Mittelschwaebische Nachrichten
Wenn der Partner nicht mehr spricht
Beim Demenzcafé im Speisesaal der Kreisklinik Krumbach können sich Angehörige von Demenzkranken austauschen oder einfach nur zuhören. Auch Experten bieten Informationen an. Was die Ehepartner und die Kinder von Alzheimer-Patienten bewegt
„Und am allerschlimmsten ist, dass mein Mann nicht mehr mit mir spricht“, platzt es plötzlich aus Renate Maier (Name geändert) heraus. Sie ist 80 Jahre, kümmert sich, unterstützt von Pflegedienst, Sohn, Schwiegertochter und Enkel um ihren Mann, der an einer besonders schnell voranschreitenden Form einer Demenz leidet. „Er kann nicht mehr aufstehen und allein schaffe ich es nicht, ihm auf die Beine zu helfen. Er macht sich steif wie ein Brett“, berichtet sie von ihren Problemen im Alltag. Dass er sein Gebiss nicht mehr trägt, findet sie nicht so schlimm. Sie püriert das Essen und so schmeckt es ihrem Mann, mit dem sie seit über 60 Jahren verheiratet ist, noch immer. Die anderen am Tisch im Speisesaal der Kreisklinik Krumbach nicken. Die Inkontinenz ihres Mannes, die vor allem nachts überlaufende Windeln bedeutet, treibt Renate Maier allerdings um, weil eben auch nachts die Wäsche gewechselt werden muss. Ein Wundliegen will die Ehefrau bei ihrem Mann unbedingt verhindern. Wieder Verständnis von allen Seiten. Das Problem ist bekannt. „Warum ist es immer nachts so viel?“, fragt eine andere Frau. „Lassen Sie vom Hausarzt die Medikamente überprüfen“, rät Monika Drexler, die Einsatzleiterin vom Hospizverein Krumbach. Das könne eine Ursache sein. Es könne aber auch einfach daran liegen, dass nachts das Herz entlastet ist und der Körper Zeit zum Arbeiten habe, ergänzt Regina Schütz von der Fachstelle für pflegende Angehörige im Landratsamt. Eine andere Frau empfiehlt saugstärkere Nachtwindeln. Das habe bei ihrer Schwiegermutter geholfen. Es sind Schwiegertöchter, Töchter oder Ehemänner von DemenzPatienten, die sich zum Demenzcafé im Speisesaal der Kreisklinik eingefunden haben. Dabei sind außerdem Monika Drexler und Edith Hechtl vom Hospizverein Krumbach und Regina Schütz von der Fachstelle für pflegende Angehörige im Landratsamt, je nachdem auch Christine Rau, Assistentin im Pflege- und Prozessmanagement in der Kreisklinik und Margarete Wachter von der Klinikseelsorge. Jeden ersten Dienstag im Monat findet das Treffen der Angehörigen von Demenzkranken von 14.30 bis 16.30 Uhr statt. Es besteht die Möglichkeit zum Austausch, jeden zweiten Monat finden außerdem Vorträge statt. Ein Vortrag über Arzneimittel im Alter von Apotheker Mathias Müller (6. November) steht in diesem Jahr noch auf dem Programm. Dr. Anneliese Hösch, Geriaterin in der Kreisklinik und Vorsitzende des Hospizvereins, betont, dass das Angebot offen für jeden sei. Es sei eine erste Anlaufstelle für alle, die einen Demenzpatienten haben, aber auch für jene, die vielleicht nur erste Anzeichen entdecken und sich unverbindlich informieren möchten. Sie sieht darin eine „große Chance“mit den verschiedenen Experten bei der Fachstelle für pflegende Angehörige, dem Hospizverein oder der Klinik, ersten Kontakt aufzunehmen. Man könne sich bei den Fachkräften informieren, Probleme in der Gruppe ansprechen, oder auch einfach nur den anderen zuhören. „Wir wollen eine Brücke schlagen“, fasst Regina Schütz zusammen. Zusätzlich zur AngehörigenGruppe gibt es eine Begegnungsgruppe für Alzheimer-Erkrankte. Sie findet parallel zur AngehörigenGruppe statt und ist ebenso kostenfrei. Sie soll all jene entlasten, die ihren Angehörigen während des Demenzcafés betreut haben müssen. In der Begegnungsgruppe der Alzheimer-Erkrankten stehen gemeinsa- mes singen, lesen oder erzählen auf dem Programm – je nach den Möglichkeiten der Erkrankten. Manchmal sei es auch ganz hilfreich, wenn man den Demenz-Patienten einmal gesehen habe, ergänzt Christine Rau. So könne man sich ein besseres Bild machen, wovon der Angehörige redet und sehe vielleicht einen Lösungsansatz. Ein Angebot für Angehörige von Demenzkranken gibt es in Krumbach schon über zehn Jahre. Im Rahmen des Modellprojektes „Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus“wurde das Café in die Kreisklinik verlagert. Das Modellprojekt, bei dem die Krumbacher Klinik als von der Alzheimer Gesellschaft gelobter „Musterschüler“hervorging, liegt mehr als ein Jahr zurück. In der Klinik sind seit dieser Zeit unter anderem Ehrenamtliche im Einsatz, die sich nachmittags um Demenzpatienten im Krankenhaus kümmern. Sie lesen vor, schauen Bilder an, gehen spazieren – was eben gerade wichtig ist. Sie schaffen damit Tagesstruktur, verhindern überlange Mittagsschläfe und damit nächtliche Unruhe. Auch kommt es im Idealfall nicht durch die von Angst und Stress ausgelösten herausfordernden Verhaltensweisen wie beispielsweise lautes Schreien, die Pflegekräfte und Angehörige sehr belasten können. „Die Ehrenamtlichen werden sehr wertgeschätzt“, berichtet Christine Rau – und zwar von Patienten, Pflegekräften und Angehörigen. Auch Klinikaufenthalte von Alzheimer-Patienten sind ein Thema der Begegnungsgruppe. Erfahrungen mit Operationen werden ausgetauscht. Man könne auch hier im Gespräch Ängste abbauen oder Möglichkeiten aufzeigen, erklärt Christine Rau. Ob zum Beispiel der Angehörige bei einer Krankheit des Alzheimer-Erkrankten mit in der Klinik bleibe, ein sogenanntes Rooming-in durchgeführt werde, könne beispielsweise abgewogen werden. Heute sind es jedoch die Probleme zu Hause, die diskutiert werden. Da fällt der Mutter das Schlucken schwer, die Ehefrau weiß nichts mehr mit Messer und Gabel anzufangen, die Schwiegermutter hat das Gebiss verlegt. Die Angehörigen erleben ähnliches. Es wird auch immer wieder gelacht. „Wenn wir als Angehörige lachen, tut es uns gut“, bestärkt Monika Drexler. Die Pflege eines Demenzkranken sei schließlich ein Vollzeitjob und äußerst anstrengend, sagt Regina Schütz. „Es wäre schlimm für mich, wenn ich meinen Mann ins Heim geben müsste“, wird Renate Maier nachdenklich. Nach 60 Jahren Ehe. Anfangs habe sie gar nichts von seiner Demenz gemerkt, erst als er aufgehört habe, zu sprechen. Den Beginn der Krankheit sieht sie jetzt an dem Tag, als er sich eines Tages hinsetzte und verkündete, dass jetzt die Jungen schaffen sollten und er all seine Tätigkeiten in Haus und Garten eingestellt habe. An eine Demenz habe sie damals allerdings noch nicht gedacht. Auch die Schwiegertochter einer Demenz-Patientin wird nachdenklich. „Meine Schwiegermutter weiß gar nicht mehr, wer ich bin“, sagt sie. Aber das mache ihr nichts aus. „Sie mag mich und das zeigt sie auch.“Das reicht doch.