Mittelschwaebische Nachrichten
Wo sieht Kettershausen die neue Mitte?
Pläne Es gibt zwei Optionen: im Anwesen Ilg oder in der stillgelegten Gemeindehalle. Bürger konnten sich selbst einen Eindruck verschaffen
Das Rathaus könnte in den Stadel einziehen
Kettershausen Beim „Tag der offenen Tür“, den die Gemeinde Kettershausen im Anwesen Ilg und in der Gemeindehalle veranstaltete, haben sich Eingänge aufgetan, die der Öffentlichkeit für üblich verschlossen sind – manche seit Jahrzehnten. „Nutzen Sie die Möglichkeit, sich Eindrücke zu verschaffen“, riet Bürgermeisterin Susanne Scheweztky den Besuchern. Gut 50 Bürger ergriffen diese Chance bei drei zeitlich versetzten Besichtigungsterminen.
Wie berichtet, wird in der Gemeinde derzeit diskutiert, ob das Anwesen Ilg zur neuen Ortsmitte von Kettershausen werden soll – oder ob sich die Planer lieber der sanierungsbedürftigen Gemeindehalle annehmen sollten. „Das Anwesen Ilg mit seinem Hauptgebäude und dem Stadel stellt ein Denkmalensemble dar“, informierte Planer Wilhelm Daurer, der mit seiner Kollegin Miriam Voit durch die Gebäude führte. Diese seien nach wie vor in Privatbesitz. Der Stadel mit Fachwerkkonstruktion wurde laut Voit im Jahr 1802 gebaut. Eine bereits erstellte Machbarkeitsstudie hatte ergeben, dass das Erdgeschoss das Rathaus beherbergen könnte – samt Sitzungssaal, Trauzimmer sowie Räume für Bürgermeister, Sekretariat und Registratur.
In den 1990er-jahren sollte der Stadel in ein Wohnhaus umgebaut werden. Die Arbeiten hatten bereits begonnen, wurden aber wieder eingestellt. Die Besucher entdeckten bei der Führung jedoch noch Relikte: die dafür neu eingezogenen Wände. Überraschend groß und geräumig präsentierte sich das Obergeschoss des Stadels. „So viel Platz habe ich gar nicht erwartet“, sagte eine Besucherin. Voit erklärte, dass dort ein Saal für 130 bis 140 Personen eingerichtet werden könnte. Die Studie sieht eine bis zur Dachspitze offene und somit bis zu fünf Meter hohe Saalbauweise vor. Und so war der Besuch im Stadel begleitet von Visionen, wie es dort in der Zukunft einmal aussehen könnte.
Die Führung durch das Hauptgebäude dagegen glich einem Ausflug in die Vergangenheit. Rund 50 Jahre ist es her, dass dort eine Gastwirtschaft betrieben wurde. „Als Kind habe ich hier immer im Krug das Bier geholt“, erinnerte sich ein Senior. Das sei gut 70 Jahre her. Die Vorrichtung für die Glocke, die er dabei läuten musste, gibt es noch heute. Ebenso den Türladen, durch den der Krug gereicht wurde.
Beim Betreten der einstigen Gaststube holte die Vergangenheit die Besucher dann endgültig ein: Die Gruppen fanden sich in einem Original-raum wieder, mit dunkler Holzverkleidung an den Wänden und ebenfalls dunkler und vergleichsweise niedriger Kassettendecke. Letztere ordnete Voit dem Späthistorismus (spätes 19. Jahrhundert) zu, die Tür des Gastraums dem Jugendstil (um 1900). Melanie Krafft von Dellmensingen wohnt in Kettershausen zwar gleich gegenüber dem Anwesen Ilg – trotzdem sehe sie die Gaststube an diesem Tag zum ersten Mal, sagte sie. Der Raum habe Charakter, sei Teil der Geschichte und zeuge von der „einst bäuerlichen Lebensart“. Als „authentisch“und „erhaltenswert“, stufte Krafft von Dellmensingen die Räumlichkeit ein.
Das ehemalige Gasthaus hatte für die Besucher aber noch mehr zu bieten: das uralte Holz im südlichen Bereich des Dachstuhls. Durch eine Analyse wurde das Fälldatum ermittelt: Winter 1516/17. Es ist somit 501 Jahre alt. Der Dachstuhl sei eine wertvolle Rarität, so Voit.
Die letzte Etappe der Besichtigung führte in die Gemeindehalle. Weil das in den 1930er-jahren errichtete Gebäude eine Sanierung benötigt, wurde es vor etwa sieben Jahren für öffentliche Veranstaltungen geschlossen. Obwohl der Saal, der für 200 Personen ausgelegt ist, nach den Eindrücken im Gasthof Ilg eher nüchtern wirkte, wurden auch dort Erinnerungen bei den Kettershausern wach. Schlagerpartys, Oktoberfeste und Faschingsfeten seien hier gefeiert worden, erzählte etwa Gemeinderätin Marianne Rugel. Die Halle, in der heute die Stühle auf den Tischen abgelegt verharren, sei voller Leben gewesen.
Abschließend fand eine kurze Gesprächsrunde statt, um die Meinungen der Teilnehmer zu sammeln. Einer beurteilte die Lage des Anwesens Ilg an der B300 und an einer unübersichtlichen Kurve als nicht geeignet für ein Ortzentrum. Franz Raffler sagte: „Für eine Entscheidung braucht es vergleichbare Zahlen.“Dem stimmte Zweiter Bürgermeister Markus Koneberg zu.planer Wilhelm Daurer informierte, dass die Kosten nun im Herbst ermittelt werden sollen.