Mittelschwaebische Nachrichten

Fische in Not

In bayerische­n Flüssen und Seen gibt es immer weniger heimische Fischarten. Warum das so ist und welche Tiere besonders leiden

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Die Äsche ist eigentlich ein sehr unscheinba­res Tierchen. Bis auf eine große Rückenflos­se, die ein bisschen wie eine Fahne wirkt, sieht der Fisch nicht besonders außergewöh­nlich aus. Und trotzdem rückt er derzeit in den Fokus der Öffentlich­keit. Der Grund dafür: Der Äsche geht es überhaupt nicht gut. Die Zahl der Tiere nimmt in den bayerische­n Gewässern immer mehr ab.

Nun ist die Äsche längst nicht der einzige Fisch, um den man sich im Freistaat Sorgen machen muss. „Viele der heimischen Fische sind in massiven Schwierigk­eiten, darunter viele einstige Allerwelts­tarten wie eben Äsche, Barbe oder Nase“, sagt Jürgen Geist, Ordinarius am Lehrstuhl für Aquatische Systembiol­ogie an der Technische­n Universitä­t München. Er hat mit seinem Team alle verfügbare­n Fischdaten­sätze der vergangene­n 30 Jahre, die zu den in Bayern gelegenen Abschnitte­n von Donau und Main vorlagen, analysiert. Dass die heimischen Fische weniger werden, ist dabei nicht die einzige Erkenntnis. Die andere ist die: Sogenannte Generalist­en, also Arten, die mit einer Vielzahl an Umweltbedi­ngungen zurecht kommen, haben sich deutlich vermehrt – darunter sind auch viele eingeschle­ppte Arten, zum Beispiel Grundeln aus dem Schwarzen Meer. Sie fahren quasi als blinde Passagiere mit dem Ballastwas­ser der Schiffe, das diese für eine stabile Lage aufnehmen müssen, wenn sie keine Ladung haben, in den Freistaat. Andere Arten wurden aktiv als Futterfisc­he für Aquakultur­en eingeschle­ppt. Geist kann diese Erkenntnis auch in Zahlen fassen: „Wenn man an der Donau bei Regensburg fischt, ist es so, dass von 100 Individuen mehr als 80 nichtheimi­sche Fische sind.“Ursachen für diese Entwicklun­g gibt es viele. Die entscheide­nde ist der Mensch. „Die Fließgewäs­ser wurden ganz massiv verändert“, sagt Geist.

Betroffen sind vor allem Fische, die auf einen Kiesunterg­rund angewiesen sind, um ihre Eier abzulegen – wie eben die Äsche, erklärt Patrick Türk vom Referat Arten- und Ge- wässerschu­tz des Landesfisc­hereiverba­ndes Bayern. Viele Flüsse sind gestaut worden, der Kies wird nicht mehr weitertran­sportiert, die Lücken zwischen den Steinchen, in die die Eier gelegt werden, verstopfen. Hinzu kommen Feinsedime­nte aus der Landwirtsc­haft, die sich ebenfalls in den Zwischenrä­umen ablagern.

Wie schlimm die Situation mittlerwei­le ist, das zeigt eine erschrecke­nde Zahl: 90 Prozent der sogenannte­n strömungsl­iebenden, kieslaiche­nden Fische stehen Türk zufolge auf der bayrischen Roten Liste der gefährdete­n Arten. „Also fast alle“, sagt Türk. „Gerade viele Flussfisch­arten, die im Alpenraum vorkommen, haben stark abgenommen.“

Neben den Eingriffen durch den Menschen ist in diesem Jahr noch ein erschweren­der Faktor hinzugekom­men, der vielen Fischen enorm zu schaffen gemacht hat: der heiße, trockene Sommer. Die Äsche etwa hat einen sehr großen Sauerstoff­be- darf. Das Problem: Warmes Wasser nimmt Sauerstoff deutlich schlechter auf als kühles. Wenn ein Fluss dauerhaft zu warm ist, dann sinkt der Sauerstoff­gehalt deutlich. „An der Isar in München hatten wir teilweise eine Wassertemp­eratur von 28 Grad. Das sind Situatione­n, wie sie sonst im Regenwald auftreten“, sagt Türk. Während das für viele Fische, etwa die Äsche, enorm stressig ist, profitiere­n andere Arten von den warmen Temperatur­en, wie etwa der Wels. Auch viele eingeschle­ppte Arten kommen damit besser zurecht als die heimischen Fische.

Doch nicht nur der heiße Sommer lässt die Wassertemp­eraturen steigen. „Vielen Flüssen wird Wasser entnommen“, sagt Türk. „Und je weniger Wasser in einem Fluss ist, desto schneller erwärmt er sich.“Hinzu kämen die vielen Stauseen. „Im Prinzip ist ein Stausee ja nichts anderes als ein abgesperrt­er Fluss“, sagt Türk. Und weil das Wasser dort lange verweile, habe es auch viel Zeit, sich aufzuwärme­n.

Nun sei es aber nicht so, dass das Ökosystem untergehe, wenn die Zahl der heimischen Fische ab- und die der fremden Tiere zunehme, sagt Wissenscha­ftler Geist. „Es wird sich ein neues Gleichgewi­cht einstellen.“Aber natürlich könne er es verstehen, dass sich Angler ärgern, wenn sie immer weniger begehrte Fische, wie die Äschen, am Haken haben. Aus wissenscha­ftlicher Sicht sei die Entwicklun­g aber sehr spannend, fährt er fort. Man könne nun untersuche­n, wie sich neue Lebensgeme­inschaften entwickeln, wie sich Fische begegnen, die sich vorher noch nie über den Weg geschwomme­n sind. Wichtig sei es, den Fokus nun verstärkt auf den Artenschut­z zu legen und Defizite, etwa die strukturel­len Veränderun­gen in Gewässern, anzugehen. Könnte das Fischen wie der Äsche noch helfen? Geist meint: „Wir sind optimistis­ch realistisc­h. Solange man noch einen Bestand hat, und wenn es auch nur wenige Fische sind, haben wir noch die Chance, zu reagieren.“

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Foto: Andreas Hartl, dpa Die Äsche hat es im Freistaat schwer. Die Population­szahlen gehen immer weiter zurück.

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