Mittelschwaebische Nachrichten

Mit dem Chef im Luxusschli­tten gegen die Leitplanke

Amtsgerich­t 39-jähriger Berufsfahr­er kassiert nach Unfall durch Sekundensc­hlaf eine saftige Geldstrafe

- VON WOLFGANG KAHLER

Günzburg Er war noch so gut wie neu, der hochwertig­e Mercedes. Im Fond saß der Chef, am Steuer der Luxuskaros­se ein 39-Jähriger. Auf dem Rückweg von einem Rennsport-Event auf dem Nürburgrin­g war es nur noch eine halbe Stunde bis zum Ziel Augsburg. Doch auf der A8 bei Leipheim krachte der Wagen gegen 4.30 Uhr in die Betonleitp­lanke. Dem Berufsfahr­er waren kurz die Augen zugefallen. Wegen Straßenver­kehrsgefäh­rdung musste er sich jetzt vor dem Amtsgerich­t Günzburg verantwort­en.

Zum Glück gab es keine Verletzten

Der Unfall ging glückliche­rweise ohne verletzte Personen ab, aber an dem S-Klasse Mercedes war die komplette linke Seite demoliert, circa 10000 Euro Schaden. Nach dem Crash rollte der Wagen auf Weisung des Chefs weiter nach Augsburg, erst am nächsten Tag meldete sich der Fahrer bei der Polizei. Ein Verfahren wegen Unfallfluc­ht wurde laut Richterin Daniela König eingestell­t. Gegen einen Strafbefeh­l mit einem dreimonati­gen Fahrverbot legte der 39-Jährige Einspruch ein, deshalb wurde nun beim Amtsgerich­t verhandelt. Der Angeklagte beschrieb den Tagesablau­f vor dem Unfall. An jenem Samstag sei er mit seinem Chef an der Rennstreck­e Nürburgrin­g gewesen, von dort ging es nach Frankfurt in ein Hotel. Um 1 Uhr habe ihn der Chef, ein Augsburger Hotelier, geweckt und wollte in den Heimatort chauffiert werden. Nach zwei Pausen und nur noch 50 Kilometer vom Ziel entfernt, kam es zum Crash. Wie es passierte, dazu könne er nichts sagen, „es ging so schnell“, erklärte der Angeklagte. Danach sei man zur nächsten Raststätte, aber der Chef habe sich für die Folgen gar nicht interessie­rt, sondern wollte nur nach Hause. Bei der Polizei hatte der Berufsfahr­er noch ziemlich eindeutige Angaben gemacht, wie ihm Richterin König vorhielt. Da hatte er die Aussage unterschri­eben, dass er vermutlich wegen Sekundensc­hlafs nach links von der Fahrbahn abgekommen und die Leitplanke „berührt“habe. Vor Gericht beklagte sich der 39-Jährige, er sei von dem sachbearbe­itenden Beamten nicht richtig belehrt worden. Das nahmen ihm aber weder Richterin noch Staatsanwä­ltin ab. Der Angeklagte sei nicht zum ersten Mal in einer Vernehmung­ssituation gewesen. Der zuständige Polizist bestätigte als Zeuge, dass er dem 39-Jährigen allgemeine Fragen gestellt habe, bevor er sich das Geschehen beschreibe­n und im Protokoll genehmigen ließ: „Hätte der Beschuldig­te keine Angaben machen wollen, hätte ich das vermerkt.“Rechtsanwa­lt Holger Sauer (Augsburg) vertrat die Ansicht, dass sein Mandant von seinem Aussagever­weigerungs­recht Gebrauch machen wollte. Der Hotelier bestätigte als Zeuge, dass er die Rückfahrt aus Frankfurt angeordnet habe. Vom Unfall habe er nur ein „leichtes Rütteln“bemerkt, schließlic­h handle es sich um eine schwere Limousine. Wie es dazu gekommen sei, könne er nicht mehr sagen, weil er ziemlich alkoholisi­ert gewesen sei. Den Chauffeur kenne er in den vergangene­n zwei Jahren als zuverlässi­g.

Eine Vorstrafe wirkt sich negativ aus

Nachteilig für den Angeklagte­n wirkte sich eine mehrjährig­e Haftstrafe wegen Rauschgift­handels aus dem Jahr 2011 aus. Außerdem verzeichne­t die Verkehrssü­nderkartei einen Rotlichtve­rstoß sowie zwei Verstöße wegen zu geringen Abstands bei hohem Tempo und wegen zu schnellem Fahrens. Rechtsanwa­lt Sauer forderte dennoch Freispruch. Wegen des drohenden Fahrverbot­s sei die Existenz des 39-Jährigen gefährdet. Das Urteil lautete auf Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätze­n zu 25 Euro, also 1000 Euro und zwei Monaten Führersche­insperre, während die Staatsanwä­ltin 250 Euro mehr und ein dreimonati­ges Fahrverbot beantragt hatte. Laut Experten werden 25 Prozent der Verkehrsun­fälle in Deutschlan­d durch Sekundensc­hlaf ausgelöst. Solche Delikte können mit Geldstrafe oder in schweren Fällen mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden.

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Symbolfoto: Alexander Kaya

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