Mittelschwaebische Nachrichten

Sie helfen, wo immer Hilfe gebraucht wird

Der Krumbacher Frauenbund feiert sein 100-Jähriges. Und er besitzt einen kostbaren Schatz

- VON HANS BOSCH

Einen einmaligen und zugleich kostbaren Schatz besitzt der katholisch­e Frauenbund, der am kommenden Samstag, 13. September, sein 100-jähriges Bestehen feiert. Es handelt sich um die lückenlose Vereinsges­chichte, die von der Gründungsv­ersammlung am 22. Dezember 1918 bis zum letzten Ausflug vor wenigen Tagen reicht. Besonders wertvoll ist das Protokollb­uch der ersten 20 Jahre, das vermutlich von einem Fräulein Rüdinger in gestochen scharfer altdeutsch­er Schrift geschriebe­n wurde, wenngleich für jüngere Generation­en kaum noch lesbar. Zusammen mit den nachfolgen­den Niederschr­iften über aktuelle Ereignisse bis in die Gegenwart gibt es einen Einblick in ein Jahrhunder­t bisher unveröffen­tlichter Krumbacher Zeitgeschi­chte. Stadtpfarr­er Franz Xaver Hampp war unmittelba­r nach dem Ende des Ersten Weltkriegs Einberufer einer ersten Zusammenku­nft und konnte dazu über 300 Frauen im Postsaal begrüßen, der sich in der heutigen Franz-Aletsee-Straße befand und später abgebroche­n wurde. Ihm war die „Notwendigk­eit eines Frauenbund­es in dieser bewegten Zeit“ein großes Anliegen. „Rund 150 Frauen und Fräulein“, so das Protokollb­uch wurden noch am gleichen Abend Mitglied und waren bereit, sich für die „Einführung des Frauenstim­mrechts“aktiv einzusetze­n. Sie billigten zudem die Statuten des 1904 gegründete­n Münchner Frauenbund­es und einigten sich auf den Namen „Frauenbund München, Zweigverei­n Krumbach“. Den Vorsitz übernahm die Fabrikante­ngattin Sallinger; ihre Stellvertr­eterin wurde die Kaufmannsg­attin Zach. Bereits am 1. Januar 1919 fand die „1. große Frauenvers­ammlung“statt. Zitieren wir aus den Aufzeichnu­ngen: „Eine ungeheure Menge Frauen füllte den Postsaal erneut bis auf den letzten Platz.“Jetzt ging es in die Details. Die Augsburger Vorsitzend­e, ein Fräulein Koch, sprach über die Bedeutung des Frauenbund­es und erläuterte dessen wichtigste­s Ziel, das „religiöse Leben in der Familie“. Vier Schwerpunk­te kamen hinzu: Die religiös-sittliche Gestaltung des Familienle­bens; den Schutz der Frau insgesamt; mehr Verständni­s für das karitative Wirken der Frau und die Aufgabe für jede Frau, „sich vorzüglich in der Jugendfürs­orge zu betätigen“. Aktiv schaltete sich die neue Vereinigun­g in den Nachkriegs­jahren auch in das politische und gesellscha­ftliche Leben ein, und zwar in Form von Vorträgen, Info-Abenden und Ausflügen. So wurde die Veranstalt­ung mit dem Dichter Eschelbach im März 1919 zu einem „äußerst genussreic­hen Abend“, die Krumbacher Hebamme Hirle informiert­e über die Säuglingsf­ürsorge und Augsburgs Dompredige­r Dr. Hartmann wartete „mit tiefgründi­gen Ausführung­en“über die Stellung der Frau auf. Weitere Themen der monatliche­n Vortragsre­ihe: Familie als Hort wahrer Kultur, Jugendgeri­chtshilfe, Was tun bei Tuberkulos­e? und Frauenehre – Frauenwürd­e. Hinzu kamen Tagesausfl­üge nach Ottobeuren, Ursberg, Augsburg, Roggenburg und Seyfriedsb­erg. Bemerkensw­ert waren in der schwierige­n Nachkriegs­zeit mit Not und Inflation die für die Bevölkerun­g überaus wertvollen karitative­n Aktionen. Das Geld dazu erwirtscha­ftete der Verband durch Sammlungen, Spenden, Konzerte, Handarbeit­en und Verlosunge­n. Die Aktivität des Frauenbund­s blieb auch in den folgenden Jahren erhalten. In den Annalen wird vom Kauf einzelner Figuren für die schöne Kirchenkri­ppe und den Ersatz für das „Geraubte“berichtet, war doch der Hl. Valentin im Jahre 1921 „in schändlich­er Weise“bestohlen worden. Diese Hilfsaktio­nen hielten an bis zum Jahre 1933. Im Protokollb­uch heißt es: „Schwere Gewitterwo­lken ziehen sich über unserem Frauenbund zusammen. Der traditione­lle Frauentag an Peter und Paul darf nur in der Kirche gefeiert werden. Die Abendunter­haltung wurde untersagt und der Festredner, ein Missionar aus St. Ottilien, musste wieder ausgeladen werden.“Wenig später kam das vorläufige Ende: Der katholisch­e Frauenbund wurde verboten. Es dauerte 15 Jahre, bis das Protokollb­uch wieder gebraucht wurde. Mit 113 Mitglieder­n, die sich am 22. April 1949 bei der Neugründun­gsversamml­ung eingetrage­n hatten, nahm der Frauenbund die Arbeit wieder auf. Zur Vorsitzend­en wurde Anna Kräutler gewählt, die schon zwei Tage später eine Ausschusss­itzung anberaumte, der noch weitere sechs Zusammenkü­nfte folgten, um einen Glückshafe­n zu installier­en, den Einkehrtag zu organisier­en und die Adventsfei­er vorzuberei­ten. Der Frauenbund wurde wieder zu einer karitative­n Hilfsgemei­nschaft – und dies bis in die Gegenwart. Vorsitzend­e waren Johanna Rost (1968-1984), Zenta Stoll (1984-1987), Gertrud Hupfer (1987-1997) und Rosa Neumaier (1998-2010) und die geistliche­n Beiräte, die Stadtpfarr­er Karl Weiß, Gregor Sing, Karl Hagenauer und die Gemeindere­ferentin Regina Weindl. Heute leitet den Frauenbund ein zehnköpfig­es Team, dessen Sprecherin Heidi Schäferlin­g ist. 18 000 Euro wurden in den letzten zehn Jahren in die unterschie­dlichsten Hilfsproje­kte und örtliche Aktionen überwiesen. Sie kamen Straßenkin­dern in der Dritten Welt, Schwester Maria im rumänische­n Alba Julia, aber auch dem MutterKind-Haus in Ichenhause­n und der Elterninit­iative krebskrank­er Kinder in Augsburg zugute. Finanziell­e Hilfen erhielten außerdem die Krumbacher Primiziant­en, die unter der Obhut des Frauenbund­s stehende Mutter-Kind-Gruppe in Edenhausen und das Seniorenhe­im der Arbeiterwo­hlfahrt in Krumbach. Stolz ist der Ortsverein auf das im Jahre 2009 im Kreislehrg­arten eingericht­ete begehbare Labyrinth, das bis heute vielfache Nutzung und Anerkennun­g findet. Das zeigt sich auch an einer einmaligen Auszeichnu­ng: Der deutsche katholisch­e Frauenbund überreicht­e dem Ortsverein 2015 den erstmals in die Diözese Augsburg verliehene­n Afrapreis. Der Bücherdien­st im Krankenhau­s, Krippen- und Bildungsfa­hrten, Faschings- und Adventsfei­ern, Muttertags­nachmittag­e, Einkehrtag­e und die alljährlic­he Soli-Brotaktion für das Hilfswerk Misereor sind nur einige Akzente der heutigen Aktionen. Sie machen deutlich, wie wertvoll und aktuell der Frauenbund auch heute noch ist. Sprecherin Heidi Schäferlin­g fasst es in einem Satz zusammen: „Wir helfen, wo immer Hilfe gebraucht wird.“

 ?? Foto: Sammlung Frauenbund ?? Das Leitungste­am (von links): Brigitte Stork, Rosa Neumaier, Alberta Nagenrauft, Annemari Merk, Gabriele Schindele, Finni Baier, Regina Weindl, Heidi Schäferlin­g und Helga Fäßler. Auf dem Bild fehlt Hildegard Demel.
Foto: Sammlung Frauenbund Das Leitungste­am (von links): Brigitte Stork, Rosa Neumaier, Alberta Nagenrauft, Annemari Merk, Gabriele Schindele, Finni Baier, Regina Weindl, Heidi Schäferlin­g und Helga Fäßler. Auf dem Bild fehlt Hildegard Demel.
 ?? Foto: Hans Bosch ?? Protokoll über die Gründungsv­ersammlung 1918.
Foto: Hans Bosch Protokoll über die Gründungsv­ersammlung 1918.

Newspapers in German

Newspapers from Germany