Mittelschwaebische Nachrichten
Im Gutshof soll es wieder gut werden
Nach ihrer Entlassung aus der Forensik sollen Menschen im Haus 80 zurück zu einem normalen Leben finden. Die Klinik ist Vorreiter mit diesem Projekt
Ein bisschen wie in einer Burg – so fühlen sich die neuen Bewohner von Haus 80 auf dem Gelände des Bezirkskrankenhauses Günzburg. Dafür sorgt schon die spektakuläre Eingangshalle mit der gemauerten Gewölbedecke und der Steinsäule. Früher haben hier der Verwalter des klinikeigenen Guts und seine Familie gelebt. Jetzt ist das Haus ein Platz, an dem Menschen den Weg zurück in ein normales Leben finden sollen, nachdem sie lange Zeit in der Forensischen Klinik verbracht haben. „Wir wollen es hier gut machen“, sagt Thomas Düll, der Vorstandsvorsitzende der Bezirkskliniken Schwaben auf den Stufen zum Gutshof. Was hier gemacht wird, hat der Bereich Wohnen und Fördern des BKH erarbeitet. Denn bisher gibt es keine Konzeption, keine Vorlage dafür, wie Straftäter, die aufgrund psychischer oder Sucht-Erkrankungen in der Forensik waren, nach ihrer Entlassung aufgefangen werden können. „Wir leisten hier Pionierarbeit, denn es findet sich kein Heimträger außerhalb, der sich dieser Aufgabe annimmt“, so Düll. Menschen, die jahrelang abgekapselt gewesen seien vom richtigen Leben, blieben es oft auch nach ihrer Entlassung. „Viele haben keinen Emp- fangsraum, keine Möglichkeit der Rückkehr in die Familien. Zumal es hier um schwierige Persönlichkeiten geht, die schwere Krankheiten durchgemacht haben.“650 000 Euro hat das BKH dafür ausgegeben, dieses laut Düll bundesweit ungelöste Problem zumindest hier in Günzburg anzugehen. Dafür wurde das denkmalgeschützte Haus 80 saniert und umgebaut. Neben Bädern und Toiletten kam unter anderem auch die historische Uhr an der Fassade dran – sie zeige jetzt wieder, dass die Zeit auf dem Campus nicht stehen geblieben sei. Seit Mitte Juli leben die neun Bewohner in ihren neuen Zimmern, nachdem sie als betreute Wohngruppe zuvor übergangsweise in einem anderem Gebäude auf dem Campus untergebracht waren. Auch die Mitarbeiter unter der Leitung von Heike Bäuerle hätten sowohl den Umzug als auch das Zusammenfinden zum Team großartig gemeistert, betont Gerhard Becker, der Geschäftsleiter von Wohnen und Fördern. Für die elf Planstellen wurden einige neue Kollegen eingestellt. „Hier wird nach dem Motto unterstützt: So viel wie nötig, so wenig wie möglich“, erklärt Becker. Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Bewohner sollen gestärkt werden. Deshalb erledigen die Männer die meiste Arbeit wie Kochen, Einkaufen und Putzen gemeinsam, zusätzlich gibt es Arbeitsund Beschäftigungstraining. Was die Einrichtung für die Männer bedeutet, macht Bewohner Waldemar Maier in seiner kurzen Ansprache deutlich. „Wir leben nach einem strukturierten Tagesplan, bekommen hier Motivation und Anleitung.“Nach der Zeit in der abgeschlossenen Forensik haben die Bewohner nun selbst wieder den Schlüssel zu ihren Zimmern, können kleine Freiheiten genießen wie die ganztägige Nutzung von Handy und Feuerzeugen. „Unser Selbstbewusstsein hat sich enorm gesteigert“, sagt Maier. Die betreute Wohngruppe im Haus am Gutshof ist für das BKH ein weiterer Baustein des derzeit wachsenden Forensik-Campus, erklärt Thomas Düll. In der Nachbarschaft der vor einigen Jahren eröffneten Forensischen Klinik gelegen, grenzt das Haus an die Baustelle der derzeit entstehenden Forensischen Institutsambulanz an, direkt daneben liegt die Gärtnerei, in der Arbeitstherapie betrieben wird.