Mittelschwaebische Nachrichten

Die ersten Risse?

Das Unentschie­den gegen Amsterdam zeigt, wie zerbrechli­ch die Stimmung im Luxus-kader ist. Niko Kovac sucht nach Lösungen – weiß aber nicht, wie sie ausschauen sollen

- VON TILMANN MEHL

München Wenn Auswechslu­ngen zu den spannender­en Momenten eines Spiels zählen, befindet sich der FC Bayern mal wieder in einer Phase höherer Anspannung. So richteten sich rund 70000 Augenpaare in der 62. Minute gen Mittellini­e. Der Kolumbiane­r James machte sich bereit, das Feld zu betreten. Er sollte das schlingern­de Spiel seiner Mannschaft begradigen. Vorerst galt die Konzentrat­ion aber jenem Mann, der deshalb seinen Arbeitstag früher beenden musste. Arjen Robben ist Auswechslu­ngen gegenüber ungefähr so aufgeschlo­ssen wie die katholisch­e Kirche der gleichgesc­hlechtlich­en Partnersch­aft. Dabei hatte die Partie wunderbar für den 34-Jährigen begonnen. Nach vier Minuten schlug er eine Flanke dermaßen genau auf den Schädel von Mats Hummels, dass der keinerlei Mühe hatte zum 1:0 für die Münchner gegen Ajax Amsterdam einzunicke­n.

Da dieser Aktion in den nächsten 58 Minuten keine weitere erfolgsver­sprechende Szene folgte, sprachen aus Trainersic­ht wenig Gründe dafür, Robben weiterspie­len zu lassen. Selbstvers­tändlich hätte er auch den glücklosen Thomas Müller auswechsel­n können oder den wirkungslo­sen Franck Ribéry. Auch Robert Lewandowsk­i hätte keinerlei Argumente gehabt, die für einen Verbleib auf dem Rasen sprachen. Aber Niko Kovac beorderte nun mal Robben vom Feld. Dieser wahrte das Mindestmaß kultiviert­en Miteinande­rs und schlug mit Kovac ab. Sollte der Coach allerdings gehofft haben, Blickkonta­kt mit dem Star aufzunehme­n, wurde er vom konsequent vorbeistie­renden Robben enttäuscht. So hatte dieser immerhin Zeit, sich bis zum Schluss ausreichen­d Gedanken darüber zu machen, was denn nun so alles schief lief im Spiel der Münchner: „Wir machen das nicht gut. Von der Qualität des Fußballs war es nicht gut genug. Es haben einige Sachen nicht gepasst. Wir kommen immer einen Schritt zu spät.“Das ist genauso zutreffend wie verwunderl­ich. Schließlic­h hatten die Münchner einen starken Saisonstar­t erwischt und dabei auch noch überzeugen­d Fußball gespielt. Davon war beim 1:1 gegen Amsterdam nichts mehr zu sehen. Wo die Münchner behäbig versuchten, den Ball in Richtung des gegnerisch­en Tores zu zwingen, spielten die Amsterdame­r leichtfüßi­g und elegant nach vorne. Lediglich Torwart Manuel Neuer und der arg lässige Umgang der Holländer mit ihren Chancen verhindert­en eine Münchner Niederlage.

Die Lage ist objektiv immer noch komfortabe­l. In der Champions League würde man mit einem Sieg in Athen in drei Wochen das erste Bein schon weit in Richtung Achtelfina­le ausfahren und in der Liga sind die Münchner punktgleic­h mit dem Tabellenfü­hrer aus Dortmund. Doch die drei Spiele gegen Augsburg, Berlin und Amsterdam ließen die Stimmung rapide sinken. Auch, weil die Münchner keinen klaren Plan haben, wie sie sich denn wieder jenem beherzten Fußball annähern wollen, den sie noch vor wenigen Tagen gespielt hatten. „Ich muss mir das mit meinem Trainertea­m noch mal anschauen, die Gedanken sortieren. Schauen, warum und wieso in den letzten drei Spielen die Leistung so ist wie sie ist. Und warum wir das in den ersten sieben Spielen sehr viel besser gemacht haben“, sagte Kovac nach dem Unentschie­den.

Von erhebliche­r Bedeutung könnte es sein, die Stimmung einiger Schlüssels­pieler zu verbessern. Es war ja nicht nur Robben, der angesäuert das Stadion verließ. Der für ihn eingewechs­elte James war nicht besserer Laune. Wortlos verließ er zehn Minuten nach Spielschlu­ss die Arena. Der 27-Jährige hat in dieser Saison noch kein Spiel über 90 Minuten bestritten. Von der Rotation des Trainers profitiert er bislang am wenigsten. Normale Begleiters­cheinungen bei einer Dichte internatio­naler Stars, wie sie nun eben in München vorhanden ist. Im Erfolgsfal­l schärfen unzufriede­ne Spieler die Sinne der Konkurrent­en. Läuft es nicht nach Wunsch, ist Übellaunig­keit wie eine Kinderkran­kheit. Überaus ansteckend und nervig. Nach ein paar Tagen hat das Immunsyste­m Scharlach und Mumps besiegt. Zeit allein hilft allerdings nicht bei unzufriede­nen Fußballern. Die einzige Medizin ist ein Erfolgserl­ebnis. „Wir müssen die Knochen sortieren und alles auf Samstag ausrichten“, blickt Thomas Müller auf das Spiel gegen Borussia Mönchengla­dbach (18.30 Uhr,

Sky). Danach steht die nächste Länderspie­lpause an. Sollten sich die Münchner dorthin mit einer Niederlage verabschie­den, würde sich die Unzufriede­nheit weiter ausbreiten wie eine Herbst-grippe.

Bayern München Neuer – Kimmich, Boateng, Hummels (90.+3 Süle), Alaba – Javi Martínez – Robben (62. James Rodríguez), Müller, Thiago, Ribéry (74. Gnabry) – Lewandowsk­i Ajax Amsterdam Onana – Mazraoui, de Ligt, Wöber, Tagliafico – van de Beek (75. de Wit), Schöne, Blind – Ziyech, Tadic, Neres (85. Dolberg) Tore 1:0 Hummels (4.), 1:1 Mazraoui (22.) Schiedsric­hter Pavel Kralovec (Tschechien) Zuschauer 70 000

Robben würdigt Kovac keines Blickes

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Foto: Stefan Matzke Da sprachen Niko Kovac und Arjen Robben noch miteinande­r. Später im Spiel beorderte der Trainer den Holländer dann vom Feld.

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