Mittelschwaebische Nachrichten
„Immer salonfähig“
Trachtenmode Eine Spezialistin erklärt, warum Dirndl und Lederhose so hoch im Kurs stehen, was sie und ihren Mann dazu bewogen hat, ein Geschäft zu eröffnen und wieso Günzburgs Oberbürgermeister staunte
Leipheim Eines war Corinna Nußbaumer klar: Nie mehr in ihrem Leben würde sie ein Dirndl anziehen. Das musste sie als Kind immer – und dabei die Sachen der älteren Geschwister auftragen. Jetzt betreibt sie, Jahrgang 1962, mit ihrem Mann Bernhard in Leipheim ein Trachtengeschäft. „Meine verstorbene Mutter würde sich scheps lachen“, sagt die Frau, die in dem kleinen Ort Jedelhausen im Nachbarlandkreis Neu-ulm aufgewachsen ist.
Den Ausschlag, Trachtenmode zu verkaufen, gab die Hochzeit des Paares im Jahr 2012. Er wollte in der Lederhose heiraten. Die gelernte Schneiderin brachte deshalb ihr von der Hauskatze beschädigtes Dirndl in Ordnung – und die Liebe zur Trachtenmode war wieder erwacht.
Corinna Nußbaumer schneiderte und nähte individuelle Stücke, bot sie über Facebook an – und manchmal wunderte sie sich selbst, wie schnell das Dirndl eine Abnehmerin gefunden hatte. Kundinnen wiesen immer mal wieder darauf hin, dass die bessere Hälfte auch eine gescheite Lederhose brauche. Und irgendwann reifte die Erkenntnis bei der Schneiderin: „Ich brauche einen Trachtenladen. Aus diesem Spaß wurde dann irgendwann Ernst.“
Ihr Gewerbe meldeten die beiden Anfang 2013 an, wobei der Ehemann der Geschäftsinhaber ist. Doch die Immobilie, die dafür angemietet werden sollte, stand nicht so schnell wie geplant zur Verfügung. Die Ware war aber bereits bestellt und geliefert. So diente das Wohnzimmer der privaten Maisonettewohnung in Günzburg als erstes Geschäft. Und dort, wo es wendeltreppenartig nach oben ging, wurde darunter ein Paravent zum Umziehen aufgestellt. Die Anfänge waren einigermaßen vogelwild, was auch Oberbürgermeister Gerhard Jauernig mitbekam, dessen Frau sich ein Dirndl anfertigen ließ. „Als er sah, auf welch engem Raum wir das alles bewerkstelligen, blieben – glaube ich – seine Gesichtszüge kurz stehen“, sagt Corinna Nußbaumer und lacht.
Das erste Außer-haus-geschäft in Günzburg wurde im April 2014 in Günzburg eröffnet. Bereits einige Monate danach wurde den beiden Geschäftsleuten bewusst – Bernhard Nußbaumer arbeitet hauptberuflich in einem Industriebetrieb in Bellenberg (Landkreis Neu-ulm): Die ungefähr 50 Meter Verkaufsfläche reichen beim besten Willen nicht. Und so folgte vor gut dreieinhalb Jahren der Umzug nach Leipheim in die Günzburger Straße. Nur: mit den nun 110 Quadratmetern, in der die Trachtenmode – im vorderen Bereich für Frauen und Kinder, im hinteren Bereich für Männer – präsentiert wird, kommen die Nußbaumers nicht mehr so recht hin. Deshalb sind sie bereits wieder auf der Suche nach einem noch größeren Laden. „In der Umgebung wollen wir auf jeden Fall bleiben“, sagt Corinna Nußbaumer.
Die Expansion des Geschäfts geht einher mit einer Mode, die längst mehr ist als nur eine Modeerscheinung: Tracht ist nicht nur auf dem Günzburger Volksfest oder der Münchner Wiesn in. Den Vorzug dieser aus ihrer Sicht „flexibelsten Kleidung überhaupt“erklärt die Trachtenspezialistin folgendermaßen: Alte und Junge, Dicke und Dünne sehen darin gleichermaßen gut aus. Außerdem: „Mit einer Tracht ist man perfekt angezogen und immer salonfähig.“
Wichtig sei gutes Material, für das die fünf Hauptlieferanten der Trachtenstube Nußbaumer – einer aus der Nähe von Stuttgart, die anderen allesamt aus Bayern – stehen. Hosen aus Rinderleder werden in Leipheim nur in Kindergrößen verkauft. Diese Lederhosen sind deshalb günstiger, weil die Rinderhaut bei der Gerbung horizontal in zwei oder drei Lagen getrennt wird. Das Spaltleder hat nicht die Festigkeitswerte wie etwa Ziegenleder, sagt Corinna Nußbaumer. Bei Kindern, die eh bald eine andere Kleidergröße benötigten, sei der Bezug von Preis und Qualität ein guter Kompromiss. Lederhosen für Männer, die zwischen 170 und 360 Euro verkauft würden, werden nur in Ziegenleder angeboten – im Gegensatz zu Hirschleder. „Das ist der Mercedes unter den Ledern. Da müsste man für eine kurze Lederhose um die 850 Euro bezahlen. Aber das bieten wir nicht an.“
Für ein Dirndl werden zwischen 120 und 380 Euro verlangt. Damit ist es oft nicht getan. Denn die Bluse, die passende Kette zum Dirndl, eine warme Jacke und eine Handtasche machen das „Trachtenpaket“komplett. Bei den Männern sind es beispielsweise das Hemd, das Gilet, das Charivari (Schmuckkette am Trachtenanzug) die Socken, die Haferlschuhe. Bei den Schuhen ist Corinna Nußbaumer großzügig. Wegen ihr dürften es auch Sneakers sein – Hauptsache bequem. „Ich weiß: In München wäre das ein Nogo, aber wir sind hier ja Randgebiet.“Streng traditionell sei die Tracht ohnehin nicht mehr, was die Händlerin nicht als Nachteil verstehen will. „Die Trachtenmode ist alltagstauglich geworden.“
Weniger kompromissbereit ist sie bei der Beratung. Eine Lage Bestimmtheit mehr legt sie in ihre Stimme, wenn Mütter mit ihren Töchtern in den Laden kämen und bestimmen wollten, was für den Nachwuchs passe. „Es muss denen gefallen, die das Dirndl tragen.“