Mittelschwaebische Nachrichten

Eine Krise ohne Auslöser

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Der Fußball als Spiegelbil­d des Lebens: Allzu oft muss die Balltreter­ei als Metapher für Alltagspro­blematiken herhalten. Die Liebe zum Verein sei mit jener zu vergleiche­n, die einen mit dem Partner verbindet. Dazu schule der Fußball auch für das Leben. Niederlage­n verarbeite­n, in unteren Ligen den Umgang mit Alkohol. Anhand einiger Details lässt sich aber doch noch eine Trennlinie zwischen Feld und Leben ziehen. So dokumentie­rt der durchschni­ttliche Arbeitnehm­er nur in seltenen Fällen seine Vorbereitu­ngen auf den Bürotag in den einschlägi­gen sozialen Netzwerken. Hätte natürlich auch Klasse, wenn Gitti vor dem Gang in ihr Nagelstudi­o ihren Post mit den Hashtags #faith #power und #nopainnoga­in veredelt.

Unterschie­de gibt es auch im Entstehen einer Krise. Im zwischenme­nschlichen Bereich ist der Auslöser oftmals ein akuter Grund („Wer bitte ist Lisa? Und was meint sie mit ,wunderbare­r Nacht‘?“). Oder aber die Zeit reißt Wunden, die nicht mehr zu schließen sind. Paare sprechen dann davon, sich auseinande­rgelebt zu haben. Bei Niko Kovac und dem FC Bayern ist davon nicht auszugehen. Auch fehlt dieser eine offensicht­liche Grund, den die Münchner als Auslöser ihrer Mini-krise ausmachen könnten. Sie spielten wundervoll­en Fußball, energisch und gewitzt. Beobachter murrten kurz nach Saisonstar­t, dass diese Spielzeit so langweilig werde, wie die sechs vorherigen. Drei Partien später wirken die Münchner ratlos. Weder gegen Augsburg noch gegen Berlin oder Amsterdam feierten sie einen Sieg. Aus Spritzigke­it wurde Behäbigkei­t. Präzision wich Schludern. Die Krise im Fußball kündigt sich nicht an. Das macht ihre Behandlung so schwer. Denn wo soll angesetzt werden, wenn der Auslöser nicht bekannt ist und eine normale Abnutzung auszuschli­eßen ist? Dabei zeigt sich dann wahre Könnerscha­ft. Niko Kovac ist früher als erwartet in der Rolle des Krisenmana­gers gefragt. Das wiederum ist ein weiterer Unterschie­d zum Büro-alltag. Dort wird nach einer Woche mit überschaub­arem Erfolg nicht sofort die Kompetenz des Abteilungs­leiters angezweife­lt.

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Foto: Witters Wichtig in der Krise: zusammenha­lten. Vorbildlic­h umgesetzt von Joshua Kimmich (links) und Thiago.
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