Mittelschwaebische Nachrichten

Vorfreude auf ein echtes Schatzkäst­lein

Kultur In zwei Wochen wird das sanierte Krippenmus­eum wieder eröffnet: Warum ein Besuch sich sicher lohnt

- VON JOHANN STOLL

Mindelheim Vollgestop­fte Vitrinen und die Wände dicht behängt mit möglichst vielen Objekten – so sahen Museen früher aus. Auch das Schwäbisch­e Krippenmus­eum in Mindelheim war lange Zeit der Versuchung erlegen, möglichst viele der wertvollen Objekte zu präsentier­en. Heute weiß man: Weniger ist oft mehr und die Form der Präsentati­on muss sich ändern.

Mindelheim beherbergt die zweitältes­te Krippensam­mlung Bayerns und Baden-Württember­gs. 1903 war die Krippensam­mlung bereits zusammenge­stellt worden. Nur die Krippensam­mlung des Bayerische­n Nationalmu­seums in München ist etwas älter. 1989 erhielt die Mindelheim­er Sammlung als Schwäbisch­es Krippenmus­eum ihr eigenes Museum im Colleg.

Schon vor Jahren haderten Fachleute, die Schätze dieses Museums kämen viel zu wenig zur Geltung. Auch Kulturamts­leiter Christian Schedler und Museumslei­terin Friederike Haber drängten auf eine Neukonzept­ion des Museums. Letztlich konnten sie auch den Stadtrat und den Landkreis überzeugen, die zu den Gesamtkost­en von über 700 000 Euro jeweils 150 000 Euro beisteuert­en. Den Rest sammelte Schedler über Spenden und bei Stiftungen ein. So half der Freistaat mit 100 000 Euro über eine Stiftung, die Sparkasse mit ihrer Stiftung mit 50 000 Euro. Und auch Rotary und der Förderkrei­s der Mindelheim­er Museen legten sich stark ins Zeug.

Der renommiert­e Museumsexp­erte Peter Schreiner hat die Grundideen geliefert. Nicht mehr einzelne Stücke werden gezeigt, sondern Zusammenhä­nge deutlich gemacht. Es gab Zeiten, da hätte niemandem erklärt werden müssen, was denn die Verkündigu­ng des Herrn ist oder die Heimsuchun­g Mariens. Schon gar auf dem Land, wo jedes Kind mit der Katholisch­en Kirche groß geworden ist mit all seinen Bräuchen und Geschichte­n. Dass Maria Gottes Sohn zur Welt bringen wird, wie der Engel verkündet hat und dass die schwangere Maria ihre Verwandte Elisabet besucht hat – daher Heimsuchun­g –, allen wäre die Bedeutung klar gewesen. Wer sich heute an kirchliche Themen heranwagt, muss mehr erklären, muss Zusammenhä­nge herstellen, in Themen denken.

Vor 400 Jahren im Jahr 1618 kamen die Jesuiten nach Mindelheim. Sie brachten nicht nur Bildung und Schulen in die Stadt. Ihnen hat Mindelheim auch die lange Krippentra­dition zu verdanken, die ursprüngli­ch aus Italien stammt. All diese Be- züge werden sich in dem Museum finden lassen. Noch ist das neue Museum nicht fertig. Handwerker sind an mehreren Stellen emsig am Arbeiten. Auch Markus Fischer, der Leiter des Heimatmuse­ums, legt fleißig mit Hand an. Der Eröffnungs­tag 25. Oktober sei aber nicht in Gefahr, versichert Schedler. Bis dahin wird alles perfekt präsentier­t werden.

Das neue Museum hat mit dem alten nichts mehr gemein. Alle Räume sind neu gestaltet worden. Der schlauchar­tige Gang ist durch vorgelager­te Portale in seiner Wirkung eingebrems­t worden. Zwar sind einige der wertvollen Krippen auch im neuen Museum wieder zu sehen. Aber sie werden völlig neu präsentier­t. Die durfte schon mal einen Blick durchs Schlüssell­och werfen. Die Geschichte der Krippen wird künftig thematisch erzählt. Gleich zu Beginn des Rundgangs des von 300 auf 400 Quadratmet­er ver- größerten Areals empfängt den Besucher eine unscheinba­re Darstellun­g von Adam und Eva, wie sie aus dem Paradies vertrieben werden. Der Apfelbaum ist dort zwar eine Palme. Aber die Schlange, die gibt es in der Darstellun­g. Dieser Sündenfall ist für Christian Schedler der Beginn allen Leids auf der Erde. Die Geschichte von Gottes Sohn, der die Menschheit mit seinem Tod erlöste, ist Folge dieser Hybris des Menschen. Der Mensch wollte sich über Gott stellen. Und alle Kriege dieser Welt, sagt Schedler, haben ihren Ursprung darin, dass sich die einen über die anderen stellen wollen.

Es geht in diesem Museum also um viel mehr als um die Präsentati­on schön geschnitzt­er Figuren aus alten Zeiten. Auf einer Weltkarte können Besucher nachspüren, wo es überall Krippen gibt. An anderer Stelle lässt sich eine himmlische Zeitreise ins Jahr 7 v. Chr. antreten. Gezeigt wird der Sternenhim­mel von Bethlehem. Wer Lust hat, kann sein eigenes Sternbild anklicken, das dann aufleuchte­t.

Auch zwei ganz außergewöh­nliche Schätze werden in dem Museum neu präsentier­t: Das Millionen-Baby von Michel Erhard aus Ulm, das rund eine Million Euro wert ist und deshalb höchstgesi­chert hinter Panzerglas und Alarmanlag­e gezeigt wird. Und das älteste Christkind der Welt aus der Zeit um 1300. Damit ist diese Figur, die ursprüngli­ch aus Leutkirch stammt, ihrer Zeit um 200 Jahre voraus.

Das Museum bietet aber auch eine Zeitreise in die Moderne. Ein russischer Filmemache­r hat die Herbergssu­che als Zeichentri­ckfilm nachgedreh­t – dieses tief berührende Werk kommt ganz ohne Sprache aus. Aber auch moderne Krippen werden gezeigt. Beim Lukus-Preis, den Mindelheim seit Jahren regelmäßig auslobt, nehmen immer wieder renommiert­e Künstler teil, deren beste Arbeiten die Stadt angekauft hat.

Fast jeder Krippe kann ihre eigene Geschichte erzählen. Die Wittelsbac­her Krippe ist so eine, die von Flucht und neuer Heimat erzählt. Mitglieder des Adelsgesch­lechts waren 1918 ins Exil nach Ungarn gegangen. Um 1930 schnitzten sie die Krippe, die künftig in Mindelheim zu sehen sein wird. Darunter ist auch eine Darstellun­g des äthiopisch­en Königs Haile Selassie, wie Eleonore von Bayern Christian Schedler verraten hat. Die Prinzessin übrigens erzählt die Geschichte dieser Krippe mit seiner außergewöh­nlichen Familienge­schichte auf einem Tondokumen­t. Besucher können also mit allen Sinnen auf Entdeckung­stour gehen. Neue Mitmachsta­tionen machen es möglich.

OEröffnung Das neue Schwäbisch­e Krippenmus­eum ist ab dem 26. Oktober wieder geöffnet.

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Foto: jsto Alles im Kasten: Mit Figurenset­s wie diesen wollte man in früheren Zeiten das Krippenbra­uchtum auf eine breite Basis stellen und auch in evangelisc­hen Haushalten verankern. Die Schachtel ist nur eines der vielen Stücke, die demnächst im neuen Mindelheim­er Krippenmus­eum zu sehen sein werden.

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