Mittelschwaebische Nachrichten

„Alarm“im Atomkraftw­erk

Übung Die Werkfeuerw­ehr und die Kameraden aus Gundremmin­gen trainieren gemeinsam für den Ernstfall. Das Szenario soll so echt wie möglich sein. Und tatsächlic­h wissen die Einsatzkrä­fte nicht, was auf sie zukommt

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Gundremmin­gen Freitagabe­nd, kurz nach 19 Uhr: Die Werkfeuerw­ehr des Atomkraftw­erks (AKW) in Gundremmin­gen ist alarmiert worden, weil es in einer Halle gegenüber dem ehemaligen Block A brennt. Als die ersten Einsatzkrä­fte eintreffen, ruft ihnen bereits jemand zu, „da ist noch einer drin“. Auf dem Dach lodert eine Flamme, aus einem Tor quillt Rauch. Die Einsatzlei­tung hat der stellvertr­etende Wehrleiter Georg Keller. Ihm ist klar: Mit den sechs Mann, die Dienst haben, ist diese Situation nicht in den Griff zu bekommen. Er gibt die Anweisung, dass die komplette Werkfeuerw­ehr nachalarmi­ert werden muss.

Dass es sich hierbei um eine Übung handelt, wissen er und seine Kameraden. Doch was sich Ausbilder Christian Joas ausgedacht hat, wissen sie nicht – etwa, dass neben den Puppen, die Verletzte darstellen, auch ein echter Mensch aus einer vermeintli­ch schwierige­n Lage zu retten ist. Sie müssen darauf reagieren wie bei einer echten Notsituati­on. Damit alles möglichst realistisc­h ist, züngelt wirklich eine Flamme auf dem Dach – auch wenn sie nur nachgebild­et und somit ungefährli­ch ist. Auch ist die Halle verqualmt, nur eben mit Übungsrauc­h. Wer an diesem Abend am Kraftwerks­gelände vorbeifähr­t und das alles sowie die Blaulichte­r sieht, könnte durchaus denken, dass hier wirklich etwas passiert ist. Deshalb sind die Polizei und die Integriert­e Leitstelle vorab informiert worden, auch die Schaltwart­e wird per Funk auf dem Laufenden gehalten.

Ein Kamerad meldet eine verletzte Person, die über starke Schmerzen im Brustberei­ch klagt. Bis der Sanitätsdi­enst zur Stelle ist, muss sich die Feuerwehr kümmern. Die vielen Aufgaben parallel zu bewältigen, ist nicht einfach – zumal schon der nächste Verletzte gefunden wird. Der Zugführer wird später bei der Nachbespre­chung sagen, dass sich in so einer Situation Minuten wie Stunden anfühlen und es frustriere­nd sei, auf Hilfe warten zu müssen. Während die Verstärkun­g noch auf sich warten lässt – die Verzögerun­gen sind bewusst einkalkuli­ert, im echten Leben dauert es eben auch seine Zeit, bis weitere Einsatzkrä­fte anrücken können –, ruft ein Mann aus einem Gebäude nebenan. Dichter Rauch versperrt ihm den Ausgang. Und zu allem Überfluss brennt es ebenfalls in einem dritten Objekt, einer Halle.

Zum Glück ist inzwischen Verstärkun­g eingetroff­en, auch von außerhalb. Die Freiwillig­e Feuerwehr aus Gundremmin­gen muss sich im dritten Abschnitt alleine zurechtfin­den. Sie entdeckt zwei weitere Verletzte, noch während sie die Halle entraucht und Wasser aus dem Einlaufkan­al des Kraftwerks fördert. Denn das Szenario sieht vor, dass die Hydranten nicht funktionie­ren. 800 Liter Wasser pro Minute können so zur Verfügung gestellt werden. Um 20.20 Uhr gibt Georg Keller, den hier alle Schorsch nennen, per Funk durch, dass die Übung beendet ist. Mithilfe einer Übersichts­tafel hatte er den Überblick behalten. Die Werkfeuerw­ehr ist mit 29 Mann und fünf Fahrzeugen im „Einsatz“gewesen, die Gundremmin­ger Wehr mit 37 Kräften und vier Wagen. Mit Externen wird nicht jedes Jahr geübt, aber solche Trainings sind in jedem Fall wichtig, um sich aufeinande­r einzuspiel­en, damit im Ernstfall die Zusammenar­beit klappt. Alle drei Jahre gibt es zudem die auch für freiwillig­e Wehren übliche Überprüfun­g durch die Kreisbrand­in- bei der eine Übung dazugehört. Wichtig ist, dass der Leistungsb­etrieb des Kraftwerks nicht beeinträch­tigt wird, aber durch die Abschaltun­g von Block B hat die Wehr etwas mehr Platz dafür. Bei einer Übung werden die externen Wehrleute übrigens vom Werkschutz vor dem Betreten des Geländes kontrollie­rt wie andere Besucher auch, im Ernstfall können sie aber direkt aufs Gelände. Die Wachen achten jedoch bei diesem Training wie auch bei einem echten Alarm darauf, dass keiner Bereiche betritt, die er nicht betreten darf. Bei der Nachbespre­chung findet Georg „Schorsch“Keller lobende Worte für die Zusammenar­beit, „es hat alles sehr gut geklappt“. Eine kleine Schwierigk­eit war aufgetrete­n, die Freiwillig­e Wehr konnte zunächst mit den im AKW üblichen Abkürzunge­n für die Gebäude nichts anfangen. Aber auch dazu ist solch eine Übung da, um zu sehen, worauf man beim nächsten Mal achten muss. Der Einsatzlei­ter lädt alle Beteiligte­n noch zu einer Brotzeit ein, nachdem alle aufgeräumt haben – der Werkschutz überprüft vor dem Verlassen des Geländes aber noch einmal alle(s). Ein gemütliche­s Beisammens­ein nach getaner Arbeit gehört für die Wehrleute dazu, die Kameradsch­aft will nun einmal gespektion, pflegt sein. Denn wenn es hart auf hart kommt, ist es hilfreich, wenn man sich kennt. Aufeinande­r verlassen müssen sich alle. Auch wenn bis zur nächsten Übung dieser Art wieder Zeit vergehen wird, sehen sich die Wehrleute des Kraftwerks und der Gemeinde bald wieder. Denn für vier Tage im November hat die Werkwehr einen Brandconta­iner gemietet, in dem die Einsatzbed­ingungen mit einem echten Feuer simuliert werden. Und dabei können natürlich auch die externen Wehren aus der Umgebung mitmachen.

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Fotos: Bernhard Weizenegge­r Die Freiwillig­e Feuerwehr Gundremmin­gen muss sich um einen Einsatzabs­chnitt alleine kümmern, auch unter Atemschutz.
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Das Übungsszen­ario soll so echt wie möglich aussehen. Dazu gehört auch eine nachgebild­ete Flamme auf dem Dach einer Halle, die zusätzlich verraucht wird.
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Ein Mitarbeite­r wird mithilfe einer Leiter aus einem Gebäude gerettet.
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Während die Feuerwehr übt, läuft der Betrieb des Kraftwerks weiter.

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