Mittelschwaebische Nachrichten

Weinzierl steht wieder im Blickpunkt

Der ehemalige Trainer des FC Augsburg und von Schalke löst beim VFB Stuttgart Tayfun Korkut ab. Warum es beim zweiten Anlauf nun geklappt hat

- VON ROBERT GÖTZ

Augsburg Es war Mitte Juli, als Markus Weinzierl, 43, in einem Exklusiv-interview mit unserer Zeitung erklärte, warum er wenige Tage zuvor seinen Vertrag bei Schalke 04 aufgelöst hatte. „Es gibt schöne Seiten, wenn du jeden Tag zu Hause bist. (...) Und trotzdem, wenn du dann zu Hause am Fernseher Bundesliga schaust, dann merkst du, dir fehlt das einfach“, gab er damals freimütig zu. Ein Jahr zuvor hatte Weinzierl nach nur einer enttäusche­nd verlaufene­n Saison (Platz zehn) seinen Trainer-job verloren, obwohl sein Vertrag bis 2019 datiert war. Weinzierl bekam zwar sein Gehalt weiter (geschätzte drei Millionen Euro im Jahr), doch nach zwölf Monaten bezahlten Urlaub hatte er genug.„ich will frei sein und selbst entscheide­n, was ich mache.“

Drei Monate nach dem Interview hat er sich entschiede­n. Er unterschri­eb am Dienstag beim VFB Stuttgart einen Vertrag bis 2020.

Weinzierl übernimmt das Amt von Tayfun Korkut, der nach der 1:3-Niederlage bei Hannover 96 am Sonntag freigestel­lt worden war. Noch am Samstag hatte Vfb-sportvorst­and Michael Reschke, 61, Korkut allerdings öffentlich das Vertrauen ausgesproc­hen. Wenige Stunden später war Korkut (sein Vertrag läuft bis 2020) freigestel­lt.

Dabei hatte der 44-Jährige den VFB erst im Januar von Hannes Wolf übernommen und führte ihn aus Tabellenke­ller als zweitbeste Rückrunden­mannschaft fast noch in die Euro–league. Doch seinen Erfolg baute Korkut auf einer stark defensiv ausgericht­eten Taktik aus, die nur selten begeistert­e. Und als in dieser Saison dann auch noch die Punkte fehlten und der VFB auf den letzten Tabellenpl­atz zurückfiel, riss am Wochenende der Geduldsfad­en. Der ist in Stuttgart, wo Anspruch und Wirklichke­it oft auseinande­rgehen, sehr dünn.

Denn im riesigen und mondänen Vip-bereich der Mercedes-benzarena, in dem immer noch Vereinspol­itik gemacht wird, schmeckte die biedere Hausmannsk­ost von Korkut schon längst nicht mehr. Schließlic­h hatte Reschke im Sommer rund 30 Millionen Euro in den Kader investiert. „Es geht sicher darum, künftig ein bisschen erfrischen­der, aggressive­r und torgefährl­icher zu spielen“, hatte Reschke nach der Freistellu­ng von Korkut gesagt.

Dafür hat der starke Mann beim VFB jetzt endlich im zweiten Anlauf Weinzierl an den Neckar holen können. Schon im Januar war der Straubinge­r erste Wahl vor Korkut. Doch da Weinzierl damals in Schalke noch unter Vertrag stand, war das Werben vergebens.

Jetzt ging es ganz schnell. Vfbsportvo­rstand Reschke sieht sich auf jeden Fall auf den richtigen Weg. „Mit Markus Weinzierl haben wir einen absolut erfolgshun­grigen Trainer verpflicht­et, der die Bundesliga genau kennt und weiß, auf was es in unserer Situation ankommt“, schwärmt Reschke.

Dabei hat er wohl nicht den Trainer Weinzierl im Kopf, der auf Schalke scheiterte, sondern den, der sich mit seiner erfrischen­den Spielweise beim FC Augsburg einen Namen machte. 2012 hatte Weinzierl, von Regenburg gekommen, das Traineramt von Jos Luhukay übernommen. Nach nur neun Punkten in der Vorrunde stand er aber kurz vor dem Aus. Doch, anstatt den Trainer zu feuern, entließ der damalige FCA-CHEF Walther Seinsch Manager Jürgen Rollmann und holte dafür Stefan Reuter als neuen starken Mann. Es war der Start einer erfolgreic­hen Verbindung.

Gut möglich, dass Weinzierl mit Michael Reschke ein genauso effektives Duo bildet. Auch Weinzierls neuer Berater Jürgen Schwab hat beste Kontakte zum VFB.

Weinzierl und Reuter entwickelt­en eine laufintens­ive, kampfbeton­dem te, oft spektakulä­re Spielweise, mit der noch der Klassenerh­alt gelang. Danach folgten drei erfolgreic­he Jahre. Das schnelle Umschaltsp­iel wurde zum Markenzeic­hen des FCA und von Weinzierl. 2013/2014 wurde er Bundesliga-trainer des Jahres, noch vor Pep Guardiola. Ein Jahr später führte er den FCA dann auf Platz fünf und in die Euro League. Die europäisch­en Nächte waren die Highlights, dort scheiterte der FCA erst am FC Liverpool. Im Ligaalltag gelang dann mit Ach und Krach der Klassenerh­alt.

Dem ehrgeizige­n Weinzierl war Abstiegska­mpf aber auf Dauer zu wenig. Sein Wechsel zum FC Schalke 04 verlief nicht reibungslo­s. Zwischen Reuter und Weinzierl krachte es richtig. Doch inzwischen haben sich die beiden ausgesproc­hen. Aber nicht nur dafür nutzte Weinzierl die lange Zwangspaus­e. Er hospitiert­e unter anderem beim Trainerkol­legen Pep Guardiola bei Manchester City.

Jetzt ist er bereit für die neue Aufgabe: „Der VFB ist ein großer Verein, der sich momentan in einer sportlich schwierige­n Situation befindet. Dennoch bin ich vom Potenzial der Mannschaft und des Vereins überzeugt. Ich habe die Bundesliga in den vergangene­n Monaten intensiv beobachtet und brenne darauf, die Arbeit mit meiner neuen Mannschaft zu beginnen.“

Am heutigen Mittwoch leitet er sein erstes Training. 15 Monate zu Hause waren genug.

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Foto: Ulrich Wagner Bei seiner Rückkehr als Trainer des FC Schalke 04 waren im Oktober 2016 alle Kameraobje­ktive in der Augsburger Wwk-arena auf ihn gerichtet.

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