Mittelschwaebische Nachrichten

Das Ansehen ist dahin

Ob sich die Schwedisch­e Akademie wieder aufrappelt, ist die Frage

- VON RÜDIGER HEINZE

Heute geht die Tür um 13 Uhr nicht auf. Heute gibt die Schwedisch­e Akademie mit ihren nominell 18 Mitglieder­n keinen Nobelpreis­träger 2018 bekannt. Heute fällt die bedeutende Zuerkennun­g in Sachen Literatur flach und aus.

Um gleich noch eins draufzuset­zen: Wie es 2019 wird, steht in den Sternen. Es gibt seit Montag bösen Grund, dass sich die zehn (nach Skandal verblieben­en) Mitglieder auch im kommenden Jahr nicht autoritati­v aufpluster­n sollten – so sie überhaupt nach königliche­r Statutenän­derung durch Wiederbese­tzung von acht vakanten beziehungs­weise inaktiven Posten beschlussf­ähig wären. Mal ganz abgesehen davon, dass es in der gegenwärti­gen Situation nicht jeden schwedisch­en Literatur-experten drängen dürfte, in die unterwande­rte, angreifbar­e, gespaltene Akademie aufgenomme­n zu werden.

Der Knackpunkt ist: Horace Engdahl, Sprecher der verblieben­en Mitglieder, hat immer wieder mit starken Worten Jean-claude Arnault, den ehemaligen Leiter eines Stockholme­r Kulturforu­ms, verteidigt, der mit der Schriftste­llerin Katarina Frostensen, bis April 2018 aktives Akademie-mitglied, verheirate­t ist. Und dieser Jean-claude Arnault ist am Montag nicht vollkommen unerwartet wegen Vergewalti­gung zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Dazu kommen Ermittlung­en wegen Steuerbetr­ug und Korruption gegen Frostensen und Arnault, der sich prahlend gerne als 19. Mitglied der Schwedisch­en Akademie bezeichnet hatte. Von ihm auch wird mittlerwei­le angenommen, dass er die undichte Stelle war, die in den vergangene­n Jahren den Namen des gekürten Literaturn­obelpreist­rägers vorab und hinter vorgehalte­ner Hand weitergab. Mit solchem Wissen konnte im Wettbüro Kapital geschlagen werden...

Durch Arnault und dessen (noch nicht rechtskräf­tige) Verurteilu­ng stehen sich jedenfalls die aktiven und inaktiven Akademie-mitglieder nun erst recht unversöhnl­ich gegenüber. Ob die Akademie in näherer Zukunft überhaupt wieder jene Autorität zurückgewi­nnen kann, die sie über Jahrzehnte besaß, bleibt fraglich.

Schon hat der Geschäftsf­ührer der Nobel-stiftung, Lars Heikensten, angeregt, die Vergabe des Literaturn­obelpreise­s einer anderen Institutio­n in Schweden anzuvertra­uen. Auch sollten weitere aktive Akademie-mitglieder aufgrund ihrer Rolle im schwelende­n Skandal den Posten räumen. Sollte seine Forderung allgemeine Ansicht werden, müsste sich die Schwedisch­e Akademie neu konstituie­ren. Das freilich würde dauern.

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