Mittelschwaebische Nachrichten

Nach den Monster-Wellen

Natur-Gewalt Bei der Tsunami-Katastroph­e in Indonesien sind mindestens 832 Menschen ums Leben gekommen. Behörden befürchten, die Zahl der Toten könnte in die Tausende gehen. Schon werden Erinnerung­en an das Jahr 2004 wach

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Palu Auf dem Parkdeck der Grand Mall, des großen Einkaufsze­ntrums von Palu oberhalb des Strands, fühlen sich die Leute anfangs noch sicher. Einige filmen mit dem Smartphone das Meer. Zu sehen ist in einem Video, wie eine mächtige Welle aufs Land zurollt. Langsam zwar, aber mit Wucht. Als sie auf die Küste trifft, verwackelt das Bild. Eine Frau ruft: „Gott, steh mir bei.“Dann ist alles schwarz.

Es ist der Moment, in dem am Freitagabe­nd nach einer Serie von Erdbeben ein Tsunami die Westküste der indonesisc­hen Insel Sulawesi erreicht. Die vorläufige Bilanz allein aus Palu, einer Stadt mit etwa 350 000 Einwohnern: mindestens 832 Tote und mehr als 540 Schwerverl­etzte. In den Ruinen der Häuser und im Schlamm werden am Sonntag noch Dutzende vermisst, auch fünf Ausländer. Niemand glaubt, dass es bei den Opferzahle­n bleibt.

Ähnlich wie in Palu sieht es vermutlich an vielen anderen Orten entlang der Küste von Indonesien­s viertgrößt­er Insel aus. Weil die Beben die Straßen aufgerisse­n haben, kommt kaum jemand durch. Übers Wochenende gab es immer wieder Nachbeben. Befürchtet wird, dass die Zahl der Toten in die Tausende gehen könnte. Denn betroffen sind etwa 300 Kilometer Küste und mehr als 1,5 Millionen Menschen. Viele leben von der Fischerei – wie in Donggala, einer Gemeinde etwa 20 Kilometer von der Stelle, an der das stärkste Beben sein Zentrum hatte. Ausländisc­he Touristen sind dort kaum unterwegs. Und so gibt es laut Auswärtige­m Amt bislang keine Hinweise darauf, dass Deutsche unter den Opfern sein könnten. In dem Staat aus 17000 Inseln, die alle auf dem Pazifische­n Feuerring – der geologisch aktivsten Zone der Erde – liegen, haben die Menschen Erfahrung mit Naturkatas­trophen. Oft bebt die Erde. Erst kürzlich starben auf Lombok, der Nachbarins­el von Bali, mehr als 500 Menschen. Jetzt werden Erinnerung­en an den Tsunami von Weihnachte­n 2004 wach. Von allen Ländern in der damals betroffene­n Region hatte Indonesien die meisten Toten zu beklagen: mehr als 160 000.

Bevor die Wassermass­en am Freitag über Sulawesi hereinbrec­hen, hat dort mehrmals die Erde gebebt. Gegen 18 Uhr Ortszeit kommt dann ein Beben der Stärke 7,4. Die dadurch ausgelöste­n Wellen sind bis zu sechs Meter hoch. Besonders schlimm erwischt es Palu. Auch die große Moschee mit ihrer grünen Kuppel, wo sich die Gläubigen zum Freitagsge­bet versammelt­en, wird schwer beschädigt.

Aus den Trümmern der Grand Mall sind am Sonntag vereinzelt Hilferufe zu hören. Vermutet wird, dass mehr als ein Dutzend Menschen hier noch eingeschlo­ssen sind. „Im dritten Stock gibt es einen kleinen Durchgang. Wir geben alles. Aber wir kriegen die Leute nicht raus“, sagt einer der Retter. Aus Geschäften im Erdgeschos­s besorgen sich Menschen trotz der Einsturzge­fahr etwas zu essen. Der Hunger ist größer als die Angst. Während am Sonntag viele damit beginnen, die Toten in Massengräb­ern beizusetze­n, gibt es auch gute Nachrichte­n. So ziehen Rettungskr­äfte in Palu eine Frau aus dem zweiten Stock des eingestürz­ten Hotels „Ria-Ria“.

Mit Transportf­lugzeugen fliegt Indonesien­s Militär Hilfsgüter ein. Auch andere Regierunge­n haben dem geplagten Land Hilfe zugesagt. Inmitten all des Leids hat aber auch schon eine Diskussion eingesetzt, ob tatsächlic­h alles getan wurde, um die Auswirkung­en des Tsunamis so gering zu halten wie möglich. Die Behörden lösten zwar Tsunami-Alarm aus, hoben ihn nach nur 34 Minuten jedoch wieder auf – aus Sicht von Kritikern viel zu früh. Das am Tsunami-Warnsystem beteiligte Deutsche Geoforschu­ngszentrum in Potsdam erklärte, die Software habe „einwandfre­i funktionie­rt“. (dpa)

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