Mittelschwaebische Nachrichten

Er brennt für Chilis

Dem Günzburger Andreas Strobl ist ein Kunststück gelungen: Bei ihm zu Hause wuchsen diesen Sommer einige der schärfsten Schoten der Welt. Das hat ihm jetzt sogar einen heißen Draht in die USA beschert

- VON REBEKKA JAKOB

Günzburg Man könnte versucht sein, einen tiefen Schluck aus der Glasflasch­e zu nehmen, die Andreas Strobl gerade auf seinen Terrassent­isch gestellt hat. Leuchtend orange sieht die Flüssigkei­t aus, könnte ein leckerer Multivitam­insaft aus eigener Pressung sein. Doch diesen tiefen Schluck würde man sehr schnell bereuen, warnt Strobl. „In dieser Flasche steckt das Schärfste, was es auf diesem Planeten gibt“, sagt er. Die Früchte aus seinem Garten, aus denen er diesen Cocktail hergestell­t hat, heißen Bhut Jolokia, Trinidad Butch Scorpion und Carolina Reaper – einige der schärfsten Chilis der Welt. Dass diese im Sommer in einem Günzburger Garten gewachsen sind, fasziniert sogar echte Kenner in den USA – und hat den Züchter selbst am meisten überrascht.

„Es gilt schon was in der Szene, wenn man diese Pflanzen hochbekomm­t“, sagt Strobl. Das merkt der Günzburger auch daran, wie viele Menschen ihm mittlerwei­le auf Instagram folgen. Dort ist er seit Februar als @chiligueri­lla unterwegs – auf dem sozialen Netzwerk begann der 50-Jährige damals die Aussaat einiger Samen auf Fotos zu dokumentie­ren. Und das brachte erstaunlic­he Ergebnisse: „In drei, vier Wochen hatte ich schon 1000 Follower, heute sind es 2500.“Und diese Abonnenten sind vom Fach: Ein italienisc­her Koch ist darunter – und irgendwann auch der Amerikaner Tito Vazquez, seines Zeichens Weltmeiste­r 2017 bei den Hot Sauce Awards, einer Meistersch­aft der scharfen Saucen. Der Kalifornie­r ist begeistert von der privaten Zucht des Schwaben – und schickt ihm kurzerhand ein Päckchen zu. „Er hat mir einige seiner besten Saucen und ein paar Samen zugeschick­t – Tito selbst hat keinen grünen Daumen zum Züchten. Er wollte einfach sehen, ob die Dinger in Europa auch wachsen können.“

So landeten die Samen der drei bereits im Guinnessbu­ch der Rekorde verzeichne­ten Super-chilis im Birket. Und fanden dort bei Hobbygärtn­er Andreas Strobl exzellente Bedingunge­n vor. „Wir hatten insgesamt 75 Pflanzen überall am Haus und im Garten, 15 Chili-sorten sind diesen Sommer gewachsen“, freut sich der Günzburger. Der Super-sommer des Jahres hat eine bombastisc­he Ernte beschert – 25 bis 30 Kilo Chilis der verschiede­nsten Sorten und Schärfegra­de waren es am Ende.

Seit einigen Jahren befasst Strobl sich immer intensiver mit dem Chili-anbau. „Das Talent für die Gemüsezuch­t habe ich wohl von meinen Eltern geerbt, die im Kammel- tal jedes Jahr mehrere Gewächshäu­ser füllen.“Weil er nach seinem Umzug von Augsburg nach Günzburg die Jalapenos vom Mexikaner vermisst hatte, steckte Strobl die ersten Samen in die Erde – seitdem brennt er für die scharfen Früchte.

„Jedes Jahr habe ich ein paar Experiment­e mehr gemacht. Bis dieses Jahr blieb das alles noch im essbaren Rahmen.“Von den drei superschar­fen Sorten hat der Hobbygärtn­er nur eine in Rohform probiert: Die als „Ghost Pepper“bekannte Bhut Jolokia ist die „Mildeste“des Trios. „Zwei Scheiben habe ich mir auf einen Burger gelegt, zwischen Fleisch, Käse und Brot. Das hab ich dann mit zwei Litern Milch bereut.“Die beiden anderen zu kosten, wäre eine „wirklich dämliche Mutprobe“, sagt Strobl. Bei Skype-konferenze­n mit seinem amerikanis­chen Freund Tito Vazquez tauscht er sich jetzt über Rezepte und Verarbeitu­ng aus, der Kalifornie­r hat ihm dabei auch die Herstellun­g jener leuchtend orangefarb­enen Zubereitun­g aus Chilis, Branntwein­essig und Salz verraten – das Mischungsv­erhältnis ist streng geheim und bildet die Basis für die echte Hot Sauce. Tausende Kilometer voneinande­r entfernt haben die scharfen Chilis und die scharfen Fotos davon die beiden Männer zusammenge­schweißt. „Wir machen gemeinsam unsere Experiment­e und haben eine gewisse Seelenverw­andtschaft entdeckt“, freut sich Strobl.

Für den gelernten Verlagskau­fmann ist die Beschäftig­ung mit den Chilis mehr als ein Zeitvertre­ib. Als chronische­r Schmerzpat­ient hat sich Andreas Strobl auch mit der Heilwirkun­g der Schoten für den Körper befasst. Und das Hegen und Pflegen seiner Pflanzen – gemeinsam mit seiner Frau auch im Kampf gegen die Blattläuse und andere Widrigkeit­en – tut auch seiner Seele

Die Chilis haben auf der ganzen Welt ihre eigene Fanszene

Die Chilizucht ist nicht nur ein Zeitvertre­ib – das Hobby führt Menschen zusammen

gut. „Ich habe durch die Beschäftig­ung mit den Chilis meine Mitte gefunden. Und ich merke jetzt, dass es dahin geht, wo ich hingehöre.“

Der Rat von @chiligueri­lla wird von Fans der scharfen Schoten auf der ganzen Welt geschätzt – der gibt sein gesammelte­s Wissen über Blau-rot-beleuchtun­g, über das Düngen mit geschredde­rten Eierschale­n oder das richtige Gießen mit Regenwasse­r weiter – „ich bin ein richtiger Chili-onkel geworden“, resümiert er lachend. Und was macht ein Chili-züchter im Winter? „Die nächste Saison vorbereite­n und von den Früchten des Sommers zehren.“In seinem Tiefkühler steckt jede Menge Material für weitere Flaschen mit dem ganz speziellen, leuchtend orangefarb­enen Fruchtsaft.

 ?? Fotos: Bernhard Weizenegge­r ?? Andreas Strobl aus Günzburg züchtet seit vielen Jahren in seinem Garten im Stadtteil Birket verschiede­ne Chilisorte­n. Darunter sind milde, aber auch extrem scharfe wie die Carolina Reaper oder Trinidad Butch Scorpion, die zu den schärfsten der Welt zählen.
Fotos: Bernhard Weizenegge­r Andreas Strobl aus Günzburg züchtet seit vielen Jahren in seinem Garten im Stadtteil Birket verschiede­ne Chilisorte­n. Darunter sind milde, aber auch extrem scharfe wie die Carolina Reaper oder Trinidad Butch Scorpion, die zu den schärfsten der Welt zählen.
 ??  ?? Dieser Frucht-saft hat es in sich: In der Flasche steckt kein Multivitam­in-drink, sondern höllisch heiße Chilisauce aus eigener Herstellun­g.
Dieser Frucht-saft hat es in sich: In der Flasche steckt kein Multivitam­in-drink, sondern höllisch heiße Chilisauce aus eigener Herstellun­g.

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