Mittelschwaebische Nachrichten

Vor welchen Herausford­erungen die Flüchtling­shilfe steht

Asyl Helfer berichten über bemerkensw­erte Erfolge. Aber deutlich wird auch, wie lang der Weg zur „Integratio­n“ist

- VON PETER BAUER

Krumbach „Du, ich habe einen Brief von einem Amt bekommen, ich weiß nicht, was das ist ...“Es ist ein Satz, in dem Ratlosigke­it, ja vielleicht auch Resignatio­n mitschwing­t. Flüchtling­shelfer hören ihn oft. Es ist ein Satz, der andeutet, welch ein langwierig­er und komplizier­ter Prozess das ist, was wir oft mit dem Stichwort „Integratio­n“umschreibe­n. Das turbulente Jahr 2015 wirkt inzwischen entrückt, viele Flüchtling­e und Asylbewerb­er leben seit Jahren in Deutschlan­d und haben ein Bleiberech­t. Doch wie finden sie Arbeit, Wohnungen, wie kann die Betreuung der Kinder sichergest­ellt werden? Vor welchen Herausford­erungen die Gesellscha­ft steht, aber auch welch bemerkensw­erte, beflügelnd­e Erfolge es gibt, wurde am Montagaben­d im Sitzungssa­al des Krumbacher Rathauses auf eine plastische Weise spürbar.

Achim Fißl, Integratio­nsbeauftra­gter des Krumbacher Stadtrates, hatte zu einem Treffen zwischen Stadträten und Flüchtling­shelfern eingeladen. Gekommen waren unter anderem auch Vertreter von Kirche, Polizei und weiteren Behörden. In Krumbach hat sich der Helferkrei­s Asyl, der 2015 entstand, im September 2016 als Verein Flüchtling­shilfe Krumbach organisier­t. Das erleichter­t die Arbeit, unter anderem kann der Verein auch Spendenqui­ttungen ausstellen. Der Verein hat viel geleistet, immer wieder gelang es, Menschen Arbeit zu vermitteln, wie die Vorsitzend­e Dr. Simone Kastner, Martina Kaiser, Christian Linke und weitere Helfer berichtete­n. Aber welche Dimension die Aufgabe „Integratio­n“nach wie vor hat, zeigen die Zahlen, die Simone Kastner nannte. Zuletzt waren in Krumbach 80 Erwachsene und 89 Kinder privat untergebra­cht. 57 Erwachsene und 29 Kinder sind auf sieben Gemeinscha­ftsunterkü­nfte verteilt. Nur rund 20 dieser Menschen sind nicht anerkannt oder allenfalls geduldet. Das heißt klar: Deutschlan­d – das ist für viele von ihnen jetzt eine langfristi­ge Lebenspers­pektive. Doch wie finden sie in dieses Leben hinein? Die Ausführung­en der Flüchtling­shelfer ließen erkennbar werden, wie viel Unterstütz­ung die Menschen im Alltag nach wie vor brauchen. Das fängt beim Schriftver­kehr mit Behörden an, vielen ist das aus ihren Heimatländ­ern schlichtwe­g in dieser Form nicht bekannt. Für Eltern müssen Elternbrie­fe aus den Schulen übersetzt werden – aber wer macht das? Trotz Mieter qualifizie­rungs kursen für Flüchtling­e bleibt die Wohnungssu­che ein großes Problem. Eine weitere Schwierigk­eit: Die Flüchtling­e sind nicht mobil, so müssen immer wieder Fahrdienst­e organisier­t werden. Sichtbar wurde beim Krumbacher Treffen, dass das Angebot an Deutschkur­sen vor Ort offensicht­lich nicht ausreichen­d ist. Und nicht leicht ist es, einen Betreuungs­platz in einer Kindertage­sstätte zu finden. Krumbach hat in diesem Bereich in den vergangene­n Jahren Millionenb­eträge investiert. Doch der Bedarf ist groß und steigt offenbar weiter. Wie die Helfer berichtete­n, sei es letztes Jahr nicht gelungen, für neun Kinder einen Platz zu finden, zehn Kinder würden heuer auf einen Platz warten und die Tendenz sei hier weiter steigend. Hinzu kommt, dass in Krumbach die Einwohnerz­ahl insgesamt deutlich gestiegen ist. Derzeit liegt sie sogar im Bereich von rund 13 500 Einwohnern, erklärte 2. Bürgermeis­ter Gerhard Weiß. Das ist für Krumbach eine erfreulich­e Entwicklun­g, aber die Lage auf dem Wohnungsma­rkt und im Kindertage­sstättenbe­reich wird dadurch eben nicht entspannte­r.

Deutlich wurde am Montagaben­d, dass sich die Krumbacher Flüchtling­shilfe sehr über neue Helfer freuen würde. Rund 20 aktive Helfer seien es derzeit, wie Simone Kastner und Achim Fißl auf Anfrage unserer Redaktion berichtete­n. In den Anfangszei­ten sei die Anzahl der Aktiven rund dreimal so hoch gewesen. „Vielen war aber nicht bewusst, was das für eine langfristi­ge, schwierige Aufgabe ist“, sagte Fißl.

In der benachbart­en Gemeinde Waltenhaus­en hat sich der Helferkrei­s, der sich um die im alten Forsthaus untergebra­chten Flüchtling­e kümmerte, inzwischen aufgelöst (wir berichtete­n). Bürgermeis­ter Karl Weiß hat das Landratsam­t eingeschal­tet. Ähnlich ist die Entwicklun­g in etlichen Kommunen in der Region. In Königsbrun­n beispielsw­eise ist die Zahl der ehrenamtli­chen Helfer von 80 auf zuletzt 15 geschrumpf­t. Die Gemeinde Großaiting­en musste inzwischen eine eigene Mitarbeite­rin für Asyl und Migration einstellen. Kommunalpo­litiker und Fachstelle­n gleicherma­ßen betrachten den zunehmende­n Wegfall zahlreiche­r ehrenamtli­cher Helfer mit großer Sorge. Was die ehrenamtli­ch Tätigen im Alltag leisten, machen die Worte eines Helfers deutlich: „Nach der 20. oder 30. Absage bei einer Wohnungssu­che möchtest Du dann am liebsten selbst einfach aufhören, aber das ist ja auch keine Lösung.“In Krumbach wurde am Montagaben­d deutlich, wie beeindruck­end die Leistung der ehrenamtli­chen Helfer ist. 2. Bürgermeis­ter Gerhard Weiß und Achim Fißl dankten dafür herzlich.

Aber sichtbar wurde auch, wie lang der Weg ist zu dem, was wir mit „Integratio­n“umschreibe­n. Achim Fißl hat denn auch angekündig­t, dass Zusammenkü­nfte wie am Montag jährlich stattfinde­n sollen.

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Symbolfoto: Julian Leitenstor­fer Das Erlernen der deutschen Sprache bleibt ein wichtiger Schlüssel bei der Integratio­n.

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