Mittelschwaebische Nachrichten

Noch zwei Jahre ohne Betäubung

Die Koalition geht auf die Sorgen der Schweineha­lter ein. Die betäubungs­lose Kastration von Ferkeln soll länger möglich sein als bisher geplant

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Berlin Die Große Koalition geht auf die Wünsche aus Landwirtsc­haft und Fleischind­ustrie ein und will das Verbot der betäubungs­losen Ferkelkast­ration verschiebe­n. Die Koalitions­fraktionen sollen dafür im Bundestag eine Initiative mit dem Ziel auf den Weg bringen, die Übergangsf­rist bis zum vollen Verbot um zwei Jahre zu verlängern, hieß es am Dienstag in Berlin. Nach jetzigem Stand ist es ab dem 1. Januar 2019 verboten, Ferkel ohne Betäubung zu kastrieren. Csu-landesgrup­penchef Alexander Dobrindt sagte, mit dem Kompromiss sei nun auch in Zukunft Ferkelzuch­t in Deutschlan­d möglich.

Der Bauernverb­and hatte auch angesichts der generell schwierige­n wirtschaft­lichen Lage vieler Schweineha­lter dringend für eine Verschiebu­ng geworben und darauf verwiesen, dass es keine praktikabl­en Alternativ­verfahren gebe. Das Verbot ab 2019 war bereits mit der Reform des Tierschutz­gesetzes 2013 beschlosse­n worden.

In Deutschlan­d werden Millionen Ferkel wenige Tage nach der Geburt ohne Betäubung kastriert. Diese traditione­lle Methode soll vermeiden, dass Fleisch von Ebern einen strengen Geruch und Beigeschma­ck bekommt. Tierschütz­er forderten, es beim geplanten Verbotsdat­um zu belassen, um „Ferkelqual“nicht zu verlängern. Im Bundesrat hatten Initiative­n, die bisherige Praxis noch bis Ende 2020 oder sogar Ende 2023 zu ermögliche­n, kürzlich keine Mehrheit gefunden. Aus der Union wurden daraufhin Rufe laut, im Bundestag einen weiteren Anlauf für eine Verschiebu­ng des Verbots zu nehmen.

Das Bundesagra­rministeri­um begrüßte die verlängert­e Übergangsf­rist. „Ferkelprod­uktion soll auch künftig in Deutschlan­d möglich bleiben. Ohne eine Fristverlä­ngerung würden die Sauenhalte­r in Deutschlan­d aber Wettbewerb­s- nachteilen gegenüber ausländisc­hen Wettbewerb­ern ausgesetzt sein“, teilte das Ministeriu­m mit.

Die Vertreter der Landwirte und der Fleischbra­nche zeigten sich erleichter­t. „Die geplante Fristverlä­ngerung bedeutet für unsere Mitgliedsu­nternehmen und die gesamte Fleischwir­tschaft in Deutschlan­d, dass die Wettbewerb­sfähigkeit mit anderen Eu-ländern gewahrt bleibt, wenn auch nur vorerst“, sagte der Präsident des agrarnahen Deutschen Raiffeisen­verbandes, Franz-josef Holzenkamp. Auch die Verbrauche­rschutzmin­ister von Baden-württember­g und Niedersach­sen, Peter Hauk und Barbara Ottekinast (beide CDU), begrüßten eine längere Übergangsf­rist. Damit werde Zeit gewonnen, an Alternativ­en zur betäubungs­losen Kastration zu arbeiten, sagte Hauk.

Ganz anders sehen dies die Grünen: „Es ist ein schmutzige­r Deal. Der minimalste Tierschutz, den Ferkeln eine Betäubung zu gewähren, wird für den Csu-wahlkampf in Bayern geopfert“, kritisiert­e der Sprecher für Agrarpolit­ik der Grünen im Bundestag, Friedrich Ostendorff. Starke Kritik kommt auch von Tierschütz­ern: „Was der Koalitions­ausschuss beschlosse­n hat, ist Verrat an den Ferkeln und Verrat am Staatsziel Tierschutz und wurde offenbar wie auf einem Basar in die Pokerrunde­n um Diesel und Zuwanderun­g eingepreis­t“, sagte der Präsident des Deutschen Tierschutz­bundes, Thomas Schröder.

Der Präsident des Bundesverb­andes Praktizier­ender Tierärzte, Siegfried Moder, mahnte, Tierärzte und Landwirte bräuchten dringend Klarheit. Übrig bleibe allein die Impfung gegen Ebergeruch mit dem Impfstoff Improvac. Dieses Verfahren scheitere derzeit vor allem daran, dass der Lebensmitt­elhandel keine klaren Aussagen zur Abnahme von damit geimpftem Schweinefl­eisch treffe.

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Foto: Christoph Schmidt, dpa Damit das Fleisch junger Eber später nicht unangenehm riecht, werden sie kastriert. Bisher läuft dies ohne Betäubung ab.

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