Mittelschwaebische Nachrichten
Die Firma, die Aufzüge vor dem Absturz bewahrt
Unternehmen aus der Region Der Ostallgäuer Maschinenbaubetrieb Mayr Antriebstechnik sorgt dafür, dass Menschen sicher befördert werden. Verlässlichkeit will der Chef aber nicht nur bei Bremsen und Kupplungen
Mauerstetten Da ist die Sache mit dem Umsatz. Die Bilanzzahlen werden bei Mayr Antriebstechnik nicht offen kommuniziert. Man wolle ja nicht überheblich erscheinen, weiß um die Neider, die Konkurrenz. „Und wer könnte schon etwas mit solchen Zahlen anfangen?“, fragt Seniorchef Fritz Mayr, 92. Um gleich selbst die Antwort zu geben. Kaum jemand! Bei einem Rundgang für Gäste war jüngst die Rede von über 100 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Laut Geschäftsführer Günther Klingler, 61, ist das nur eine „symbolische Zahl“. So viel könne er sagen: Wachstumsraten im zweistelligen Prozentbereich in den vergangenen Jahren geben Anlass für Optimismus. Seine Botschaft: Breit aufgestellt, ist das Maschinenbauunternehmen Mayr Antriebstechnik ein stabiler Dampfer im wogenden Meer der Weltwirtschaft. Eigen, aber weltoffen. Zufrieden, nie euphorisch. Innovativ, auf keinen Fall protzend. Und auch mal stur, aber eben authentisch. So sind sie im Ostallgäuer Mauerstetten, bis an die Unternehmensspitze. Aber man pflege eine sehr offene Diskussionskultur im ganzen Haus, in der auch Widerspruch geduldet werde, sagt Unternehmer Ferdinand Mayr, 36, der die dreiköpfige Geschäftsführung komplettiert. Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 12 000 Aufzüge neu installiert. Ein Großteil davon ist mit Sicherheitsbremsen der Firma Mayr Antriebstechnik ausgestattet, die Kabinen im Notfall punktgenau in ihrer Position halten und vor dem Absturz bewahren. In China sind es jährlich schon etwa eine halbe Million Lifte, die Menschen durch Wolkenkratzer befördern. Ein riesiger Markt, auf dem auch das Unternehmen mit seinen weltweit 1200 Mitarbeitern entscheidend mitmischt. Dessen Produkte stoppen und halten tonnenschwere Lasten an Kränen ebenso wie filigrane Roboterarme bei einer Augenoperation. Sie sind in den Systemen der fliegenden Kameras über Fußballfeldern verbaut und helfen mit, weltweit spektakuläre Bilder von Weltmeisterschaften zu verbreiten. An den Sicherheitsbremsen hängt tonnenschwere Büh- nentechnik ebenso wie das Leben von Popstars, die in den Arenen der Welt an Stahlseilen durch die Luft schweben. Und mit Überlastkupplungen sichert die Ingenieurkunst aus Mauerstetten zum Beispiel auch das Schiffshebewerk am gigantischen Drei-Schluchten-Staudamm in China ab. Leistungsfähiger, langlebiger, leichter, leiser – darum geht es bei den Produkten mittlerweile. „Ein Hotelgast darf nachts um drei eben nichts von der Aufzugstechnik im Schacht nebenan hören“, sagt Johann Eberle, Leiter für Vertrieb und Marketing. Doch die rein mechanische Ära hat das Unternehmen längst hinter sich gelassen. Industrie 4.0, das Schlagwort für voll vernetzte Werke und digitalisierte Arbeitsabläufe, gehört in Mauerstetten längst zum Sprachgebrauch. „Für uns als Hersteller von Kupplungen und Bremsen bedeutet das, unsere Produkte intelligenter zu machen“, sagt Ferdinand Mayr. Ein einfach nachvollziehbares Beispiel für ihn ist ein Aufzug, der sich merkt, wie oft bereits gebremst wurde, Verschleiß feststellt und so Wartung planbar und effizienter, die Produktion letztlich kostengünstiger macht. Tradition und Innovation, von beidem das Beste – so lautet ein Werbespruch bei Mayr Antriebstechnik. Fritz Mayr und sein Enkel Ferdinand mit ihren fast 60 Jahren Altersunterschied stehen in der Geschäftsführung für diese unternehmerische Ausrichtung. Die ehemalige Mühlschreinerei des Großvaters vom heutigen Seniorchef, vor 120 Jahren gegründet, wurde zu einem Hightech-Betrieb mit zahlreichen Patenten, die Fritz Mayrs Handschrift tragen. Seine Ära im Betrieb bedeutet auch ein halbes Jahrhundert Erfahrung mit Sicherheitskupplungen, Sicherheitsbremsen und Wellenkupplungen in großer Variantenvielfalt und maßgeschneidert für die Kunden. Weltmarktführer in der mechanischen Antriebstechnik sei man, und doch ein Familienunternehmen. „Selbstständig, unabhängig“, wie Mayr senior betont. Im Betrieb nen- nen sie ihn gerne den dienstältesten Mitarbeiter, der älteste ist er sowieso. Er übernahm 1965 die Geschäftsführung von seinem Vater. Statt über Persönliches spricht er lieber über Prinzipien. „Bei uns steht die Sicherheit im Vordergrund“, sagt der Diplom-Ingenieur. Dazu zähle die Zuverlässigkeit der Produkte. Natürlich. Mayr meint damit aber auch unternehmerische Verantwortung: „Wir wollen dem Unternehmen und unseren Mitarbeitern Stabilität geben.“Seine Belegschaft spricht nur gut über ihn, was bei Patriarchen nicht immer so ist. Fast täglich sei er im Geschäft. Auch in den größten Konjunkturtiefs habe es nie betriebsbedingte Entlassungen gegeben. Wo sieht der Chef sein Unternehmen in 20 Jahren? Größer, besser, profitabler? „Nein“, sagte Mayr einmal. „Noch stabiler als heute.“Zur Strategie gehört freilich auch, dass Mayr Antriebstechnik seit Jahren stark expandiert. Und wenn das Unternehmen wächst, dann global. 500 der mehr als 1200 Mitarbeiter sind im Ausland beschäftigt. Neben sieben Vertriebsniederlassungen, acht Außenbüros und 36 Ländervertretungen stehen die beiden Produktionsstätten in Polen und China im Mittelpunkt. Ihnen gibt das Mutterhaus im Allgäu den Takt vor. 20 Millionen Euro hat das Unternehmen jüngst aber auch daheim in eine weitere Logistik- und Fertigungshalle sowie in das neue Kommunikationszentrum namens „mayr.com“investiert, das vor allem architektonische Akzente setzt. Dort werden heute Geschäftspartner und Gäste des Unternehmens empfangen, es gibt Tagungen, Seminaren und kulturellen Veranstaltungen ein Dach. Auch die „Nacht der Ausbildung“für angehende Lehrlinge findet dort eine Heimat. Soweit die Funktionalität. Aufgeladen hat die Geschäftsleitung den Bau aber auch mit einer wuchtigen Philosophie: „Mit mayr.com schaffen wir einen Ort der Begegnung, der direkten Kommunikation von Mensch zu Mensch, im Gegensatz zur heute immer anonymer werdenden Kommunikation über Internet und Social Media“, sagt Fritz Mayr. Für Ferdinand Mayr ist das neue Gebäude ein „Gestaltungsraum“. Längst wird also in dem Unternehmen aus Mauerstetten nicht mehr nur in Maschinen und Produkte investiert, sondern zunehmend in Bildung und Kommunikation.
„Bei uns steht die Sicherheit im Vordergrund. Wir wollen dem Unternehmen und unseren Mitarbeitern Stabilität geben.“ Fritz Mayr, Mayr Antriebstechnik