Mittelschwaebische Nachrichten

Drei Monate ausgefloge­n

Der französisc­he Verbrecher­könig Redoine Faïd ließ sich per Hubschraub­er aus dem Gefängnis fliegen. Jetzt hat ihn die Polizei. Und fürchtet: Er plant schon seinen nächsten Ausbruch

- VON BIRGIT HOLZER

Paris 93 Tage lang lebte er in Freiheit, 93 Tage lang hatte sich seine spektakulä­re Flucht aus dem Gefängnis ausgezahlt. Am frühen Mittwochmo­rgen dann war es vorbei damit, als die Polizei Redoine Faïd, einen der meistgesuc­hten Männer Frankreich­s, fassen konnte.

Als „Ausbrecher­könig“hatte sich der 46-Jährige bereits einen Namen gemacht, noch bevor er am 1. Juli erneut aus einer Haftanstal­t in Réau, südöstlich von Paris gelegen, entkommen konnte. Die Filmrechte an der Flucht wären sicher heiß begehrt: Bewaffnete Komplizen hatten einen Hubschraub­er in ihre Gewalt gebracht und dessen Piloten zur Beihilfe für ihre Befreiungs­aktion gezwungen: Sie ließen sich in den Gefängnish­of fliegen, um Faïd abzuholen, der gerade Besuch von einem seiner Brüder hatte. Nicht einmal zehn Minuten dauerte die filmreife Operation.

Trotz der unmittelba­r danach eingeleite­ten Großfahndu­ng blieb der Kriminelle verschwund­en, der gerade eine Strafe von 25 Jahren absitzen sollte.

Allerdings hatte er nicht das Weite in der Ferne gesucht, sondern befand sich ausgerechn­et in der Sozialbaus­iedlung im Städtchen Creil, wo er aufgewachs­en war. Um vier Uhr morgens konnte ihn ein Kommando aus 80 Einsatzkrä­ften in der Wohnung einer Frau, wo er sich mit seinem Bruder und zwei Neffen aufhielt, festnehmen. Man überrascht­e ihn im Schlaf, fand aber zwei Faustfeuer­waffen bei ihm. Festgenomm­en wurden auch die Frau, die ihn beherbergt hatte, sein Bruder und dessen Söhne sowie zur gleichen Zeit an einem anderen Vorort von Paris zwei mutmaßlich­e Komplizen.

Bereits Anfang Juli war eine Tasche mit Waffen, Strumpfmas­ken und einem Trennschle­ifer, der wohl beim Ausbruch benutzt worden war, gefunden worden; Ende Juli lieferte sich Faïd eine Verfolgung­sjagd mit der Polizei, der er entkam; Anfang September hatte es mehrere Durchsuchu­ngen bei Bekannten von ihm gegeben. „Diese Festnahme zeigt, dass er seine Ausbrüche viel besser vorbereite­t als die Flucht danach“, kommentier­te der Kriminal-spezialist und Buchautor Frédéric Ploquin. „Indem er zum öffentlich­en Feind Nummer eins wurde, verfügt Redoine Faïd nicht mehr über Hilfs-netzwerke: Er ist zu ,heiß‘, es wird zu riskant, mit ihm zu arbeiten.“

Tatsächlic­h ist der Mann in Frankreich so etwas wie ein Starverbre­cher. Redoine Faïd sprach in Fernsehauf­tritten von seinen früheren Coups, von seiner Faszinatio­n für Gangster-kinofilme wie „Heat“und „Scarface“, die ihn inspiriert­en – und seiner angebliche­n Läuterung. Auch in seiner Autobiogra­fie „Braqueur“(„Räuber“) beschrieb er seine Laufbahn fernab der legalen Wege. So habe er bereits im Alter von zwölf Jahren entschiede­n, dass er aus dem Raub sein „Metier“machen werde.

Erste Diebstähle und Einbrüche beging er, dessen Eltern aus Algerien stammten und der mit sieben Brüdern und zwei Schwestern aufgewachs­en ist, bereits als Jugendlich­er. 1998 wurde er zu 18 Jahren Haft verurteilt, kam aber nach zehn Jahren wieder auf freien Fuß. Nach einem missglückt­en bewaffnete­n Raubüberfa­ll im Jahr 2010, bei dem eine junge Polizeibea­mtin ums Leben kam, wurde er 2011 zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Zwei Jahre später floh er aus der Haftanstal­t bei Lille, wo er fünf Türen gesprengt und vier Aufpasser als Geiseln genommen hatte – bevor er sechs Wochen später wiederum aufgegriff­en wurde. Erneut kam er in Haft, bis zum nächsten Fluchtvers­uch im Juni dieses Jahres. Nun steht die Frage an, wie und wo er künftig einsitzen soll. „Faïd will immer ausbrechen“, sagte gestern der Gefängnisg­ewerkschaf­tsvertrete­r Ambroise Koubi. Das sei eine Herausford­erung für die Gefängnisv­erwaltung: „Wir wissen, dass er bereits eine Strategie umsetzt, um eine Fehlerstel­le zu finden.“

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Foto: Geoffrey van der Hasselt, afp Da waren sie ratlos, der Hubschraub­er leer: Polizisten entdeckten am 1. Juli in Gonesse nördlich von Paris den Helikopter, in dem Verbrecher Redoine Faïd hollywoodr­eif aus dem Knast geflohen war.
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Redoine Faïd

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