deckt. Wollen sie etwas essen, müssen sie ihren Blutzucker messen, ausrechnen, wie viele Kohlenhydr­ate sie mit der Mahlzeit zu sich nehmen – und zudem noch schnell wirksames Insulin spritzen. Die meisten tun das mit einem InsulinPen. Für viele funktionie­rt diese intensivie­rte Insulinthe­rapie gut, sagt Stefan. Aber nicht für alle.

Bei manchen Patienten schießt der Blutzucker in den frühen Morgenstun­den extrem in die Höhe, sagt Jens Kröger. Sie müssten viel passgenaue­r mit Insulin versorgt werden, als dies mit dem Insulin-Pen möglich ist, erklärt der Vorstandsv­orsitzende der „Deutschen Diabetes-Hilfe – DiabetesDE“. „Insulinpum­pen sind für diese Patienten eine gute Lösung.“

Das gilt auch für Typ-1-Diabetiker, die immer wieder mit gefährlich­en Unterzucke­rungen zu kämpfen haben. „Für mich ist entscheide­nd, ob das individuel­le Therapiezi­el erreicht wird“, erläutert Kröger. „Ist das mit der intensivie­rten Insulinthe­rapie nicht der Fall, kommt eine Pumpe infrage.“

Einer der Hauptvorte­ile der Pumpe ist, dass die Abgabe des Insulins für die Basalrate – sozusagen der Grundstock an Insulin im Körper – genau gesteuert werden kann. Braucht jemand morgens etwas mehr Insulin, gibt die Pumpe zu dieser Zeit mehr ab. Gericke fährt gern Fahrrad. Dabei sinkt ihr Blutzucker­spiegel ganz von allein. Sie stellt die Pumpe dann so ein, dass sie währenddes­sen etwas weniger Insulin abgibt.

Zweiter großer Vorteil für Gericke: Wenn sie etwas isst und zusätzlich schnell wirksames Insulin braucht, muss sie nicht spritzen. Sie stellt einfach ein, wie viel Insulin die Pumpe zuschießen soll, und drückt dann auf einen Knopf. Auch beim Rechnen helfen Pumpen. So lassen sich bestimmte Parameter für die Berechnung des benötigten Insulins vorab eingeben.

Das klingt alles so, als nähme einem die Pumpe all die nervige Arbeit ab, die Diabetes mit sich bringt. Ganz so einfach ist es aber nicht. „Wie viele Broteinhei­ten meine nächste Mahlzeit enthält, muss ich immer noch selbst wissen“, sagt Gericke. „Es ist nicht so, dass man die Pumpe bekommt und die macht dann alles für einen.“

Bei der Frage, ob eine Pumpe geeignet ist, zählt für Norbert Stefan deshalb auch die Zuverlässi­gkeit des Patienten. „Insulinpum­pen sind Waffen“, sagt er. Wer sie trägt, muss mit ihnen umgehen können. Knickt beispielsw­eise der dünne Schlauch ab, der die Pumpe mit der Nadel im Körper verbindet, fließt kein Insulin mehr. „Obwohl die Pumpen dann piepsen, bekommen manche Patienten das nicht mit.“Eine kritische Situation. „Der Blutzucker kann binnen kurzer Zeit sehr hohe Werte erreichen.“

Neben Aufmerksam­keit ist auch wichtig, dass sich Pumpenträg­er sehr gut mit ihrer Krankheit auskennen. Jede Maschine ist schließlic­h nur so schlau wie derjenige, der sie bedient. Teresa Nauber, dpa

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