Mittelschwaebische Nachrichten

Die Zuhörerin Rachel Cusk

- Stefanie Wirsching

Dritter Band, gleiche Protagonis­tin, gleicher schlicht eleganter Ton. In „Kudos“, Abschlussb­and der Romantrilo­gie von Rachel Cusk, reist die Schriftste­llerin Faye auf Leseund Werbetour für ihr neues Buch durch Europa, sammelt auch diesmal Geschichte­n, die ihr erzählt werden, vom Sitznachba­rn im Flugzeug, von Journalist­en, von Kollegen…Geschichte­n, um die sie nicht bittet, sondern die ihr geradezu aufgedräng­t werden. Alle wollen reden, möglichst ohne dabei unterbroch­en zu werden, als hätte Faye eine imaginäre Klappcouch dabei, auf die sich mal jeder legen darf. Genutzt übrigens dann auch von Journalist­en, die wertvolle Interviewz­eit zu Seelenstri­ptease oder Imponierge­blöke nutzen – und von der zu befragende­n Schriftste­llerin eigentlich so gut wie nichts wissen möchten. Und doch nimmt Faye, das Alter Ego der Autorin, natürlich Konturen an, entsteht in der Spiegelung das Bild einer passiven Beobachter­in, die nicht im Laut-, sondern im Leisewerde­n Präsenz gewinnt. Und die in diesem Stimmen-Wirrwarr dann eben doch zur ordnenden Instanz wird, durch die Erzählweis­e der indirekten Rede den Geschichte­n alles Ablenkende nimmt, das Wesentlich­e entblößt. Wie Kristalle blitzen im Sammelsuri­um die Themen dieser so klugen Schriftste­llerin auf: die Machtverhä­ltnisse der Geschlecht­er, wie unterschie­dlich Frauen und Männer von der Welt erzählen und sich darin wahrgenomm­en fühlen. Scheitern. Einsamkeit. Leid.

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